(Registrieren)

Menschenrechtsinstitut: Entscheidung des UN-Antirassismus-Ausschusses zu Sarrazin erfordert besseren Schutz vor rassistischen Äußerungen in Deutschland

Geschrieben am 18-04-2013

Berlin (ots) - Das Deutsche Institut für Menschenrechte begrüßt
die gestern veröffentlichte Entscheidung des
UN-Antirassismus-Ausschusses. Dieser hat festgestellt, dass
Deutschland seine Bevölkerung im Fall Thilo Sarrazin nicht
ausreichend vor rassistischen Äußerungen geschützt hat. Gegenstand
des Verfahrens war die Einstellung des strafrechtlichen
Ermittlungsverfahrens gegen Sarrazin wegen seines Interviews in
"Lettre International" im Herbst 2009. Das damalige Vorstandsmitglied
der Deutschen Bundesbank hatte sich in dem Interview verächtlich,
herabwürdigend und verdinglichend über Menschen, insbesondere mit
türkischem und arabischem Migrationshintergrund, geäußert.

Die Entscheidung des UN-Ausschusses geht auf eine Beschwerde des
Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg (TBB) zurück. Dieser und mehrere
Einzelpersonen hatten nach Erscheinen des Interviews Strafanzeige
wegen Volksverhetzung (§ 130 Strafgesetzbuch) und Beleidigung (§ 185
Strafgesetzbuch) gestellt. Das Ermittlungsverfahren gegen Sarrazin
wurde eingestellt, zu einer strafrechtlichen Anklage kam es daher
nicht. Daraufhin hatte der TBB eine Beschwerde beim
UN-Antirassismus-Ausschuss eingereicht.

Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für
Menschenrechte, erklärt: "Der Ausschuss hat klargestellt, dass
Deutschland seinen menschenrechtlichen Schutzpflichten aus der
Antirassismus-Konvention nicht nachgekommen ist. In dem
Ermittlungsverfahren gegen Sarrazin sei nicht ausreichend der Frage
nachgegangen worden, ob seine Äußerungen rassistisches Gedankengut
beinhalteten. Damit habe Deutschland seine menschenrechtliche
Verpflichtung zu effektivem Rechtsschutz gegen rassistische
Äußerungen verletzt. Der Ausschuss hat unter Hinweis auf seine
bestehende Spruchpraxis hervorgehoben, dass die Ausübung des Rechts
auf freie Meinungsäußerung Grenzen hat. Zu diesen Grenzen gehört
insbesondere die Verbreitung rassistischen Gedankenguts.

Der Ausschuss hat keinen Zweifel daran gelassen, dass die Aussagen
Sarrazins in dem Interview rassistisch waren. Überdies hätten sie
nach der Anti-Rassismus-Konvention auch sanktioniert werden müssen.
Der Ausschuss ist insbesondere zu der Auffassung gelangt, dass die
Aussagen Sarrazins rassistisches Gedankengut beinhalten, die den
Betroffenen ihren Achtungsanspruch als Menschen absprechen und ihnen
in verallgemeinernder Weise negative Eigenschaften zuschreiben. Die
Entscheidung des Ausschusses hat über den Einzelfall hinaus
Bedeutung: Gesetzeslage und Praxis im Bereich der Strafverfolgung von
rassistischen Äußerungen sind im Lichte der Entscheidung auf den
Prüfstand zu stellen, um die von solchen Äußerungen unmittelbar
Betroffenen wirksam zu schützen und die Menschenwürde als Grundlage
unseres Gemeinwesens zu verteidigen."

Das Institut hat in dem Verfahren vor dem UN-Ausschuss eine
Stellungnahme als unabhängiger Dritter abgegeben und damit seine
Funktion als Nationale Menschenrechtsinstitution wahrgenommen, den
Menschenrechtschutz in Deutschland zu befördern.

Hintergrundinformationen zur Stellungnahme des Deutschen Instituts
für Menschenrechte im Verfahren vor dem UN-Anti-Rassismus-Ausschuss
Türkischer Bund in Berlin-Brandenburg e.V. gegen Deutschland
(Beschwerde- Nr. 48/2010) Link: http://ots.de/7SzuV

Stellungnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte im
Verfahren vor dem UN-Anti-Rassismus-Ausschuss Türkischer Bund in
Berlin-Brandenburg e.V. gegen Deutschland Link: http://ots.de/7SzuV

Entscheidung des UN-Antirassismus-Ausschuss, 4. April 2013:
http://www2.ohchr.org/english/bodies/cerd/jurisprudence.htm



Pressekontakt:
Bettina Hildebrand, Pressesprecherin
Telefon: 030 25 93 59 - 14 Mobil: 0160 966 500 83
E-Mail: hildebrand@institut-fuer-menschenrechte.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

458944

weitere Artikel:
  • Korrektur im Titel: Anwerbe-Versuche für Neo-Nazi-Netzwerk in rheinland-pfälzischem Gefängnis Mainz (ots) - Auch in Rheinland-Pfalz hat es Anwerbe-Versuche für den Aufbau eines Netzwerkes von inhaftierten Neo-Nazis gegeben. Dem SWR liegt ein Schreiben eines inhaftierten Neo-Nazis vor. Gerichtet ist der Brief an einen Insassen der rheinland-pfälzischen Justizvollzugsanstalt Diez. Der Schreiber bietet dem Häftling in Diez eine leitende Position in dem Neo-Nazi-Netzwerk "Ariayn Resistance in Prison" an. Aus dem Text geht hervor, dass der Häftling aus Diez offenbar zuvor Bereitschaft signalisiert hatte, Verantwortung im sogenannten mehr...

  • Rupprecht/Schipanski: Wissenschaftsstandort Deutschland profitiert von Nachwuchsförderung durch den Bund Berlin (ots) - Die Sachverständigen haben am heutigen Donnerstag den Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2013 der Bundesregierung übergeben. Hierzu erklären der wissenschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Albert Rupprecht, und der zuständige Berichterstatter Tankred Schipanski: Albert Rupprecht: "Von der enormen Bildungs- und Wissenschaftsexpansion, ausgelöst durch die massive Bundesförderung seit 2005, profitiert vor allem der wissenschaftliche Nachwuchs. Er erhält mehr Angebote, eine mehr...

  • Anwerbe-Versuche für Neo-Nazi-Netzwerk in rheinland-pfälzischem Gefängnis Mainz (ots) - Auch in Rheinland-Pfalz hat es Anwerbe-Versuche für den Aufbau eines Netzwerkes von inhaftierten Neo-Nazis gegeben. Dem SWR liegt ein Schreiben eines inhaftierten Neo-Nazis vor. Gerichtet ist der Brief an einen Insassen der rheinland-pfälzischen Justizvollzugsanstalt Diez. Der Schreiber bietet dem Häftling in Diez eine leitende Position in dem Neo-Nazi-Netzwerk "Ariayn Resistance in Prison" an. Aus dem Text geht hervor, dass der Häftling aus Diez offenbar zuvor Bereitschaft signalisiert hatte, Verantwortung im sogenannten mehr...

  • Meister: Energie- und Klimafonds unterstützt vielfältigste Maßnahmen der Energiewende in 2013 Berlin (ots) - Medien berichten aktuell über die Finanzierung von Maßnahmen durch den Energie- und Klimafonds. Hierzu erklärt der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Meister: "Der Energie- und Klimafonds (EKF) als ein zentraler Baustein für die Energiewende der Bundesregierung wird in 2013 in einem beachtlichen Umfang Maßnahmen finanzieren können. Das gilt auch vor dem Hintergrund geringerer Einnahmen aus den CO2-Zertifikateerlösen als ursprünglich erwartet. Durch den EKF können 2013 Ausgaben mehr...

  • Rheinland-pfälzisches Justizministerium bestätigt SWR-Recherchen zu Anwerbeversuch für Neonazi-Netzwerk in rheinland-pfälzischem Gefängnis Mainz (ots) - Das rheinland-pfälzische Justizminsterium hat Recherchen des SWR bestätigt, wonach es einen Anwerbeversuch für ein Neonazi-Netzwerk in der JVA Diez gegeben habe. Wörtlich erklärt der Sprecher des Ministeriums, Wahid Samimy: "Der von Ihnen beschriebene Vorgang ist hier bekannt und soll heute Gegenstand des Rechtsausschusses sein." Dem SWR liegt ein Schreiben eines inhaftierten Neonazis vor. Gerichtet ist der Brief an René H., ein Insasse der rheinland-pfälzischen Justizvollzugsanstalt Diez. Der Schreiber bietet mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht