(Registrieren)

Badische Neueste Nachrichten: Versöhnungsgesten

Geschrieben am 05-11-2012

Karlsruhe (ots) - Angela Merkel ist eine konfliktscheue Frau - und
offenbar auch eine sehr selbstlose. Nach dem Koalitionsgipfel am
Sonntagabend können Horst Seehofer und Philipp Rösler zufrieden vor
ihre Anhänger treten. Der eine hat sein Betreuungsgeld bekommen und
750 Millionen Euro für den Verkehrsminister noch obendrauf. Der
andere hat die Praxisgebühr abgeschafft und den C-Parteien bei der
Rente und beim Betreuungsgeld noch ein paar kleinere Zugeständnisse
abgerungen. Die Erfolge der Kanzlerin dagegen sind weniger
handfester, sondern eher atmosphärischer Natur: Sie hat ihre
Koalitionäre nach einem Jahr des Zauderns und des Zankens gerade noch
rechtzeitig miteinander versöhnt. Zehn Monate vor der Bundestagswahl
ist das Binnenklima in der Bundesregierung nun wieder einigermaßen
intakt. In der Sache selbst hat die Koalition nicht allzu viel
bewegt. Intern war bereits seit zwei Wochen klar, dass das
Betreuungsgeld kommen und die Praxisgebühr verschwinden würde. Da
sich auch der Kompromiss, den Union und FDP bei der Rente gefunden
haben, nur unwesentlich von den ursprünglichen Plänen der
Sozialministerin unterscheidet, haben lediglich die frischen
Ramsauer-Millionen und die neue Haushaltsdisziplin noch einen
gewissen Aufmerksamkeitswert. Bei beiden Operationen ist der Ausgang
allerdings eher ungewiss: Der Verkehrsminister hat bisher noch nicht
einmal die zusätzliche Milliarde, die er beim Koalitionstreffen vor
einem Jahr herausgehandelt hat, verbaut. Und der Finanzminister wird
sich schwer tun, seinen Kabinettskollegen ausgerechnet in einem
Wahljahr die neun oder zehn Milliarden Euro wegzunehmen, die er noch
braucht, um die laufenden Ausgaben 2014 ohne neue Kredite finanzieren
zu können. Verglichen damit sind die Entscheidungen über zehn Euro
weniger Praxisgebühr oder zehn Euro mehr Rente allenfalls politische
Pflichtübungen. Gemessen wird die Koalition am Wahltag vor allem an
zweierlei: Gelingt es der Kanzlerin, Deutschland weiterhin sicher
durch die große Krise zu führen? Und bleibt die Bundesrepublik trotz
wachsender Begehrlichkeiten in anderen europäischen Ländern und
erster konjunktureller Warnsignale in Deutschland bei ihrer Politik
der konsequenten Haushaltskonsolidierung? Für eine bürgerliche
Regierung sind solide Staatsfinanzen Teil ihrer politischen
Identität. Zusätzliche Steuereinnahmen, wie sie Finanzminister
Wolfgang Schäuble jetzt wieder erwartet, müssen deshalb in den
Schuldendienst fließen und nicht in den laufenden Etat. Die 750
Millionen, die der Gipfel für Verkehrsminister Peter Ramsauer locker
gemacht hat, sind auch vor diesem Hintergrund ein fragwürdiges
Signal: So lange noch nicht einmal klar ist, in welche Projekte das
Geld überhaupt fließen soll, muss es auch niemand bewilligen.
Erschwerend hinzu kommt, dass der CSU-Mann den Ausbau des
Schienenetzes offenbar für nicht ganz so wichtig hält - dabei ist der
Nachholbedarf hier nicht geringer als im Straßenbau. Im Gegenteil.
Mit solchen Details allerdings hält sich die Koalition im Moment
nicht auf. Wozu auch? Nach dem dramatischen Ansehensverlust der FDP
hatte der Gipfel vom Sonntag vor allem ein Ziel: Zu zeigen, dass
Union und FDP noch immer mehr verbindet als trennt. Fürs erste ist
Angela Merkel, Horst Seehofer und Philipp Rösler das gelungen. Ob der
Berliner Burgfriede auch hält, was die drei sich versprechen, wird
sich allerdings erst nach der Wahl in Röslers Heimatland
Niedersachsen Ende Januar erweisen. Wenn die FDP dort aus dem Landtag
fliegt, könnte es mit der neuen Harmonie schnell wieder vorbei sein.
In der Politik sind nicht die angeschlagenen Gegner, sondern die
angeschlagenen Partner am gefährlichsten.



