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DER STANDARD-Kommentar: "Der geschrumpfte Traum" von Christoph Prantner

Geschrieben am 07-09-2012

"Obama konnte nicht klarmachen, was er mit einer zweiten
Amtszeit vorhat"; Ausgabe vom 08.09.2012

Wien (ots) - Ganz ordentlich, aber nicht herausragend. Das war das
Urteil, das vergangene Woche über Mitt Romneys Parteitagsrede gefällt
wurde. Barack Obamas Auftritt bei der demokratischen Convention in
North Carolina kommt auf ziemlich genau die gleiche Bewertung bei den
amerikanischen Kommentatoren. Doch was für den verkniffenen
Republikaner gut ist, kann den Demokraten, der immer wieder mit
brillanten Reden auffiel, nicht zufriedenstellen. Die meisten
Amerikaner und vor allem die (potenziellen) Wähler des Präsidenten
blieben mit einem schalen Gefühl zurück. Obama, das ist klar, hat den
Sack in Charlotte nicht zugemacht.
Sein Auftritt war realistischer, erfahrener, bescheidener und
jedenfalls weniger naiv als viele seiner Reden in der Vergangenheit.
Aber Obama war damit auch weniger mitreißend als je zuvor. Visionär,
so wie noch vor vier Jahren, war absolut nichts an seiner Rede.
"Hoffnung wagen", so hieß eines seiner Bücher, das er vor seiner Wahl
hunderttausendfach verkaufte, das Massen inspirierte und auf einen
Wandel hoffen ließ. Einen Wandel 2.0 aber hatte er diesmal nicht zu
bieten - wohl auch, weil er ihn nicht bieten wollte und die meisten
Amerikaner vorerst genug von Visionen haben.
So beließ es Obama beim wenig mutigen Bekenntnis zur Politik der
kleinen Schritte. Doch auch mit schaumgebremster Rhetorik hätte sich
ein klares Statement machen lassen, warum er denn im November
wiedergewählt werden sollte und was er zudem - von der Rettung der
Autokonzerne bis zur Gesundheitsreform - trotz aller Widrigkeiten in
Washington umgesetzt hat. Dieses zwingende Argument für "four more
years" blieb aus. Und nun fragen sich viele: Ja, was um alles in der
Welt will er denn damit machen? Das enge Rennen gegen Mitt Romney ist
so auch nach Charlotte eng geblieben.
Das US-Politikportal politico.com betitelte eine Geschichte über den
Auftritt mit "Downsizing a Dream", dem Schrumpfen eines Traumes. Und
in der Tat wirkte Obama nicht mehr wie jener verwegene Reformer, der
das erstarrte System in Washington aufbrechen wollte, sondern wie ein
ganz normaler Politiker, der seine Zielgruppen - Frauen, Latinos,
junge Leute - professionell, aber eben auch routiniert bedient.
Im Gegensatz zum Präsidenten selbst hielt Bill Clinton eine
fantastische Rede, in der er die Republikaner mit feiner Klinge
filetierte und auch noch dem letzten Zweifler klarmachte, dass es
keine Alternative zu diesem demokratischen Präsidenten gibt. Obamas
lange und innige Umarmung für seinen Vorvorgänger nach dem flammenden
Plädoyer ließ erkennen, wie dankbar er ihm war.
Clinton genoss seine ungebrochene politische Anziehungskraft
sichtlich. Und es war klar, dass einer, der aus seinem Holz
geschnitzt ist, solche Hilfe nicht völlig uneigennützig leistet. Noch
vor dem so bejubelten Auftritt des 42. Präsidenten der Vereinigten
Staaten schrieb Maureen Dowd, die spitzzüngigste Kolumnistin der New
York Times: Obama sei seinerzeit angetreten, um das System und die
legendäre Wahlkampfmaschine der Familie Clinton bei den Demokraten
abzulösen. Heute aber erscheine er wie eine Übergangsphase zu einer
neuen Amtszeit der Clintons - Hillary 2016.
Noch vor einem Monat hätte das wie aus der Luft gegriffen geklungen.
Nach diesem Parteitag ist es nicht mehr unwahrscheinlich - falls
Obama überhaupt gegen Romney gewinnt.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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