(Registrieren)

Oberhessische Presse: Kommentar zum Akkreditierungsverfahren im NSU-Prozess

Geschrieben am 19-04-2013

Marburg (ots) - Dass Journalisten bisweilen mit begrenzten
Platzkontingenten konfrontiert werden, gehört zum Berufsalltag.
Insbesondere bei Strafprozessen, die von großem öffentlichen
Interesse sind, äußern nicht selten mehr Medienvertreter
Akkreditierungswünsche, als es Sitzplätze im Gerichtssaal gibt. Die
Vergabe ging in der Vergangenheit meist geräuschlos vonstatten. Doch
seitdem im Vorfeld des NSU-Prozesses die türkische Zeitung "Saba" bis
vor das Bundesverfassungsgericht gezogen war, um aus dem Münchner
Gerichtssaal berichten zu können, überlagert die Frage der
Medienpräsenz bei dem Prozess gegen Beate Zschäpe und ihre
Mitangeklagten den eigentlichen Gegenstand der Hauptverhandlung. Kaum
jemand wird angesichts der Vorgeschichte bestreiten wollen, dass in
diesem Verfahren eine saubere Lösung für die Berichterstattung
gefunden werden muss, und niemand wird in Zweifel ziehen, dass
hierbei Medien zum Zug kommen müssen, die im ethno-kulturellen Umfeld
der Opfer des NSU-Terrors angesiedelt sind. Die Öffentlichkeit hatte
sich seit der "Saba"-Klage gefragt, warum die Münchner
Gerichtsbarkeit nicht in der Lage oder willens war, räumliche
Voraussetzungen für das Verfahren zu schaffen, die eine
uneingeschränkte Medienpräsenz ermöglichen. Das scheint das
Oberlandesgericht München weiterhin nicht in Betracht zu ziehen,
ansonsten hätte es sich nicht zu jener Verfügung durchgerungen, die
die Teilnahme von Journalisten am Prozessgeschehen jetzt zur Lotterie
macht. Glückspiel kann süchtig machen, heißt es in der Werbung - in
diesem Fall macht Glücksspiel wütend, und es ist absehbar, dass
Medienvertreter, die bereits eine Akkreditierung in der Tasche hatten
und jetzt leer ausgehen, die bayerische Stuhl-Tombola anfechten
werden. So viel ist sicher: Das Informationsbedürfnis der meisten
Menschen wird angesichts von 50 zur Verfügung stehenden
Reporterplätzen hinreichend gestillt. Doch darum geht es nicht.
Vielmehr geht es darum, dass der Ausschluss bestimmter Teile der
Medienöffentlichkeit rechtsstaatlich zumindest fragwürdig ist. Und
das Letzte, was sich die Bundesrepublik im Zusammenhang mit dem
NSU-Prozess leisten kann, ist der Verdacht, die Gerichtsbarkeit könne
bei der Strafverfolgung von Rechts-Terror nicht die gleiche
Entschlossenheit und Konsequenz an den Tag legen wie vor knapp vier
Jahrzehnten im Umgang mit dem Bader-Meinhof-Terror. Fußnote: 1975
wurde auf dem Gelände der Stuttgarter Justizvollzugsanstalt für 12
Millionen D-Mark eine Mehrzweckhalle errichtet, um dort den
Mitgliedern der Rote Armee Fraktion den Prozess zu machen. Aus
Sicherheitsgründen. Aber eben auch mit jeder Menge Sitzplätzen. von
Carsten Beckmann



Pressekontakt:
Oberhessische Presse
Anja Luckas
Telefon: (0)6421 / 409-310
nachrichten@op-marburg.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

459337

weitere Artikel:
  • BERLINER MORGENPOST: Keine schnellen Schlüsse Clemens Wergin über die dramatische Terroristenjagd in Boston und die Folgen Berlin (ots) - Während diese Zeilen geschrieben werden, ist der zweite Attentäter von Bostoner noch flüchtig und wird von Tausenden Polizisten gesucht. Der Verkehr und das Alltagsleben in der stolzen Stadt sind gänzlich zum Erliegen gekommen, die ganze Welt verfolgt die Fahndung auf Twitter oder im Fernsehen mit. Die Polizei fordert die Fernsehteams auf, die taktischen Positionen der Polizei und die Fahrtrichtung von Konvois nicht zu verraten, um dem Täter keinen Vorteil zu verschaffen. Und während ein Attentäter noch auf der Flucht mehr...

  • Rheinische Post: Das Los mit dem OLG = Von Reinhold Michels Düsseldorf (ots) - Es bleibt unbegreiflich, wie sich der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München bei der Vorbereitung des Verfahrens gegen mutmaßliche Rechtsterroristen zum - rheinisch ausgedrückt - Hänneschen machen ließ. Die prozessleitenden Entscheidungen des Senatsvorsitzenden vor Beginn der Hauptverhandlung unter anderem gegen die des zehnfachen Mordes angeklagte Beate Tschäpe stehen in herbem Kontrast zu der juristischen Brillanz, welche Richter Götzl nachgesagt wird. Das Losverfahren mit einer differenzierten Platz-Kontingentierung mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zur Entlassung der sachsen-anhaltischen Wirtschaftsministerin Halle (ots) - Birgitta Wolff hat nur das gemacht, wofür die schwarz-rote Koalition nach der Wahl angetreten war: Sachsen-Anhalt als Hochschul- und Wissenschaftsstandort weiterzuentwickeln. Da gibt es noch einiges zu tun. Doch dieses Ziel wird mit den neuen Haushaltsplänen dem Rotstift geopfert. Reiner Haseloff ist mit seiner ursprünglichen Idee, Wissenschaft und Wirtschaft besonders zu fördern, gescheitert. Zu welchen absurden Entscheidungen lässt er sich als nächstes treiben? Der Nachfolger von Birgitta Wolff ist ein Ex-Finanzminister. mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum NSU-Prozess Bielefeld (ots) - Muss das sein? Solch ein Theater wie das um die Plätze für Journalisten im Münchener NSU-Prozess ist nicht für jedes Verfahren nötig. Bei der Anklage gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und ihre möglichen Helfer geht es aber um einen Sonderfall. Besondere Prozesse erfordern besondere Wege. Bei der Anklage gegen Angehörige der terroristischen RAF wurde in Stammheim sogar extra eine neue Halle gebaut, um allen Beobachtern Platz zu bieten und zugleich die Beschuldigten sicher zu verwahren. Beim NSU-Prozess mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Debatte um die Frauenquote Bielefeld (ots) - Angela Merkel ist nicht unschlagbar. Das hat diese Woche bewiesen. Und es passt zu den Merkwürdigkeiten dieser Legislaturperiode, dass es ausgerechnet eine Parteifreundin war, die der Kanzlerin die größte Schlappe seit langem zugefügt hat. Mit ihrer Sturheit in der Debatte um die Frauenquote hat Arbeitsministerin Ursula von der Leyen - in einer Mischung aus Genialität und Größenwahn - der CDU-Vorsitzenden eine Volte abverlangt, deren Konsequenzen noch gar nicht ganz absehbar sind. Doch geht es um nicht weniger als mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht