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"DER STANDARD"-Kommentar: "Jacques Delors lässt grüßen!" von Thomas Mayer

Geschrieben am 29-11-2012

Barrosos Drei-Stufen-Plan zu Euro-Union erinnert an legendären
Kommissionschef (ET 30.11.2012)

Wien (ots) - José Manuel Barroso könnte doch noch Eingang in die
Geschichtsbücher finden. Das, sagen Intimkenner des Portugiesen, der
unscheinbar wirkt, aber durchaus ehrgeizig ist, sei sein ganz tief
verankerter Wunsch.

Seit er 2004 eher unverhofft zum Präsidenten der EU-Kommission
gemacht wurde, ist ihm nichts wirklich Großes gelungen. Die
EU-Erweiterung nach Osteuropa hat er fix-fertig übernommen. Für das
Scheitern des ambitionierten Projekts einer "EU-Verfassung" im Jahr
2005 kann er nichts - Franzosen und Niederländer sagten bei
nationalen Referenden Nein.

Inzwischen war vor allem Krisenmanagement angesagt. Seit
Lehmann-Pleite, Finanz- und Bankenkrise haben zudem die Staats- und
Regierungschefs das Heft in die Hand genommen. Und die Eurozone ist
zum eigentlichen Kraftzentrum der Union geworden, in dem ein
Mitgliedsland - Deutschland - stark den Ton vorgibt. Kritiker sagen:
gefährlich stark.

In dieser Lage kommt nun Barroso mit seinem jüngsten
Drei-Stufen-Plan, der den Weiterbau der Union nach dem
Kerneuropamodell schon bis ins Detail umreißt. Viele Einzelelemente
davon sind zwar bekannt, wurden seit Monaten diskutiert. Aber zum
ersten Mal wurde das zu einem schlüssigen Gesamtkonzept
zusammengefasst. Es hat nun den Namen "Barroso-Plan".

Ratspräsident Herman Van Rompuy ließ einzelne "Testballons"
bereits seit Sommer steigen - Stichwort: Die Eurozone soll ein
eigenes Budget bekommen. Van Rompuy ist es auch, den die
Regierungschefs eigentlich um Vorlage eines Zukunftskonzepts gebeten
haben. Das hat ihm Barroso abgenommen. Dieses Vorgehen ist aus zwei
Gründen interessant.

Zum Ersten spielt es die EU-Kommission in den Vordergrund -
endlich, völlig zu Recht. Sie ist neben dem EU-Parlament die zentrale
gemeinsame Institution, in der die höchst unterschiedlichen
nationalen Interessen ausgeglichen bzw. gebündelt werden müssen. Die
Kommission muss per Definition eine Art "Regierung" sein, die
nationalen Egoismen kanalisiert, die kleinen Staaten schützt, auch
wenn sie noch so oft attackiert wird.

Zum Zweiten: "Barroso-Plan", das erinnert an das Konzept des
früheren EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors, der von vielen zu
Recht als einer der Väter der Währungsunion und des Euro beschrieben
wird. Er hat 1988 (übrigens auf Anregung des deutschen Außenministers
Hans-Dietrich Genscher) den Auftrag erhalten, die Möglichkeit einer
Währungsunion (das gemeinsame "Geld" hieß noch Ecu) zu prüfen,
gemeinsam mit den Notenbankchefs der damals 12 EG-Staaten.

Beim EU-Gipfel von Hannover 1989 wurde dann der "Delors-Plan"
vorgelegt, ein Drei-Stufen-Konzept zur Einführung der Währungsunion
WWU. Der Fall der Berliner Mauer im November, Störversuche der
britischen Premierministerin Margret Thatcher und das Zögern von
Frankreichs Präsident Francois Mitterrand, hielte die WWU nicht mehr
auf. Der Delors-Plan sah als "Krönung" die Schaffung einer echten,
tiefen politischen Union vor. Das Geld war nur ein Mittel. Aber das
wurde nie realisiert, weil die EU-Staaten auf (zu) viel Souveränität
beharrten. Bis heute.

Barroso schlägt nun einen Umweg vor: die Eurostaaten sollen
Kerneuropa bilden, weitere Mitglieder aufnehmen - und Delors' Ideen
mit Kommission und EU-Parlament umsetzen. Ob das gelingt, wird man
ungefähr 2018 wissen. Delors, von Paris aus aufmerksamer Beobachter
der Ereignisse, wird dann 93 Jahre alt. Hoffen wir, dass er das
erlebt.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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