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DER STANDARD - Kommentar "Aussichtsloser Zorn" von Eric Frey

Geschrieben am 24-02-2013

Proteste gegen Armut und Sparpolitik in Europa weisen keinen
Weg aus der Krise

Wien (ots) - Die Protestwelle ist nun endgültig aus den
südeuropäischen Krisenstaaten nach Osten übergeschwappt - nach
Bulgarien, ins ärmste Land der Europäischen Union. Aber gerade dort
wird das Paradoxe an dieser breiten sozialen Bewegung des Zorns und
der Verzweiflung offensichtlich: Die Bulgaren demonstrieren gegen
Armut, Arbeitslosigkeit und steigende Lebenshaltungskosten. Sie
können damit zwar - wie vergangene Woche - Regierungen zu Fall
bringen. Doch an ihrer misslichen Lage wird sich dadurch nichts
ändern.
Denn zu den Ursachen des Elends in Bulgarien zählen zwar auch
Misswirtschaft und Korruption, was in _den Verantwortungsbereich der
politischen Eliten gehört. Aber selbst wenn sich der Regierungsstil
dramatisch besserte, was kaum zu erwarten ist, würde es Jahrzehnte
dauern, bis die Bürger dies in ihrer Brieftasche zu spüren bekommen.
Erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung benötigt viel Geduld. Und
die ist in Bulgarien derzeit Mangelware.
Eher ist zu befürchten, dass die Proteste die Wirtschaft weiterhin
schwächen, indem sie Investoren abschrecken und Regierungen zu
populistischen Ausgaben verleiten, die sich das Land nicht leisten
kann. Denn das Geld, das den Bulgaren zu billigerem Strom oder
höheren Gehältern verhelfen könnte, das ist einfach nicht da. Und auf
Pump, das haben viele andere Länder gezeigt, lässt sich nachhaltiger
Wohlstand nicht finanzieren.
Das ist auch das Problem der zornigen Millionen, die alle Wochen
wieder in Athen, Madrid oder Lissabon auf die Straße gehen. Sie
fordern mehr Einkommen, niedrigere Steuern und mehr Arbeitsplätze -
und dies mit gutem Grund, denn eine Gesellschaft mit fallenden
Gehältern und 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit ist ein Hort der
Verzweiflung. Aber keine Regierung, egal welcher Richtung, weiß, wie
man ihre Wünsche erfüllen kann. Deshalb haben auch seit Ausbruch der
Krise die Machtwechsel in diesen Staaten keine Besserung gebracht.
Wenige Wochen nach Amtsantritt sind die neuen Herrschenden genauso
verhasst wie die alten.
Aber sind nicht der Streitpunkt die unbeliebten Sparprogramme, die
nach Meinung vieler Ökonomen - und auch des Internationalen
Währungsfonds - die Rezession in den Krisenländern noch weiter
verschärft haben? Ja und nein. Die Debatte auf der Expertenebene
dreht sich nur um die Frage, ob man Einsparungen zeitlich etwas
streckt, nicht um ihre Notwendigkeit. Aber selbst wenn die Kürzungen
bei den Staatsausgaben etwas abgemildert werden, würde sich an der
Misere der breiten Masse nicht viel ändern. Und wie Frankreichs
Staatspräsident Francois Hollande rasch zu spüren bekommen hat,
lassen sich selbst kleine Wahlversprechen im Regierungsalltag nicht
umsetzen, wenn die Konjunktur und die für die Staatsschulden
benötigten Finanzmärkte nicht mitspielen.
Die Aussichtslosigkeit der Protesthaltung werden auch jene Italiener
zu spüren bekommen, die bei den Wahlen auf ein Comeback von Silvio
Berlusconi oder gar auf Beppe Grillo setzen. Italiens Wirtschaft
leidet an ihrer verlorenen Wettbewerbsfähigkeit, und die kann nur
durch schmerzhafte Reformen wiedergewonnen werden - genau das
Gegenteil von dem, was die Populisten versprechen.
Erst wenn Europas Bürger bereit sind, dieses Tal der Tränen zu
durchschreiten, besteht auch Hoffnung auf ein nachhaltiges Ende der
Krise. Der Zorn allein macht alles nur schlimmer.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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