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WAZ: Sigmar Gabriel, Sohn und Politiker - Kommentar von Jens Dirksen

Geschrieben am 10-01-2013

Essen (ots) - Man hat kein gutes Gefühl, wenn Familien so
streiten, dass es für alle ringsum sicht- und hörbar wird. Oder wenn
Söhne in aller Öffentlichkeit mit ihren Vätern abrechnen. Als der
Journalist Tilman Jens vor Jahren die Demenzerkrankung seines Vaters
so schlagzeilenträchtig wie möglich ausbreitete, mag es ihm
vielleicht sogar subjektiv aufrichtig um Aufklärung über die
Volkskrankheit gegangen sein. Tatsächlich aber legte er damit auch
Hand an das Denkmal Walter Jens. Der Fall Sigmar Gabriel scheint
anders zu liegen. Was er der "Zeit" gegenüber offenbart hat, deutet
auf eine traumatische Kindheit. Einen verstockten Nazi und
Ausländerhasser zum Vater zu haben, ist schon schlimm genug. Aber ein
Mann, der seinen Sohn dazu zwingt, seine Mutter anzulügen, um das
Kind von der Mutter fernzuhalten, das klingt schon nach
rücksichtsloser Seelenfolter. Man kann nur seinen Hut davor ziehen,
dass Sigmar Gabriel es geschafft hat, nach einer Form von
Anständigkeit zu streben, die ihm höchstens seine Mutter in die Wiege
gelegt haben kann. Wenn sein Vater so wenig zum Vorbild taugte, muss
er sich selbst andere gesucht haben. Er ist, nach allem, was wir über
diesen aufrechten Demokraten wissen, der sein Herz mitunter auf der
Zunge zu tragen scheint, nicht an die schlechtesten geraten. Doch man
sieht Sigmar Gabriel eben nicht in einer Reihe mit jemandem wie der
Schauspielerin Pola Kinski, die gerade offenbart hat, dass ihr Vater
Klaus sie missbraucht hat. Gabriel ist Politiker. Man sieht ihn eher
in einer Reihe mit jenen Kollegen, die ihr Privatestes offenbart und
damit ihre Karriere beflügelt haben - nicht immer mit gutem Ausgang.
Das mag Sigmar Gabriel nicht gerecht werden, aber er zählte vor
wenigen Wochen noch zu den drei Kanzlerkandidatenkandidaten der SPD.
Angesichts der Fettnäpfchen-Rallye von Peer Steinbrück, der so gar
nichts an menschlicher Wärme verbreitet, wird nach Gabriels
Schicksals-Offenbarung ein Seufzer durch seine Partei gehen. So
bleibt auch hier am Ende ein ungutes Gefühl. Die leidvolle Kindheit
Sigmar Gabriels berührt uns; dennoch müssen wir wohl oder übel von
ihr absehen, wenn wir uns ein Urteil über den Politiker gleichen
Namens bilden wollen.



Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de


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