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DER STANDARD-KOMMENTAR "Europas Strukturpolitik gescheitert" von Eric Frey

Geschrieben am 20-11-2012

Trotz Milliarden aus Brüssel haben die ärmeren Länder
langfristig nicht aufgeholt - Ausgabe vom 21.11.2012

Wien (ots) - Wie immer die Verhandlungen über den EU-Haushalt auch
ausgehen: Es ist recht wahrscheinlich, dass neben anderen
Budgetposten auch der EU-Kohäsionsfonds in den kommenden Jahren etwas
gekürzt wird. Gleichzeitig kann man aber davon ausgehen, dass diese
Mittel, seit Jahrzehnten eine Säule der EU-Politik, im Großen und
Ganzen erhalten bleiben. Weder an den Summen noch an den Strategien
des vom Österreicher Johannes Hahn verwalteten Programms wird sich
viel ändern.
Dabei wäre jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen für eine Diskussion
über die gesamte Kohäsionspolitik, die rund ein Drittel des
EU-Budgets auffrisst. Zweck des sogenannten Strukturfonds ist es, die
Unterschiede zwischen Arm und Reich in der Union zu verringern, indem
in den weniger entwickelten Regionen die Produktivität gehoben und
das Wirtschaftswachstum angekurbelt wird. Jahrzehntelang waren die
größten Nutznießer die Südeuropäer - dass auch das Burgenland fast
eine Milliarde Euro erhielt, war eher ein Zuckerl als Notwendigkeit.
Seit der Osterweiterung hoffen nun auch die exkommunistischen Staaten
auf den Geldregen aus Brüssel.
Doch so angenehm es für einzelne Staaten ist, wenn notwendige
Infrastrukturprojekte von außen mitfinanziert werden, so miserabel
ist die ökonomische Bilanz. Denn trotz aller Hilfen ist die Kluft
zwischen Nord- und Südeuropa nicht geschrumpft. Die ärmeren Länder
sind zwar einige Jahre stark gewachsen, doch bei der Produktivität
und Wettbewerbsfähigkeit haben sie nicht aufgeholt.
Der kurzfristige Wirtschaftsboom war vor allem durch Schulden
erkauft, und jetzt in der Krise geht die Schere wieder stark
auseinander. Die Euroschuldenkrise signalisiert auch das Scheitern
der gesamten europäischen Konvergenzpolitik, zu der auch der
Kohäsionsfonds gehört.
Gerade an diesem Instrument kann man gut erkennen, dass Geld nicht
immer der Weg zum Wohlstand ist. Die meisten Förderungen fließen
traditionell in die Verkehrswege. Bessere Straßen und Bahnstrecken
erhöhen die Produktivität einer Volkswirtschaft, aber viel wichtiger
sind andere Faktoren: Ausbildung, Unternehmertum und
Rechtssicherheit. Die EU-Gelder schufen zwar Jobs und Kaufkraft in
den Empfängerländern, aber sie korrigierten nicht deren strukturellen
Schwächen. Im Gegenteil: Indem sie diese zu kaschieren halfen, trugen
sie zu einer Verschleppung notwendiger Reformen bei.
In der Krise der Eurozone erwiesen sich diese Programme als besonders
nutzlos. Eine Währungsunion braucht großzügige Transfers, um
Ungleichgewichte auszugleichen. Doch die Strukturmittel sind auf
Jahre verplant, verlangen hohe Eigenmittel der Empfänger für die
sogenannte Kofinanzierung und sind deshalb gerade dann nicht
verfügbar, wenn man sie wirklich braucht - etwa um jetzt die
Jugendarbeitslosigkeit in Spanien oder Portugal zu bekämpfen.
In einer sinnvollen Reform würde die EU nicht mehr Straßen und
Brücken finanzieren und stattdessen einen echten Krisenfonds
schaffen, der flexibel auf die Bedürfnisse der Mitgliedstaaten
reagiert und etwa jetzt die Härten der Sparpolitik ausgleicht. Doch
für die Osteuropäer wäre das inakzeptabel, selbst wenn sie vom
Kohäsionsfonds weniger profitieren als gedacht. In einer EU, in der
politischer Erfolg nur daran gemessen wird, wie viel ein Land
einzahlt und kassiert, ist ein solcher Paradigmenwechsel leider
unvorstellbar.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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