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DER STANDARD-KOMMENTAR "Elga, eine typische Österreicherin" von Andrea Heigl

Geschrieben am 08-10-2012

Ein rot-schwarzer Kompromiss: Im Gesetz zur Gesundheitsakte
fehlen klare Worte - Ausgabe vom 9.10.2012

Wien (ots) - Einen guten Arzt zu finden ist keine einfache Sache.
Qualifiziert muss er sein, wenn möglich auch empathisch. Er muss
medizinisches Fachwissen verständlich artikulieren können, dann
kommen noch ein paar pragmatische Kriterien hinzu wie Praxiszeiten
und Erreichbarkeit. Und dank des am Montag präsentierten Kompromisses
zu Elga, der Elektronischen Gesundheitsakte, müssen sich Patienten
künftig auch überlegen: Will ich, dass meine Daten elektronisch
erfasst und vernetzt werden? Und beteiligt sich mein Arzt daran?
"Verwendungsrecht" ist das entscheidende Wort, das SPÖ und ÖVP in das
Gesetz geschrieben haben. Niedergelassene Allgemeinmediziner und
bestimmte Fachgruppen können in Elga reinschauen, müssen aber nicht.
So lange sie einen Patienten nicht verpfuschen, hat das rechtlich
keinerlei Konsequenzen. Während in einem ursprünglichen Papier für
Elga-Verweigerer sogar Geldstrafen vorgesehen waren, liegt nun alles
im Ermessen des Arztes. Ein Erfolg der Kammer, die ja Übung im
Säbelrasseln hat - und demonstrierende oder gar streikende Ärzte kann
wirklich kein Gesundheitsminister gebrauchen.
Alois Stöger hat also nachgegeben - oder einen gefinkelten Kompromiss
eingefädelt, je nachdem, wessen Interpretation man glaubt. Während
die Ärzte die Freiwilligkeit feiern, meint der Patientenanwalt
sinngemäß, die Verpflichtung komme ohnehin durch die Hintertür. Der
Interpretationsspielraum, den das Gesetz lässt, zeigt seine Schwäche
auf: Es ist ein Kompromiss, den alle als Erfolg verkaufen können und
dessen praktische Bedeutung ganz schwer abzuschätzen ist. In diesem
Sinne ist Elga eine typische Österreicherin: Hinsichtl, Rücksichtl,
alles kann, (fast) nichts muss. Die Patientenverwirrung ist perfekt.
Dass das möglich war, ist größtenteils der ÖVP zu verdanken. Sie
schickte ihren Gesundheitssprecher Erwin Rasinger in die
Verhandlungen, einen Arzt, der auch in der Kammer einiges mitzureden
hat. Seine Mission war zu verhindern, dass "die Ärzte in Ketten
abgeführt werden". Allein die Rhetorik spricht Bände. Dabei ist die
ÖVP gar nicht gegen Elga, im Gegenteil. Aber sie hat ausgerechnet
jenen Schwarzen verhandeln lassen, der im Sinne der Ärzte agiert -
während sich Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner weitgehend aus
der Diskussion herausgehalten hat.
Jetzt könnte man sagen: Diese Elga ist besser als gar keine Elga. In
einigen europäischen Ländern sind Versuche gescheitert, ähnliche
Systeme einzuführen, mal an den Kosten, mal an den Ambitionen. Ob es
in Österreich klappen wird, hängt letztlich von den Patienten ab. Sie
müssen Information und Transparenz einfordern - und zwar direkt in
der Ordination. Dazu müssen sie freilich erst einmal in die Lage
versetzt werden, und man kann nur hoffen, dass im
Gesundheitsministerium bereits an einer großen Informationskampagne
gearbeitet wird, bevor Ärztekammer oder Industrie oder
Sozialversicherung mit Foldern und Plakaten daherkommen, die ihre
Version der Wahrheit erzählen.
Elga ist mehr als ein EDV-Tool, sie hätte das Potenzial, Patienten
die Informationshoheit zu geben, Gesundheitsleistungen qualitativ
vergleichbar zu machen und dem System einiges an Kosten einzusparen.
Das aktuelle Gesetz ist keine Garantie dafür, dass das funktioniert,
weil die Regierung vor klaren Worten zurückgescheut ist. So ist das
halt in Österreich.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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