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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur EZB: "Das süße Gift des Mario Draghi"

Geschrieben am 06-09-2012

Regensburg (ots) - Nun haben sie es doch getan! Die Europäische
Zentralbank hat unter ihrem Präsidenten Mario Draghi den Beschluss
gefasst, unbegrenzt Staatsanleihen von Euro-Krisenländern
aufzukaufen. Was als flexible und rasch wirksame Nothilfe für
hochgefährdete Schuldenländer, wie Italien oder Spanien, verkauft
wird, ist in Wirklichkeit der brandgefährliche Versuch, die
Schuldenkrise durch das hemmungslose Anwerfen der Notenpresse zu
lösen. An diesem verhängnisvollen Freibrief für weiteres
Schuldenmachen wird die Euro-Gemeinschaft noch sehr lange zu knabbern
haben. Die Notrettungsmaßnahme wird mit einem gewaltigen
Inflationsrisiko teuer erkauft. Zu teuer. Dass sich Bundesbank-Chef
Jens Weidmann tapfer, aber vergeblich gegen den Draghi-Kurs gewehrt
hat, ist leider nur eine Fußnote. Der Bundesbanker hatte im Vorfeld
zwar mit seinem Rücktritt gedroht. Der Mann, der jahrelang unter
Angela Merkel im Kanzleramt gedient hat, wäre damit jedoch nur ein
weiterer deutscher Banker gewesen, der frustriert seinen Hut nähme.
Das Mittel des Rücktritts ist in diesen Kreisen jedoch nur ein
stumpfes Schwert. Es sichert Aufmerksamkeit und vielleicht heimliches
Schulterklopfen für einen Tag, aber zeigt sonst keine Wirkung.
Weidmann pocht zu Recht seit Monaten darauf, dass weitere und nun
auch noch unbegrenzte Aufkäufe von Staatsanleihen diametral gegen den
Auftrag der EZB verstoßen. Die Eurobank soll nämlich für die
Stabilität der Gemeinschaftswährung sorgen und nicht Schuldenstaaten
finanzieren. Dem obersten Bundesbanker muss bitter aufstoßen, dass
zuletzt sogar die Kanzlerin ihre Haltung verwässerte. Der Kauf von
Anleihen verstoße nicht gegen das EZB-Mandat, hatte Merkel einen Tag
vor der EZB-Sitzung ausrichten lassen. In Madrid und Rom mag man die
Botschaft der Kanzlerin sehr gern gehört haben. Denn es mildert etwas
den Druck, selbst einzusparen, und einschneidende Reformen im eigenen
Land voranzutreiben. Zuvor war "Madam No" aus Berlin als "Eiserne
Lady" verspottet worden. Jetzt hat sie plötzlich nichts mehr dagegen,
dass Draghi das süße Gift der Anleihekäufe verteilt. Frisches
EZB-Geld könnte dazu führen, dass die Anstrengungen zu Reformen schon
bald nachlassen. Der Italiener Draghi weitet mit seinem Kurs den
Auftrag der EZB sehr viel weiter aus, als es das EZB-Gründungspapier
hergibt. Spitzfindig unterscheidet der Euro-Banker dabei, ob es sich
um kurzfristige oder langfristige Staatspapiere handelt, und ob sie
auf dem Primär- oder dem Sekundärmarkt gehandelt werden. Solche
Haarspaltereien verstehen weder die normalen Bürger, noch die meisten
Politiker. Politisch brisant wird das Vorgehen der EZB auch, weil
sich die verschwiegene, geheim tagende Euro-Bank zu einer Art
Ersatzregierung aufzuschwingen droht. Mit ihren Anleihekäufen
entscheiden die Banker mit über die Zinshöhen für bestimmte Staaten -
und damit indirekt über Staatsfinanzen. Und zwar ohne direkte
demokratische Kontrolle. Ein erlesener Club von Euro-Bankern kann
sich damit über Entscheidungen von Regierungen und Parlamenten hinweg
setzen. So oder so. Deutschland als Hauptfinanzier der EZB trägt für
diese Schuldenunion durch die Hintertür zugleich das größte Risiko.
Es ist vertrackt. Autor: Reinhard Zweigler



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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