Pressekontakt:
Badische Neueste Nachrichten
Klaus Gaßner
Telefon: +49 (0721) 789-0
redaktion.leitung@bnn.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

427094

weitere Artikel:
  • Rheinische Post: Bundesregierung will Bürgerbeteiligung bei Großprojekten ausbauen Düsseldorf (ots) - Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) wird am Dienstag ein 130-seitiges Handbuch zu einer besseren und früheren Beteiligung der Bürger bei Großprojekten vorstellen. "Die Auseinandersetzung um neue Straßen, Gleise oder Landebahnen zeigen nicht erst seit Stuttgart 21, dass wir bei Großprojekten ein besseres Miteinander von Politik, Wirtschaft und Bürgern brauchen", sagte der Minister der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Dienstagausgabe). Das neue Handbuch könne zum besseren Gelingen solcher Projekte mehr...

  • Rheinische Post: Frauenunion gibt sich mit "Prüfauftrag" für bessere Mütterrenten nicht zufrieden Düsseldorf (ots) - Die CDU-Frauen geben sich mit dem vom Koalitionsausschuss beschlossenen "Prüfauftrag" für bessere Mütterrenten nicht zufrieden. "Wir dürfen die Mütter nicht länger warten lassen, deshalb muss die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf vorlegen", sagte Frauen-Union-Vorsitzende Maria Böhmer der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Dienstagausgabe). Dieser müsse dann vorsehen, dass "spätestens ab 2014" für Rentnerinnen und Rentner die Anrechnung von Kindererziehungszeiten in mehr...

  • Rheinische Post: Gesundheitsökonom Drabinsiki erwartet zehn Prozent mehr Arztbesuche wegen Abschaffung der Praxisgebühr Düsseldorf (ots) - Der Kieler Gesundheitsökonom Thomas Drabinski rechnet wegen der Abschaffung der Praxisgebühr im ersten Quartal 2013 mit einem Anstieg der Arztbesuche um zehn Prozent. Viele Patienten würden "sich ihre Praxisbesuche im vierten Quartal 2012 aufsparen, um dann 2013 ohne Zuzahlungen die medizinische Versorgung in Anspruch nehmen zu können", sagte Drabinski der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Dienstagausgabe). Pressekontakt: Rheinische Post Redaktion Telefon: (0211) 505-2621 mehr...

  • Rheinische Post: Städte- und Gemeindebund fürchtet hohen Bürokratie-Aufwand durch Betreuungsgeld Düsseldorf (ots) - Der Chef des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, hat die Entscheidung der Koalition für das Betreuungsgeld kritisiert: "Junge Eltern, die im Beruf erfolgreich sein wollen, möchten ihre Laufbahn fortsetzen und werden sich davon nicht mit 150 Euro im Monat abbringen lassen", sagte Landsberg der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Dienstagausgabe). Die Umsetzung des Betreuungsgeldes werde zudem einen erheblichen bürokratischen Aufwand erfordern mit Melde- und Kontrollpflichten. "Die Mittel für das mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: Rente Chefin der Linkspartei: Signal an den Osten fehlt Halle (ots) - Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, hat die jüngsten Beschlüsse des Koalitionsausschusses wegen des Fehlens einer Regelung zur Ostrentenangleichung kritisiert. "Das war eine vergebene Chance", sagte die der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Online-Ausgabe). "Wir hätten uns ein Signal an den Osten gewünscht. Die Ostrentenangleichung steht im Koalitionsvertrag, und Merkel hat 2009 versprochen, dass die Angleichung in dieser Legislaturperiode kommt. Die Wut im Osten wächst, weil die Menschen mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht