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NDR Info: Steinbrück fordert Verbot anonymer Offshore-Firmen

Geschrieben am 12-04-2013

Hamburg (ots) - SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat seine
Forderung nach einem härteren Vorgehen gegen Steueroasen bekräftigt.
Steinbrück sagte im Radioprogramm NDR Info, anonyme Briefkastenfirmen
müssten verboten werden. "Es gibt in der Karibik so viele
Briefkastenfirmen, die würden nicht einmal ins Empire State Building
in New York passen", sagte Steinbrück. Alle Staaten müssten auf einen
automatischen Informationsaustausch verpflichtet werden, um wirksamer
gegen Steuerflucht vorzugehen.

Der SPD-Kanzlerkandidat bezog sich dabei auf die
"Offshore-Leaks"-Recherchen, die das System der Steueroasen und viele
Fälle von Steuerflucht offengelegt haben. Steinbrück forderte auch
für Banken strengere Auflagen. Es müsse einen klaren Strafenkatalog
geben für Banken in Deutschland, die Beihilfe zur Steuerhinterziehung
leisteten.

Steinbrück warf der Bundesregierung vor, in den vergangenen Jahren
untätig gewesen zu sein. Äußerungen von Bundesfinanzminister
Schäuble, der die Offshore-Leaks-Recherchen ebenfalls begrüßt hatte,
bezeichnete Steinbrück als Rückzugsgefecht. Schäuble hatte der
"Süddeutschen Zeitung" gesagt, der derzeitige öffentliche Druck auf
Steueroasen sei gut und sinnvoll. Die Zeitung recherchierte
"Offshore-Leaks" in Deutschland gemeinsam mit dem NDR.

Fotos: ARD-foto.de

Das Interview mit Steinbrück im Wortlaut:

NDR Info: Herr Steinbrück, Wolfgang Schäuble wirft Ihnen im
Gegenzug Populismus vor. Verhandlungen seien manchmal nun mal ein
mühsames bohren dicker Bretter, sagt er, mit der Kavallerie reite man
nur gegen die Wand. Sind wir schon mitten drin im Wahlkampf?
Steinbrück: Nein, aber dass er sich rechtfertigt über einen Angriff
auf meine Person - dafür, dass in den letzten drei Jahren sehr wenig
auf dem Gebiet der Bekämpfung von Steuerbetrug getan worden ist, das
ist nur natürlich. Denn man darf ja nicht ganz vergessen, er hatte
ein Abkommen mit der Schweiz abgeschlossen oder einen Entwurf
verabredet, der war löchrig wie ein Schweizer Käse. Er wollte, dass
deutsche Steuerbürger wahrscheinlich weiterhin straffrei sind, dass
sie in der Anonymität verweilen. Er war derjenige, der die
Steuerfahndung für den Aufkauf von Steuer-CDs kritisiert hat. Er war
es, der einen Nordrhein-Westfälischen Finanzminister, Norbert Walter
Borjans, ebenfalls für seine sehr rigide Haltung in der Frage der
Bekämpfung des Steuerbetruges kritisierte. Insofern hat man ein
bisschen den Eindruck, das sind jetzt Rückzugsgefechte.

NDR Info: Also, zu viele Lippenbekenntnisse von Wolfgang Schäuble
und zu wenig passiert?

Steinbrück: Ja. Wir waren ja mal gemeinsam weiter in der großen
Koalition. Und daran erinnere ich mich durchaus mit Respekt. Es sind
die Bundeskanzlerin und meine Wenigkeit gewesen, die bei dem
Finanzgipfel im April 2009 dieses Thema ins Kommuniqué von zwanzig
großen Ländern gebracht hat und es dann auch noch geschafft haben,
mit Unterstützung einer Staatengemeinschaft, die sich OECD nennt,
eine Art schwarze Liste als Anlage herbeizuführen. Und mein gar nicht
polemischer Vorwurf, sondern den Tatsachen entsprechender Hinweis ist
es, das dieser Elan, dieser Rückenwind, den wir 2009 gehabt haben,
von dieser Bundesregierung nicht genutzt worden ist.

NDR Info: Sie haben es gerade schon gesagt. Sie haben schon in
Ihrer Zeit als Bundesfinanzminister der Steuerflucht den Kampf
angesagt. Es tut sich ja auch so ein bisschen was zumindest. Aber
alle Verhandlungen scheinen doch sehr mühsam zu sein. Der
Bundesfinanzminister spricht wahrscheinlich ja deswegen auch von
einem Marathonlauf, der es auch bleiben wird. Warum geht das alles so
langsam?

Steinbrück: Ja, man kann - da stimme ich Herrn Schäuble zu und hab
gar keine Schwierigkeiten damit - man wird erfolgreich sein können
nur auf der internationalen Ebene. Man hätte mit der EU-Kommission,
wie ich glaube, längst ehrgeizig eine Erweiterung der
EU-Zinsrichtlinien zum Beispiel verabreden müssen, die sich nicht nur
auf die Besteuerung von Zinseinkünften, sondern auf Kapitaleinkünfte
schlechthin erstreckt. Man hätte sie materiell erweitern müssen auf
natürliche und juristische Personen. Man hätte, insbesondere die von
mir schon erwähnte Staatengemeinschaft der OECD, mit einem sehr
ehrgeizigen Generaldirektor, Angel Gurría ist es - ich hab ihn
letzten Freitag in Paris besuchen können - diesen Druck deutlich
erhöhen müssen. Und das hat man nicht getan. Man hat zwar einen
Erfolg erzielt, in dem viele Steueroasen nach dem Druck vom Frühjahr
2009 den OECD-Kodex anerkannt haben, aber man hat nicht weiter
kontrolliert, ob sie ihn umgesetzt haben und ob sie sich dem
entsprechend verhalten. Und das müsste eigentlich längst eine neue
schwarze Liste ergeben haben.

NDR Info: Was ist denn eigentlich das Problem an diesen
Steueroasen? Sind es die niedrigen Steuern oder die Intransparenz?

Steinbrück: Beides. Es ist die Intransparenz. Sie haben eben auf
machen Inseln in der Karibik Briefkastenfirmen in einer Anzahl, die
würden nicht mal ins Empire State Building hineinpassen. Sie haben es
mit anonymisierten Stiftungen und Firmen zutun. Sie haben es damit zu
tun, dass diese Steueroasen oder Steuerhäfen nicht bereit sind, die
Informationen, die sie haben, weiterzuleiten, oder sie haben und
erheben diese Informationen gar nicht. Deshalb ist meine erste
Forderung, den internationalen Druck dahingehend zu erhöhen, dass
solche anonymen Briefkastenfirmen verboten werden und dass alle
Territorien und souveräne Staaten verpflichtet werden, einen
automatischen Informationsaustausch zu organisieren, wie er zwischen
den meisten - ich betone zwischen den meisten, nicht allen
europäischen Ländern - innerhalb der europäischen Union bereits der
Fall ist.

NDR Info: Jetzt hat Luxemburg angekündigt man will da auch
mitmachen. Ist das ein erster Schritt?

Steinbrück: Ja, ich freue mich darüber, ich mache da kein Hehl
draus. Denn meine damalige verbale Attacke, zu der ich stehe, die hat
diese Debatte vom Kopf auf die Füße gestellt. Und die hat uns aus
einer langen Phase der Leisetreterei herausgeholt, die sehr erfolglos
war. Da wusste ich natürlich, dass Jean-Claude Juncker, der
Luxemburgische Ministerpräsident und damalige Chef auch der
Euro-Gruppe, doch ziemlich aufgeregt war.

NDR Info: Sie haben ja damals auch davon gesprochen, es braucht
nicht eben nur Zuckerbrot, sondern auch Peitsche. Ist es denn jetzt
wieder Zeit für die Peitsche nach dieser Veröffentlichung?

Steinbrück: Ja, das war ein Interview, das ich zusammen mit meiner
damaligen französischen Kollegin in England machte. Wir haben dieses
Interview auf Englisch gegeben und ich hab von "Stick's and Carrot's"
gesprochen, also von Stöcken und von Mohrrüben die einem vorgehalten
werden, damit man sich so verhält, wie man es gerne wünscht. Daraus
ist dieses Bild im Deutschen analogisch geworden: Zuckerbrot und
Peitsche. Ja, man kann auch sagen, man muss drücken und ziehen,
beides. Und dazu stehe ich auch. Die Amerikaner sind es gewesen, die
- jetzt etwas burschikos weiter von mir ausgedrückt - nicht über die
Kavallerie geredet haben, die Amerikaner haben die Kavallerie
ausreiten lassen. Die haben die Schweizer Banken so unter Druck
gesetzt, dass sie die Daten amerikanischer Steuerbürger bekommen.

NDR Info: In Ihrem acht Punkte Plan heißt es ja auch, sie wollen
Banken die Lizenz entziehen, die bei kriminellen Offshore Geschäften
mithelfen. Wie soll das gehen? Kann man zum Beispiel der Deutschen
Bank einfach mal eben so die Lizenz entziehen?

Steinbrück: Nein, natürlich nicht. Und ich will auch nicht den
Eindruck erwecken, als ob da jetzt Sir Lanzelot auf den Turnierplatz
reitet und er hebelt alle Banken aus dem Sattel. Darum geht es nicht.
Aber es geht darum, ein Unternehmensstrafrecht einzuführen, über das
das Fehlverhalten von Banken in Deutschland, die zum Beispiel
Beihilfe zu Steuerhinterziehung oder zum Steuerbetrug leisten, dass
die einem Bestrafungskatalog zugeführt werden. Und das was ich und
meine Partei sagen, dass dann in letzter Konsequenz, wenn man so will
als Ultima Ratio, auch bei schwersten Fällen die Frage zu prüfen ist,
und natürlich rechtstaatlich zu entscheiden ist, ob eine Bank darüber
auch ihre Lizenz verlieren kann.



Pressekontakt:
Norddeutscher Rundfunk
Presse und Information
Ralph Colemann
040/4156 2302


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