(Registrieren)

Westdeutsche Zeitung: Verfassungsgerichtsurteil = von Martin Vogler

Geschrieben am 12-09-2012

Düsseldorf (ots) - Ganz Europa blickte nach Karlsruhe - und wendet
sich wieder ab. Denn das Bundesverfassungsgericht hat so entschieden,
wie es Finanzwelt und Politik erwarteten. Der Dax steigt. Die Richter
haben sich, korrekt wie sie sind, ausschließlich von juristischen
Überlegungen leiten lassen. Sie blieben unbeeindruckt davon, dass
allein hinter einer der Beschwerden 37 000 Bürger stehen. Diese Zahl
legt nahe, dass Millionen Deutsche von Euro-Rettung und Fiskalpakt
wenig halten und sich viele sogar die alte Mark zurückwünschen.

Nach dieser Entscheidung wird sich Europa noch aus anderen Gründen
von dem deutschen Sonderfall Verfassungsgericht abwenden. Die
Karlsruher, die in den vergangenen Jahren erstaunlich viel Einfluss
auf die deutsche Tagespolitik gewannen, haben mit ihrem gestrigen
Ja-Aber-Spruch viel Hilflosigkeit gezeigt. Das Gericht lässt nämlich
die Entwicklung in Europa ungehemmt weiterlaufen und unternahm nicht
mal den Versuch, sie zu stoppen. Es machte lediglich zwei
Einschränkungen. Doch die haben nur Alibi-Funktionen.

Wenn die Richter die Rolle der nationalen Parlamente stärken
wollen, ist das ehrenwert. Die Erfahrungen in der Praxis werden
jedoch anders sein. Gleiches gilt für die zweite Einschränkung. Der
fromme Wunsch, die deutsche Haftungssumme zu deckeln, wird sich im
Ernstfall nicht erfüllen. Mit Sicherheit wäre Deutschland dann mit
deutlich mehr als den 190 Milliarden Euro dabei.

Es wird sehr deutlich, wie rasch der Spielraum der Nationalstaaten
sinkt. Deren Einfluss scheint immer weniger in der Gestaltung durch
die Parlamente zu liegen, sondern nur noch darin, dass sie dank
Richtersprüchen die Notbremse ziehen. Und Letzteres hat gestern nicht
mal funktioniert. Der Weg zur grenzenlosen europäischen Transferunion
ist jetzt endgültig frei. Weder die Parlamente noch ein Gericht im
Südwesten Deutschlands - das ist spätestens seit gestern klar -
werden diese für uns alle teure Entwicklung aufhalten.



Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de
www.wz-newsline.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

417077

weitere Artikel:
  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Euro und ESM Halle (ots) - Die Karlsruher Richter können freilich nichts daran ändern, dass ihre Wirkungsmacht durch die Grenzen des Nationalstaates begrenzt ist - vor allem dann, wenn sie in der Europäischen Union auf eine Institution treffen, die (nicht zuletzt auf Betreiben der Deutschen) mit ähnlicher Unabhängigkeit ausgestattet ist wie sie selbst: Die Europäische Zentralbank (EZB). Wenn die Währungshüter beschließen, Stabilitätspolitik zu betreiben, indem sie Staatsanleihen krisenbedrohter Euro-Partner aufkaufen, können weder Politiker noch mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum ESM-Urteil Bielefeld (ots) - »Ja, aber!« Die Verfassungsrichter haben im Tenor das von vielen erwartete Urteil zum ESM getroffen. An Klugheit fehlt es dem Spruch des Zweiten Senats deswegen jedoch nicht. Karlsruhe zieht klare Grenzen und lässt der Politik zugleich den notwendigen Spielraum, um möglichen weiteren Unwägbarkeiten in der Euro-Krise begegnen zu können. Nie zuvor hatte das Gericht so im Rampenlicht gestanden wie gestern. Selten zuvor war einer Entscheidung der Verfassungshüter so weitreichende Bedeutung beigemessen worden. Entsprechend mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Regierungserklärung der NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft Bielefeld (ots) - Visionen sind zu wenig. Hannelore Kraft ist kein großer Wurf gelungen. Diese Regierungserklärung ohne Eckdaten und klare Fristen wäre 2010 als Basis einer Minderheitsregierung durchgegangen, 2012 dagegen nicht. Die Chefin von Rot-Grün hat eine sichere Machtbasis, der Arbeitsmarkt brummt, die Steuerquellen sprudeln und ihre Sympathiewerte sind Kanzlerklasse. Wann, wenn nicht jetzt, soll Schluss gemacht werden mit Schuldenpolitik und billigen Verweisen auf Versäumnisse anderer? Wer, wenn nicht diese starke Regierung, mehr...

  • Schuldzuweisungen gegenüber Safarov ignorieren Leiden der Zivilbevölkerung in Aserbaidschan Baku, Aserbaidschan (ots/PRNewswire) - Aserbaidschanische Behörden sind zunehmend besorgt über die steigende Zahl von Verurteilungen und Feindseligkeiten in Folge der Freilassung von Ramil Safarov. Nach Spekulationen, dass die armenische Regierung die Aussetzung eines Kopfgelds in Höhe von 500.000 USD auf den Armeeoffizier erwägt, riefen die Menschen bei einer Versammlung in der Hauptstadt Yerevan zur "Eröffnung der Jagdsaison auf Safarov" auf. Busse wurden mit Bildern von Safarov als Zielscheiben beklebt und seine Fotos von Aktivisten mehr...

  • WAZ: Ein Programm ohne Glanzpunkte. Kommentar von Theo Schumacher Essen (ots) - An Initiativen und Masterplänen mangelte es gestern nicht - was Hannelore Kraft zu bieten hatte, war der rot-grüne Koalitionsvertrag, nur anders verpackt. Viel Routine zog sich durch die Regierungserklärung. Kein überraschendes Projekt, mit dem die Ministerpräsidentin geglänzt hätte. Der politische Alltag holt Rot-Grün ein. Die alte Vision ist die neue. Das ist nachvollziehbar. Denn Nachhaltigkeit und soziale Prävention sind kein Fall für Polit-Spontis, die täglich eine andere Idee durchpauken wollen. Sie brauchen mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht