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Neue Westfälische (Bielefeld): Pro & Contra zum Thema LATINUM-PFLICHT IM LEHRAMT

Geschrieben am 03-04-2013

Bielefeld (ots) - Zur Absicht der NRW-Regierung, das Latinum in
der Lehrerausbildung auf den Prüfstand zu stellen, hier ein Pro &
Contra. Für den Erhalt des Latein-Nachweises plädieren in
Originalsprache - mit beigefügter Übersetzung - unsere Gastautoren,
die Lateinlehrer Ingo Köhne und Peter Zimmermann, dagegen unser
Redakteur Bernhard Hänel.

PRO

Magnum periculum INGO KÖHNE (BONN) UND PETER ZIMMERMANN (KÖLN) Quo
vadis, humanitas? Magnum periculum matri linguarum instare, tristem
pernicies studiis doctrinarum impendere, insidias artibus liberalibus
collocari nobis animadvertendum est. Consilio enim examinis linguae
Latinae tollendi, quod heri compertum est, non solum aditus ad
universitates nostras aperietur, sed etiam levissime immolabitur
humanitas multa per saecula probata in ara rationis oeconomici.
Magistratus quidem nostri meliora petunt, adsequentur autem peiora.
Quam immemores maiorum nostrorum isti sunt, qui thesauros litterarum
sine scientia linguae Latinae adipiscendos esse credant? Hic verba
Bernardi Carnotensis reminiscenda sunt: nos quasi nanos esse in
umeris sedentes gigantum. Vertices enim scientarum videre possumus,
quia auctorum in umeris veterorum stamus. Mox quidem tantum nani
erimus, nisi tempora aut mores mutantur. Quo usque tandem abutere,
pernicialis simplicitas, finibus nostris?

Übersetzung:

Wohin gehst du, Bildung? Es ist mit großer Gefahr für die Mutter
der Sprachen zu rechnen, mit traurigem Verderben für die
universitären Studien, mit weiteren Hinterhalten, lauernd auf die
Freien Künste. Durch den Plan, die Latinumspflicht aufzugeben, wovon
man gestern erfuhr, wird nicht nur der Zugang zu unseren
Universitäten eröffnet, sondern es wird auch vollkommen leichtsinnig
die durch viele Jahrhunderte hindurch bewährte Bildung auf dem Altar
ökonomischer Erwägung geopfert. Unsere Regierung strebt so freilich
nach Besserung der Situation - sie wird indes deren Verschlechterung
erreichen. Wie können sie nur so unsere Vorfahren vergessen, sie, die
da glauben, die Schätze der Geisteswissenschaften seien ohne Kenntnis
der lateinischen Sprache zu erlangen? An dieser Stelle muss man sich
unweigerlich an die Worte des Bernhard von Chartres erinnern: dass
wir wie Zwerge sind, die auf den Schultern von Riesen sitzen. Die
Höhen des Wissens können wir nämlich nur sehen, weil wir auf den
Schultern unserer alten Autoren stehen. Bald aber werden wir nur noch
Zwerge sein, wenn sich nicht Zeiten und Sitten wieder ändern. Bis zu
welchem Ende strapazierst du unser Land, verderbliche Einfalt?

CONTRA

Gelehrt, aber nicht zwingend BERNHARD HÄNEL Nec scire fas est
omnia", sagte einst Horaz. Es ist unmöglich, alles zu wissen. Mit
solch gebildeten Redensarten lässt es sich prächtig prahlen -
zumindest unter Akademikern. Ohne dass es besonderer Werbung
bedurfte, ist seit Ende der 90er Jahre die Zahl der Schüler um 30
Prozent gestiegen, die Merksätze lernen wie: "A, ab, abs, e, ex, de,
cum und sine, pro und prae stehen immer mit dem Ablativ." Freiwillig
oder zumindest aus Folgsamkeit gegenüber den Eltern. Denn schon die
Römer sagten: Ita tractate parentes vestros, ut decet (Behandelt eure
Eltern so, wie es sich geziemt). Doch all die klugen und gelehrten
Sprüche sind kein hinreichender Nachweis dafür, dass eine
Latinums-Pflicht für Lehramtsstudierende geboten ist.
Lateinkenntnisse sind keinesfalls schädlich, doch die fachliche
Notwendigkeit für die in der Lehramtszugangsverordnung festgelegten
Fächer ist zumindest fraglich. Auch ohne Lateinkenntnisse kann man
ein guter Deutsch- oder Geschichtslehrer sein, wie man niemandem sein
Menschsein absprechen kann, nur weil er kein Humanist ist. Auch in
Medizin und Pharmazie ist längst kein Latinum mehr erforderlich. Und
ob ein Latinum und Graecum oder Hebraicum für ein Religionsstudium
zwingend sein muss, ist seit der vortrefflichen Bibelübersetzung
Martin Luthers keine offene Frage. Denn es ist ohnehin unmöglich,
alles zu wissen.



Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de


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