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Rheinische Post: Danke, Heiliger Vater! Kommentar Von Horst Thoren

Geschrieben am 11-02-2013

Düsseldorf (ots) - Der Papst tritt ab. Zum ersten Mal seit 700
Jahren hat sich ein Oberhaupt der katholischen Kirche entschieden,
das höchste Amt aufzugeben. Wer Joseph Ratzinger kennt, weiß, dass er
diese Entscheidung überlegt getroffen hat - zum Wohle der
Christenheit. Der Professor auf dem Papstthron sieht seine Kräfte
schwinden. Das schwere Amt aber erfordert besondere Stärke. Wenn sich
auch in den vergangenen Monaten die Anzeichen verstärkten, dass
Benedikt XVI. auf stützende Hilfen angewiesen ist, so kam der
Rücktritt doch überraschend. In rheinischen Landen glaubten selbst
intime Kenner des Vatikans sogar zunächst an einen Karnevalsscherz,
als gegen Mittag italienische Nachrichtenagenturen vermeldeten, der
Papst habe seinen Rücktritt angekündigt - auf Latein. Wie auch immer:
Der ungewöhnliche Abgang des Pontifex - vor der in Rom zum
Konsistorium versammelten Kardinalsversammlung - kann nur als honorig
bezeichnet werden! Einflüsse von außen, wie in der Politik üblich,
zwangen ihn nicht dazu. Wohl aber die Erkenntnis, dass er sich und
der Kirche das über Monate vollzogene öffentliche Leiden seines
seligen Vorgängers Johannes Paul II. ersparen sollte. Von Anfang an
war klar, Benedikt XVI. würde aufgrund seines Alters ein Papst des
Übergangs sein. War sein Vorgänger der Seelsorger auf dem Papstthron,
der in seinem Wirken das Väterliche betonte, so erschien Benedikt als
der hervorragende Verwalter einer Kirche im Umbruch. Als Heiliger
Vater hat Benedikt XVI. strenge kirchliche Wahrheiten verkündet -
nicht immer zur Freude der liberalen Gläubigen in Deutschland. Er hat
notwendige Klarheiten geschaffen, die den moralischen Anspruch der
Glaubensgemeinschaft unterstreichen. Dabei war kein Pontifikat so
schwierig wie die Amtszeit des deutschen Papstes: Missbrauch in
kirchlichen Einrichtungen, die Auseinandersetzung mit dem Islam, die
Annäherung zwischen den Weltkulturen, das Finanzgebaren der Kirche,
Skandale im Vatikan... Benedikt XVI. war als Moderator gefragt, wurde
als moralische Instanz gefordert, aber auch scharf kritisiert.
Gleichwohl: Benedikt XI. erreichte das Herz vieler und vor allem
junger Menschen. Seine größte Resonanz fand dieser Papst beim
Weltjugendtag 2005 in Köln. Das von Hunderttausenden junger Christen
angestimmte "Be-ne-det-to" zeigte eindrucksvoll die Jugendlichkeit
der 2000 Jahre alten Glaubensgemeinschaft, deren großväterliches
Oberhaupt als Symbolfigur angenommen und gefeiert wurde. Seine
eindrücklichste Glaubensbotschaft hinterließ Benedikt XVI. bei seiner
Deutschlandreise 2011. Die Aufforderung, die Kirche zu entweltlichen
und auf das Wesentliche der Seelsorge zu konzentrieren, verschreckte
zwar zunächst die Glaubensfunktionäre, wies die Kirche aber auf ihren
Ursprung hin. Ein Grundverständnis, das auch in den tiefgründigen,
analytischen Schriften des Heiligen Vaters zum Ausdruck kommt. Das
wissenschaftliche Erbe des scheidenden Papstes dokumentiert die
Grundwerte einer Kirche, auf deren Fundament sich die Sehnsucht des
Kirchenvolkes nach inhaltlicher Erneuerung erfüllen kann. Der weiße
Rauch aus der Sixtinischen Kapelle, der noch im März aufsteigen wird,
sollte also einen Papst ankündigen, der ein Erneuerer ist: Die Rolle
der Laien, die Rolle der Frau, die Rolle der Seelsorge sind neu zu
bestimmen. In einer säkularisierten Gesellschaft muss sich die Kirche
neu finden und sich offen den Fragen stellen, die gerade junge
Gläubige bewegen. Das Bild des Papstamtes hat sich mit diesem
Rücktritt gewandelt: Gesucht wird ein Manager für die Weltkirche!
Benedikt XVI. hat mit seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass das
Oberhaupt der katholischen Kirche bis zuletzt mit voller geistiger
und gestandener körperlicher Kraft agieren muss, um in einer globalen
Welt glaubhaft zu bestehen. Die Gläubigen verlangen nach
Orientierung, sie brauchen mehr als den Festtags-Segen "Urbi et
Orbi". Das hat Benedikt XVI. erkannt. Er will die Kirche den Weg in
die Zukunft weisen - und tritt deshalb zurück. Bei seiner Wahl
freuten sich die Deutschen: "Wir sind Papst!" Bei seinem Abschied
sollten wir uns dankbar verneigen: "Wir waren ein guter Papst."



Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2621


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