(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Ehrung statt Sonntagsreden / Leitartikel von Jochim Stoltenberg

Geschrieben am 29-10-2012

Berlin (ots) - Unter den 136 toten Flüchtlingen an der Berliner
Mauer ist das Drama um Peter Fechter das bedrückendste und weltweit
bekannteste. Des damals 18-jährigen Maurergesellen, der am 17. August
1962 im Mauerstreifen von DDR-Grenzsoldaten angeschossen wurde und
dort ohne jede Hilfe verblutete, wird deshalb an den Jahrestagen von
den Politikern dieser Stadt mit Kränzen und mitfühlenden Worten
gedacht. Aber zu mehr als Pathos reicht es offensichtlich noch immer
nicht. Selbst die an den Mord mahnende Stele in der Zimmerstraße ist
einer privaten Initiative zu danken. 50 Jahre nach dem qualvollen Tod
des jungen Arbeiters, der aus dem "Arbeiter-und-Bauern-Staat" vor den
Kommunisten fliehen wollte, um in Freiheit leben zu können, kann sich
die Stadt noch immer nicht dazu durchringen, Peter Fechter und dessen
Schicksal durch ein Ehrengrab oder eine Straßenbenennung unvergessen
zu machen.

Jetzt ist gerade ein erneuter Vorstoß der Bezirksversammlung
Pankow beim Senat gescheitert, die Grabstätte Fechters auf dem
Friedhof der Wiederauferstehungsgemeinde in Berlin-Weißensee zur
Ehrengrabstätte des Landes Berlin zu ernennen.

Der ablehnende Bescheid aus der Senatskanzlei mag zwar rein formal
korrekt sein. Ehrengrabstätten nämlich, so die
Ausführungsvorschriften, bedingen, dass der Tote sich mit "besonderen
Verdiensten", "hervorragenden Leistungen" oder "einem überragenden
Lebenswerk" um Berlin verdient gemacht hat. Das trifft auf Fechter
zumindest vordergründig nicht zu. Bei etwas weniger Bürokratengeist
und mehr politischem Gespür in der Umgebung des Regierenden
Bürgermeisters - und bei Klaus Wowereit selbst - wäre eine andere
Entscheidung dem Anspruch und Geist dieser Stadt angemessen gewesen.
Berlin, die Stadt der Freiheit; Berliner, die der Diktatur unter
Lebensgefahr die Stirn bieten. Das sind Ansprüche, mit denen Berlin
gern für sich wirbt. Wer hat diesen Freiheitsdrang bewegender
bewiesen als Peter Fechter? Damit soll er sich nicht verdient gemacht
haben um das Selbstverständnis dieser Stadt? Nach 2005 und 2010 hat
die Senatskanzlei nun zum dritten Mal den Antrag auf das Ehrengrab
abgelehnt. Den Sonntagsreden wie jüngst am 50. Todestag müssen bei
einem fälligen vierten Antrag endlich Taten folgen.

Noch nicht entschieden, aber nicht minder peinlich ist die
Diskussion über die Benennung einer Straße nach Peter Fechter. Dabei
geht es um die Zimmerstraße in Mitte, an der der 18-Jährige starb.
Diesmal ist der Senat für die Ehrung. Die beiden zuständigen Bezirke
Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte dagegen können sich nicht einigen:
In Friedrichshain-Kreuzberg gibt es bislang nur eine Resolution der
CDU, die eine Umbenennung fordert; und Mitte sagt, es läge überhaupt
kein Antrag vor.

In Berlin gibt es eine Rosa-Luxemburg-Straße und einen
Rosa-Luxemburg-Platz, eine Karl-Liebknecht-Straße und einen
Ernst-Thälmann-Park. Aber für Peter Fechter, der vor Kommunisten
fliehen wollte, gibt es noch immer keine Straße. Eine Schande.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

425885

weitere Artikel:
  • Rheinische Post: Neuverschuldung in Nordrhein-Westfalen sinkt um 400 Millionen Euro Düsseldorf (ots) - Nordrhein-Westfalen wird in diesem Jahr 600 Millionen Euro zusätzlich aus dem Länderfinanzausgleich bekommen. Dies berichtet die in Düsseldorf erscheinende "Rheinische Post" (Dienstagausgabe) unter Berufung auf das NRW-Finanzministerium, das von einem "Sondereffekt" spreche. Dieser sei im September durch eine einmalige Rückzahlung des Landes im Bereich der Körperschaftsteuer entstanden. Dem Vernehmen nach habe ein Großunternehmen zu hohe Zahlungen geleistet, berichtet die Zeitung. Die Rede sei von knapp einer mehr...

  • Rheinische Post: CDU-Arbeitnehmerflügel fordert Ausweitung des Kurzarbeitergeldes Düsseldorf (ots) - Der Chef der CDU-Arbeitnehmervereinigung CDA, Karl-Josef Laumann, hat angesichts der zurückgehenden Auftragslage in der Industrie eine Ausweitung des Kurzarbeitergeldes gefordert. "Wenn man Krisen-Schutzschirme für Banken und Staaten aufspannt, dann muss man das auch für Arbeitnehmer tun", sagte Laumann der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Dienstagausgabe). "Wir haben in der Finanzkrise gute Erfahrungen gemacht mit der Verlängerung des Kurzarbeitergeldes", sagte er. Die Regelung sei ein wirksames und mehr...

  • Rheinische Post: Polenz ruft Erdogan auf, sich bei Syrien-Flüchtlingen helfen zu lassen Düsseldorf (ots) - Angesichts der anhaltenden Flüchtlingsbewegung aus Syrien hat der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan aufgerufen, sich von den Verbündeten unterstützen zu lassen. "Die Türkei sollte internationale Hilfe annehmen, um diese große Herausforderung bewältigen zu können", sagte Polenz der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Dienstagausgabe). Der Bürgerkrieg in Syrien drohe auf die Türkei überzugreifen. Ankara habe sich bisher besonnen gezeigt und solle mehr...

  • Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele mahnt größeres Verständnis für Asylsuchende an - humanere Gestaltung des Verfahrens notwendig Bonn (ots) - Bonn/Berlin - Für einen menschwürdigeren Umgang mit den derzeit in Deutschland lebenden Asylsuchenden hat sich der Bündnis90/Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele ausgesprochen. "Es gibt derzeit keinen Grund für Alarmismus. Die Zahl der Menschen, die heute Asyl in Deutschland suchen, ist zehnmal niedriger als in den neunziger Jahren. Wir sollten das Elend und die Verfolgung sehen und etwas für diese Menschen tun", erklärte Ströbele, in der Sendung UNTER DEN LINDEN im Fernsehsender PHOENIX (29. Oktober, 22:15 mehr...

  • Kölner Stadt-Anzeiger: Zwangsurlaub für Stadtbedienstete in Köln Köln (ots) - Angesichts der Haushaltskrise hat der Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) erstmals zwei Tage Betriebsferien für die Stadtverwaltung angeordnet. Am 27. und 28. Dezember 2012 soll die überwiegende Zahl der Dienststellen leerbleiben. Das berichtet der "Kölner Stadt-Anzeiger" (Dienstag-Ausgabe). Nach Angaben einer Stadtsprecherin sind Einsparungen in Höhe von mehr als einer halben Million Euro zu erwarten, weil sich die Kosten für Heizung und Strom erheblich verringern. Ausgenommen von dem Zwangsurlaub sind die mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht