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"DER STANDARD"-Kommentar: "Heilsversprechen mit Haken" von Gerald John

Geschrieben am 24-09-2012

Die von der Expertengruppe geforderte Pensionsreform hat einen
blinden Fleck (ET 25.09.2012)

Wien (ots) - Pensionsguru Bernd Marin hat recht: Man will das
alles nicht mehr hören. Seit Jahrzehnten warnen Experten vor dem
Kollaps der Altersversorgung. Also stoppeln Regierungen mühselig mehr
oder minder große Reformen zusammen - doch am Ende ist alles wieder
nichts wert. Der Ruf nach der Rettung der Pensionen ertönt genauso
laut wie zuvor.

Nun soll mit dem Herumeiern Schluss sein. Eine Gruppe von
Wirtschaftsweisen verheißt die ultimative Pensionsreform: Wagt die
Regierung einen radikalen Schnitt, könne sie das System ein für alle
Mal sanieren.

Die Argumente dafür sind altbekannt. Weil die Lebenserwartung
steigt, müssen die Erwerbstätigen immer mehr Pensionisten erhalten.
Die Versicherungsbeiträge reichen dafür längst nicht aus - Jahr für
Jahr muss der Staat mehr Steuergeld zuschießen. Dass die Österreicher
deshalb länger arbeiten sollten, hat sich mittlerweile sogar bis in
die Gewerkschaft herumgesprochen. In den letzten Sparpaketen hat die
Regierung versucht, Wege in die Frühpension zu versperren.

Den Experten reicht das nicht. Sie fordern ein Modell, dessen
simple Grundidee bestechend klingt: Jeder Versicherte bekommt nur
noch so viel Pension, wie er in seinem Arbeitsleben eingezahlt hat,
wobei die Beiträge entsprechend der Wirtschaftsleistung verzinst
werden. Das Antrittsalter kann nach Gutdünken gewählt werden - nur
muss ein Frühpensionist die finanziellen Folgen in Form einer
niedrigen Rente selbst tragen.

Teure Frühpensionsvarianten auf Kosten der Allgemeinheit wie die
mittlerweile abgespeckte Hacklerregelung wären damit passé. Der Staat
soll nur mehr Geld zuschießen, um eine Mindestpension zu garantieren
und die Versicherung für besondere Ausfallzeiten wie etwa
Kindererziehung oder Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Der
entscheidende Effekt: Um aufs gleiche Pensionsniveau zu kommen,
müssen die Leute künftig um Jahre länger arbeiten als bisher.

Nur leider - und das ist der Haken an dem Modell - können sich das
viele Werktätige in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit nicht aussuchen. Um
sich teurer Kräfte zu entledigen, drängen Unternehmen gerade ältere
Bedienstete in den vorzeitigen Ruhestand. Dringend nötig sind deshalb
Pönalen, die den schwarzen Schafen die von der Abschiebungspolitik
verursachten Kosten aufbürden. Eine Reform, die Menschen für jedes
Jahr früheren Pensionsantritt bestraft, obwohl sie keine echte Wahl
haben, wäre nichts anderes als eine simple Leistungskürzung.

Auf einen grünen Zweig kamen die Experten in dieser Frage nicht -
auch Wissenschafter sind keine ideologischen Nullgruppler. Das
spricht nicht gegen den Plan, eine Kommission zu formieren, die
binnen eines Jahres einen ausgetüftelten Vorschlag auf den Tisch
legen soll, doch entscheiden muss die Politik letztlich selbst. Dass
vor den Wahlen in einem Jahr nichts passieren wird, ist nicht
tragisch: Erst sollte ohnehin abgewartet werden, wie sich die letzten
Reformen auswirkten.

Ein Konsens zeichnet sich aber bereits ab. Wollten viele Reformer
künftige Pensionisten einst an die Börse schicken, spielt die private
Vorsorge am Kapitalmarkt im Konzept der Expertengruppe keine Rolle
mehr - und das zu Recht: Die Krise hat diese Form der
Altersversorgung als notdürftig abgesichertes Glücksspiel enttarnt.
Es ist eine erfreuliche Renaissance des staatlichen Systems, das -
wie Marin feststellt - zu Unrecht totgesagt wurde: "Natürlich ist es
finanzierbar."

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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