(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Ein respektvolles Duell / Leitartikel von Jochim Stoltenberg

Geschrieben am 18-10-2012

Berlin (ots) - Das lässt hoffen. Die erste öffentliche
Auseinandersetzung zwischen dem frisch gekürten Herausforderer Peer
Steinbrück und der Amtsinhaberin Angela Merkel war keine Haudrauf-
Veranstaltung, sondern ein von gegenseitigem Respekt geprägtes Duell.
Das Florett dominierte. Das konnte eigentlich auch nicht überraschen,
weil sich Opposition - mit Ausnahme der Linkspartei - und
Regierungskoalition in den Grundfragen der europäischen Einigung wie
der Bedeutung des Euro ziemlich nah sind. Die Kanzlerin war denn auch
gut beraten, gleich zu Beginn ihrer Regierungserklärung vor dem
nächsten Euro-Gipfel SPD und Grünen dafür zu danken, dass beide den
bisherigen Euro - Rettungspaketen zugestimmt haben. Ein wohlbedachtes
und zudem kluges Lob der Kanzlerin, weil sie damit zur Entschärfung
des mit Spannung erwarteten ersten öffentlichen Aufeinandertreffens
von Amtsinhaberin und Herausforderer beitrug. Es weckt die Hoffnung,
dass beide auch im nahenden Bundestagswahlkampf die Contenance
wahren.

Zumindest konnte die Kanzlerin noch einmal klar punkten, als sie
den Solidaritätsfonds zur Unterstützung von Reformen in europäischen
Krisenländern vorschlug. Und eine konkrete Finanzierungsempfehlung
gleich mitlieferte: die Transaktionssteuer. Damit reagierte Angela
Merkel nicht nur auf die Kritik vieler ihrer europäischen
Regierungspartner, sondern schlug auch der Opposition ein
überzeugendes Argument gegenüber der bisherigen Positionierung der
Koalition aus der Hand. Denn längst ist klar geworden, dass mit
Sparprogrammen allein die siechen südlichen Euro-Länder kein
rettendes Ufer erreichen werden. Die überfällige Haushaltssanierung
ist das eine, Hilfe zur Belebung von Wirtschaft das andere.

Peer Steinbrück sollte aus der Debatte am Donnerstag die Einsicht
ziehen, dass auf dem europäischen Feld schwerlich ein Blumenpott für
ihn zu gewinnen ist. Zumal Angela Merkel mit ihrem Beharren, neue
finanzielle Zusagen an die Umsetzung konkreter Reformen in den
Nehmerstaaten zu binden näher bei den Wählern ist als Steinbrück. Der
SPD-Kanzlerkandidat sprach nur davon, dass Griechenland weitere Hilfe
benötige.

Nur wenn es doch noch zur ganz großen Euro- und Wirtschaftskrise
kommt - was auch die Opposition im Bundestag nicht hoffen darf - muss
die Kanzlerin um ihre Reputation bangen. Nach dem Rede-Duellchen am
Donnerstag ist noch gewisser geworden, dass Peer Steinbrück und die
Sozialdemokraten bei der Bundestagwahl nur auf dem innenpolitischen
Acker ernten können. Aber auch das wird schwer. Wie mit der Wendung
hin zu flankierender Wirtschaftsförderung für die darbenden Südländer
hat die Bundeskanzlerin der Opposition längst Themen entwunden, mit
denen sie punkten wollte: Mindestlohn, Kampf gegen die Atomenergie
oder Stärkung der Frauenrechte. Trotz einer Regierungschefin, die an
der Spitze einer ihre Zerrissenheit geradezu zelebrierenden Koalition
steht, macht sich der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auf einen
schweren Weg, um seine einstige Chefin zu überholen



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

423902

weitere Artikel:
  • Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 19. Oktober zu den geplanten bundesweiten Abiturstandards Bremen (ots) - Was kann ein Bremer Schüler wirklich, wenn er sein Abitur macht? Ist er dem Schüler aus Bayern oder Nordrhein-Westfalen gewachsen? Die ganze Bildungsmisere wird hier offenbar: Ein deutscher Staat leistet sich - dem Föderalismus geschuldet - 16 verschiedene Bildungsregelungen. Das ist zu viel. In Zeiten, in denen künftige deutsche Arbeitnehmer zunehmend auch im internationalen Wettbewerb stehen, ist das vor allem auch bremsend. Das scheint auch die Politik mehr und mehr zu verstehen: Im Zuge der Kultusministerkonferenz mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Autobahnen vor dem Kollaps Der Realität ins Gesicht sehen KATY HACKEL Bielefeld (ots) - Den Autobahnen droht die Überlastung. Was tun? Einige sagen: Der Verkehr geht zurück. Benzin und Diesel kann sich sowieso bald keiner mehr leisten. Andere sagen: Fahrradfahren ist gesünder, und die Bahn schont die Umwelt. Ich sage: Wer flexibel und mobil sein will, braucht ein Auto und freie Autobahnen! Da helfen auch Telematik, also Systeme, die Autofahrer auf Gefahrenquellen hinweisen und Hilfen bieten, oder die Idee eines kombinierten Güterverkehrs durch Lang-Lkw nur bedingt weiter. Und ich frage mich, wo das mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Duell Merkel gegen Steinbrück Der Herausforderer punktet ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN Bielefeld (ots) - Wer Zweifel hatte, ob die SPD mit Peer Steinbrück den richtigen Kandidaten gegen Angela Merkel ins Rennen geschickt hat, wurde gestern im Bundestag eines Besseren belehrt. Das erste Rededuell hat der Herausforderer gewonnen - und das, obwohl auch Merkel eine ihrer besseren Reden gehalten hat. Es ist sicher einfacher, aus der Opposition heraus zu kritisieren, als Regierungshandeln rechtfertigen zu müssen. Deshalb hatte Steinbrück in gewisser Weise den leichteren Job. Aber er hat den Finger sehr präzise in die Wunde mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zu Merkel/Steinbrück Stuttgart (ots) - Nun mag dieses Höchstmaß an Nicht-Festlegung hüben wie drüben der Besonderheit des Augenblicks geschuldet sein. Immerhin war es das erste Rededuell im Parlament zwischen der Kanzlerin und ihrem frisch gekürten Herausforderer in genau diesen Rollen. Aber Merkel wie Steinbrück werden bald sehr viel deutlicher werden müssen. Schließlich erwartet die gesamte EU von ihrem Schwergewicht Deutschland eine berechenbare Politik. Und das völlig zu Recht. Dasselbe gilt für die deutschen Wähler. Sie haben Anspruch zu wissen, mehr...

  • Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zum Alkoholverbot am Nürnberger Bahnhof: "Halbherzig!" Regensburg (ots) - Für ein Alkoholverbot auf Bahnhöfen gibt es gute Gründe - man muss nur einmal mit offenen Augen über die Vorplätze und durch die Eingangshallen und Wartebereiche gehen. Freundlich und einladend ist etwas anderes, was übrigens auch auf die zwielichtigen Gestalten zutrifft, die sich - nicht selten alkoholisiert - warum auch immer speziell auf Bahnhöfen herumtreiben. Insofern ist der Vorstoß der Bahn in Bayern durchaus zu begrüßen, wenngleich er nicht neu ist. Der Hauptbahnhof in Bonn ist bereits seit mehr als vier mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht