(Registrieren)

WAZ: Piraten als Laune des Zeitgeists. Kommentar von Theo Schumacher

Geschrieben am 09-11-2012

Essen (ots) - Der Aufprall ist hart, die Entzauberung in vollem
Gange. Bundesweit stürzen die Piraten in allen Umfragen ab. In
Nordrhein Westfalen, im Parlament des größten Bundeslandes, spiegelt
sich der Abwärtstrend. Das politische Leck im Piratenschiff war immer
da. Aber erst jetzt, da sich die Neulinge im Alltag beweisen müssen,
wird die ganze Schieflage sichtbar. Heute zeigt sich, wie sehr ihr
Einzug in den Landtag von Zufällen abhing. Getragen vom Reiz des
Neuen und vermeintlich Unkonventionellen, begünstigt vom grauen
Erscheinungsbild der Linkspartei und verhätschelt von vielen Medien,
waren die Piraten zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Platz. In
Nordrhein-Westfalen wurde im Mai gewählt, ihre Kandidatur zum
Selbstläufer. Dann folgte schnell die Ernüchterung. Ihre Erwartung,
es werde einfach so weitergehen, war trügerisch. Die Hoffnung ihrer
Wähler auf frischen Wind im miefigen Politbetrieb hat sich nicht
erfüllt. Den selbsternannten Freibeutern fällt inhaltlich zu wenig
ein. Auf Dauer sind Transparenz und der Anspruch radikaler
Twitter-Öffentlichkeit eben zu wenig, um mithalten zu können. Die
Linke wurde stets misstrauisch beäugt - verglichen mit den harmlosen
Piraten, die kaum wahrgenommen werden, war sie ein politisches
Kraftfeld. Ihr Verzicht auf Fraktionszwang und ein verqueres
Verständnis von Meinungsfreiheit machen es den Piraten zusätzlich
schwer: Jeder tut, was er will. Pleiten und Pannen häufen sich. Eine
Abgeordnete stöhnt öffentlich über lange Plenartage, die sie sich mit
immerhin monatlich 10700 Euro Schmerzensgeld auf Steuerzahlerkosten
versüßen lässt. Ein Kollege vergleicht den Verfassungsschutz mit der
Gestapo und der Staatssicherheit der DDR. Wo ist der Fraktionschef,
der einschreitet? Machen die Piraten so weiter, werden sie nach einer
Legislaturperiode vergessen sein. Eine Laune des Zeitgeists. Sie
haben es selbst in der Hand, damit es anders kommt. Dazu benötigen
sie aber vor allem Disziplin - und die Einsicht, dass fachpolitische
Kompetenz hart erarbeitet sein will. Schaffen sie das nicht, werden
ihre Wähler sagen: Sorry, war nur so eine Idee.



Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

428272

weitere Artikel:
  • Schwäbische Zeitung: Friedman hat sich verrannt - Kommentar Leutkirch (ots) - Der streitbare jüdische Publizist Michel Friedman beklagt, Rassismus und Antisemitismus seien in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Friedman hat die Pannenserie bei der Aufklärung der NSU-Morde in diesen Kontext gestellt. Er hat die Schriftsteller Martin Walser und Günter Grass in denselben Kontext gestellt. Eine merkwürdige Kombination? Ja, eine sehr merkwürdige. Und eine gefährliche. Friedman bringt die falschen Belege für seine These - und er entkräftet sie dadurch. Es ist sehr wohl des Nachdenkens und mehr...

  • Schwäbische Zeitung: Taktik statt Visionen - Leitartikel Leutkirch (ots) - Das vorerst letzte Kapitel der schier unendlichen Geschichte ist geschlossen, das Betreuungsgeld kommt - zum 1. August 2013, nicht ganz zufällig noch kurz vor der Bundestagswahl und vor allem vor der bayerischen Landtagswahl. Auch die Abschaffung der Praxisgebühr fällt ins Wahljahr. Und zusätzliche Mittel für die Verkehrsinfrastruktur gibt es auch noch. Trotz all dieser Wohltaten haben die Haushälter gebastelt und die geplante Neuverschuldung etwas gesenkt. Während die Koalition sich deshalb eines großen Sparhaushaltes, mehr...

  • Lausitzer Rundschau: In die Wunde Der Bundestag beschließt das Betreuungsgeld Cottbus (ots) - Dass nicht alle Abgeordneten der Koalition für das Betreuungsgeld gestimmt und einige sogar gleich die Sitzung des Bundestages geschwänzt haben, kann Angela Merkel wohl verschmerzen. Für die Kanzlerin sind Abweichler seit Beginn der Eurokrise ohnehin schon so etwas wie politische Normalität. Was Merkel vielmehr wehtun muss, ist die Kritik von Peer Steinbrück. Denn der SPD-Kanzlerkandidat hat den Finger in die Wunde gelegt. Merkels Pragmatismus ist es zu verdanken, dass das Betreuungsgeld jetzt im Gesetzesblatt stehen mehr...

  • BERLINER MORGENPOST: Gilbert Schomaker über die Probleme von Berlins Innensenator Frank Henkel mit seiner Behörde Berlin (ots) - Bürger verlieren das Vertrauen Leitartikel von Gilbert Schomaker über die Probleme von Berlins Innensenator Frank Henkel mit seiner Behörde Kann es noch schlimmer kommen? Da wurden in Berlin Akten zum Rechtsextremismus vernichtet, weil sie verwechselt wurden. Da gibt es eine Verfassungsschutzchefin, die im Urlaub weilt und es nicht für nötig hält, ihren Dienstherrn, Innensenator Frank Henkel, umgehend davon zu unterrichten. Stattdessen verstreichen mehrere Tage. Und es vergehen weitere Wochen, bis Henkel die mehr...

  • Rheinische Post: Betreuungs-Gimmick Düsseldorf (ots) - Deutschland hat zu viele Schulden. Wenn die Bundesregierung bis 2014 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen will, muss sie gerade jede neue Leistung auf Sinnhaftigkeit prüfen. Das nun beschlossene Betreuungsgeld besteht diese Prüfung nicht. Im Namen der Wahlfreiheit erhalten Familien künftig Geld dafür, dass sie keine Kita nutzen. Das ist ähnlich sinnvoll, als wenn der Staat Menschen dafür bezuschusst, dass sie nicht ins Theater gehen. Vor allem setzt das Betreuungsgeld falsche Anreize: Für Frauen wird es attraktiver, mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht