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"DER STANDARD"-Kommentar: "Kein wirklich großer Wurf" von Petra Stuiber

Geschrieben am 10-10-2012

Die Richtung im Familienrechtspaket stimmt, es bleibt nur auf
halbem Weg stecken - Ausgbe vom 11.10.2012

Wien (ots) - Das Positive zuerst: Es hätte schlimmer kommen
können. Der neue Entwurf zum Familienrechtsgesetz wirkt in der ersten
Durchsicht überlegt, einigermaßen ausgewogen und - mit Abstrichen -
auch stimmig. Die Ministerinnen Beatrix Karl und Gabriele
Heinisch-Hosek haben sich bemüht, das Kindeswohl ins Zentrum ihrer
Überlegungen zu stellen. Das ist grundsätzlich begrüßenswert. Ein
"großer Wurf", wie die beiden Ministerinnen selbst schwärmten, ist
ihnen freilich nicht gelungen. Es hätte einer werden können - hätte
man beiden Elternteilen nicht nur gleiche Rechte, sondern auch
gleiche Pflichten auferlegt. Etwa so: Chancengleichheit für Vater und
Mutter im Trennungsfall - aber auch die Chance für das Kind, ab
seiner Geburt von Mutter und Vater zu (annähernd) gleichen Teilen
betreut zu werden. Das hätte bedingt, dass nicht nur legistisch
repariert wird, was nach einem EuGH- und einem VfGH-Urteil zwingend
notwendig war - sondern dass sich die Koalition zu einem modernen
gesellschaftspolitischen Gesamtkonzept durchringt. Soll heißen:
Gemeinsame Karenzpflichten für Mutter und Vater bei der Geburt des
Kindes, gemeinsame Obsorge in aufrechter Partnerschaft, und - im
Normalfall - dann auch gemeinsame Obsorge, wenn sich die Eltern
trennen. Ein solches Paket zu schnüren wäre eine lohnende und auch
sehr sinnvolle Aufgabe gewesen. Dann hätten es Familiengerichte im
Trennungsfall leichter, festzustellen, wie sehr sich die jeweiligen
Eltern tatsächlich über die Jahre für ihre Kinder engagierten. Denn,
auch das ist Arbeitsalltag von Familienrichtern: So mancher Vater
entdeckt seine Liebe zum Kind erst, wenn die Beziehung zur Mutter in
die Brüche gegangen ist - während er in aufrechter Ehe nicht auf die
Idee kam, in Karenz zu gehen, dem vergrippten Kind zuliebe
Pflegeurlaub zu nehmen oder einmal auf karriereträchtige Überstunden
zu verzichten. Insofern ist auch die nun vorgeschriebene, sechs
Monate dauernde, "Abkühlphase" zwischen streitenden Ex-Partnern mit
ein wenig Skepsis zu sehen: Ein halbes Jahr ist eine absehbare
Zeitspanne - wer da das große
Ich-bin-ein-engagierter-Elternteil-Feuerwerk abziehen will, hält das
wohl problemlos durch - schwierig für Familienrichter, von einer
sechsmonatigen Ausnahme-Performance auf den Normalfall zu schließen.
Überhaupt wird auf die Familienrichter einiges zukommen, wenn sie den
schwammigen Begriff "Kindeswohl" ernst nehmen. Denn das bedeutet:
viel Zeit investieren, viele Recherchen anstellen und viel nachdenken
über jeden strittigen Einzelfall, der als Akt vor ihnen landet. Ob
dieser Idealfall dann auch eintritt, hängt nicht zuletzt davon ab,
wie die Politik gedenkt, Richter künftig zu unterstützen.
Absichtserklärungen mit grässlichen Namen gibt es genug: So will die
Justizministerin die "Familiengerichtshilfe" ausbauen und den
Streitparteien "BesuchsmittlerInnen" zur Seite stelle. Die
grundsätzliche Ausrichtung stimmt zwar: Familiengerichte und
Jugendämter müssen stärker als bisher miteinander und diese wiederum
mit Kinderpsychologen und Mediatoren vernetzt werden, damit alle
Beteiligten in ihrem Trennungsstress und -schmerz tatsächlich nicht
auf das Wohl der Kinder vergessen. Wie das funktionieren soll und ob
das auch zusätzliche Planposten bedeutet, darüber schwiegen sich die
Ministerinnen bei der Präsentation ihres "großen Wurfs" freilich aus.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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