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BERLINER MORGENPOST: Milde Justiz ist ein Sicherheitsrisiko Jochim Stoltenberg über die Freilassung von Beteiligten am tödlichen Alexanderplatz-Überfall

Geschrieben am 26-10-2012

Berlin (ots) - Eine Stadt trauert, die Menschen empören sich über
die Brutalität der Tat, verantwortliche Politiker wie der Regierende
Bürgermeister und der Innensenator gedenken am Tatort des Ermordeten,
versprechen unnachsichtige Bestrafung der Totschläger. Und dann das:
Kaum sind drei der wohl sechs Täter gestellt, sind zwei schon wieder
auf freiem Fuß. Ihre Beteiligung an dem Überfall am Fuße des
Fernsehturms sei nicht so schwerwiegend und ihr soziales Umfeld nicht
so bedenklich, als dass eine Einlieferung in die Untersuchungshaft
gerechtfertigt wäre. So der zuständige Haftrichter. Ein eklatanter
und für die meisten Berliner schwer nachvollziehbarer Widerspruch
zwischen dem, was einerseits als gerecht angesehen und von Politikern
auch angemahnt wird, und andererseits dem, wie ein Richter die
Gesetzeslage auslegt. Keine Frage, auch der im konkreten Fall
verantwortliche Haftrichter hatte bei seiner Entscheidungsfindung
einen gesetzlich erlaubten Ermessensspielraum. Aber es riecht einmal
mehr stark nach der in Berlin für überwunden geglaubten
Kuscheljustiz, wenn der Haftrichter am untersten Rand des gesetzlich
gerade noch Möglichen argumentiert. Wie weltfremd ist eigentlich ein
Richter, wenn er den Beschuldigten zugutehält, dass sie sich
freiwillig gestellt hätten? Da können die von der U-Haft Verschonten
wohl lachen. Freiwillig, nachdem die Fahnder erfreulich schnell den
ersten teilgeständigen Schläger festgenommen hatten und damit die
Spur zu den anderen gelegt war? Die beiden "Freiwilligen" sind ihrer
Festnahme wohl auf Rat ihrer Anwälte nur zuvorgekommen. Auch der
feste Wohnsitz und das stabile familiäre Umfeld als Begründung für
die Haftverschonung erinnern fatal an einen anderen Berliner Fall. An
den Gymnasiasten aus Heiligensee, der Ostern 2011 auf dem U-Bahnhof
Friedrichstraße einen 29-Jährigen fast totgeprügelt hatte. Richter
sind in ihren Entscheidungen frei, solange sich diese auf gültiges
Recht gründen. Aber Richter dürfen sich auch nicht den Realitäten in
einer Stadt verschließen. Zwar sind in Berlin die Gewalttaten
Jugendlicher statistisch betrachtet zurückgegangen. Doch gleichzeitig
hat - wie im Fall des am Alex ermordeten JonnyK. - die Brutalität ein
Ausmaß erreicht, das vor einiger Zeit noch unvorstellbar schien.
Angesichts dessen ist Abschreckung gefragt, nicht Nachsicht. Sind die
Bücher und Mahnungen von Praktikern wie der verstorbenen
Jugendrichterin Kirsten Heisig und des Neuköllner Bürgermeisters
Heinz Buschkowsky in den Wind geschrieben? Wie lange vertrauen die
Bürger einer Justiz, die sich um das allgemeine Rechtsverständnis der
Bevölkerung nicht schert? Wer kann noch vom Bürger Zivilcourage mit
möglichen Gefahren für Leib und Leben erwarten, wenn Haftrichter
selbst gegen potenzielle Schwersttäter Milde walten lassen? Und was
geht in Polizisten vor, die erleben, dass gerade festgenommene
"schwere Jungs" lächelnd nach Hause statt in U-Haft wandern? Der
realen Sicherheit in dieser Stadt wie dem Sicherheitsgefühl ihrer
Bürger tut das alles nicht gut.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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