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BERLINER MORGENPOST: Fragen schnell beantworten / Leitarikel von Christine Richter

Geschrieben am 14-09-2012

Berlin (ots) - Die NSU-Spur hat Berlin erreicht: Das
Landeskriminalamt Berlin hat mehr als zehn Jahre lang mit einem
Informanten aus dem Unterstützerkreis der Terrorzelle
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) zusammengearbeitet. Obwohl
der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) schon im März davon
erfuhr, wurde dieser Umstand erst am Donnerstag dem
NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag bekannt. Zu Recht empören
sich die Bundestagsabgeordneten, denn sie können diese schrecklichen
Morde und das Versagen der Sicherheitsbehörden nur aufklären, wenn
ihnen alle Informationen vorliegen.

Innensenator Henkel hat die Brisanz der Angelegenheit zwar erkannt
und schon am Freitag zu einem Sondertreffen mit den Berliner
Innenpolitikern ins Abgeordnetenhaus geladen. Aber ausgestanden ist
die Sache noch lange nicht. Henkel versprach schnelle Aufklärung, und
die ist auch dringend erforderlich. Man stelle sich vor: Der V-Mann
des Berliner LKA soll mit dem NSU-Mitglied Beate Zschäpe liiert
gewesen sein, er soll dem Trio ein Kilogramm Sprengstoff geliefert
haben, und er wusste wohl auch, wo es sich aufhielt. Was geschah mit
den Informationen? Was tat das LKA? Wen informierten die Berliner
Beamten? Was wusste die Polizeiführung in Berlin? Was das
Bundeskriminalamt? Fragen über Fragen - und am Ende vor allem eine:
Hätte einer oder hätten gar mehrere der zehn Morde, die die NSU
begangen haben soll, verhindert werden können, wenn die Informationen
dieses V-Mannes früher die richtigen Stellen erreicht hätten?

Nun mag manch ein CDU-Politiker sagen, Henkel sei im Jahr 2002
nicht im Amt gewesen, auch Anfang 2011 nicht. Damals hieß der
verantwortliche Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Henkel wurde erst
Ende 2012 zum Innensenator gewählt. Doch das ist fast zehn Monate
her: Politisch ist er verantwortlich. Als der NSU-Terror in
Deutschland offenbar wurde, war jeder Senator oder Landesminister
verpflichtet, danach zu forschen, was beim jeweiligen
Landesverfassungsschutz für Erkenntnisse vorliegen. Da auch die
Polizei mit Informanten arbeitet, hätte Henkel also entweder seine
amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers anweisen müssen, die
Akten in Berlin auf NSU-Hinweise zu prüfen. Oder Koppers selbst hätte
aktiv werden müssen. All das ist nicht beziehungsweise zu spät
geschehen.

Das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden ist durch die NSU-Morde
und die vielen Fehler bei deren Aufklärung schon lange erschüttert.
Auch die zahlreichen Rücktritte beim Bundesverfassungsschutz und den
diversen Landesämtern für Verfassungsschutz haben daran nichts
geändert. Monatelang haben die Berliner Polizei und der
Verfassungsschutz behauptet, es führe keine Spur der NSU in die
Hauptstadt. Nun reiht sich Berlin in die Pannenserie ein. Nur wenn
die Vorgänge jetzt schnell und vor allem transparent aufgeklärt
werden, kann Vertrauen zurückgewonnen werden. Ein klein wenig.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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