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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu den Entwicklungen in Südafrika: "Vorsicht, Brandgefahr!"

Geschrieben am 04-09-2012

Regensburg (ots) - Die Bilder aus Südafrika waren schrecklich. 34
streikende Bergbauarbeiter starben in Marikana, Kameraleute filmten,
wie Polizisten in der Nähe der betroffenen Lonmin-Platinmine das
Feuer eröffneten. Es waren Szenen, wie man sie außerhalb von
Kriegsgebieten nicht für möglich gehalten hätte. Die Bilder geraten
langsam wieder in Vergessenheit, doch der Streik ist nicht beendet.
Schon eine kurzfristige Einigung in dem blutigen Arbeitskampf
erscheint trotzdem weit entfernt. Die tiefer gehenden Ursachen für
den Konflikt sind aber selbst mittelfristig nicht zu beheben. In kaum
einem Land ist die Spanne zwischen Arm und Reich so groß wie in
Südafrika - und sie ist seit dem Ende der Apartheid 1994 noch größer
geworden. In den vergangenen Monaten haben die Proteste in
Armenvierteln zugenommen. Die Löhne stagnieren, während die Kosten
für Transport und Nahrung steigen. Politiker wie Südafrikas Präsident
Jacob Zuma stehen vor einer kaum lösbaren Aufgabe. Das Volk erwartet
gesellschaftlichen Wandel in einer Geschwindigkeit, die selbst von
effizienteren Administrationen nicht zu bewältigen wäre. Der Mehrheit
der Wähler sind die Auswirkungen der Finanzkrise nicht bewusst. Auch
die Tatsache, dass Südafrika im Wettbewerb steht mit Ländern wie
Indien, wo die Gehälter noch weit niedriger sind, ist schwer zu
vermitteln. Wie auch? Eine Minderheit fährt in Luxus-Limousinen auf
Autobahnen an Townships vorbei, während deren Bewohner auf lange
versprochene Leitungen für Strom und Wasser warten. Die Kluft
zwischen Arm und Reich ist oft auch eine zwischen gut und schlecht
Ausgebildeten. In Südafrika haben die Privatschulen hohes Niveau,
während die Ergebnisse des öffentlichen Bildungssystems selbst im
kontinentalen Vergleich mäßig sind - trotz enormer Investitionen.
Doch nur ein weiterer Anstieg der Bildungsausgaben kombiniert mit der
Schaffung von effizienten Strukturen werden Gesellschaften wie
Südafrika dauerhaft festigen können. Nicht allein hier scheuen
Politiker die nötigen Reformen, schließlich profitiert die Nation
wirtschaftlich erst nach Jahrzehnten - also lange nach der eigenen
Amtszeit. Der Kontinent braucht aber Politiker, die dieses Risiko
eingehen. Es gibt sie kaum. Unter der Bedingung der weitsichtigen
Verwendung darf auch die stärkere steuerliche Belastung der
Rohstofffirmen kein Tabu sein. Viele Länder in Afrika haben zu wenig
vom Preisboom ihrer Rohstoffe profitiert, der durch die Nachfrage aus
Schwellenländern wie China ausgelöst wurde. Es bedarf des Drucks der
Zivilgesellschaft in Afrika, aber auch in den Industrienationen, um
diese oft verschleierten Investitions- und Steuererleichterungen
transparent zu machen und, wo angebracht, zu korrigieren. Dass es
auch in Afrika erfolgreiche Kooperationen zwischen Regierungen und
Konzernen geben kann, zeigt das Beispiel von Botsuana. Hier hat die
Regierung Beteiligungen an den wichtigsten Minen sowie ein effektives
Steuersystem aufgebaut, bietet aber dank Rechtssicherheit und
Investitionen in die industrielle Infrastruktur gute
Rahmenbedingungen für Unternehmen. Nur wenn der Druck auf Politik und
Wirtschaft gleichermaßen zunimmt, hat Afrika eine Chance, eine
gesunde Mittelschicht aufzubauen. Sie entscheidet über die Zukunft
des Kontinents. Gleiches gilt übrigens ganz nebenbei auch für Europa.
In Deutschland ist die Ungleichheit bei der Einkommensverteilung
zuletzt stärker gewachsen als in den meisten anderen
Industrienationen. Die oberen zehn Prozent unserer Gesellschaft
verdienen im Schnitt acht Mal so viel wie die unteren zehn Prozent.
Das ist mit den Zuständen in Südafrika nicht zu vergleichen, dort ist
das Ungleichgewicht um ein Vielfaches größer. Aber die Wut, die auch
in Deutschland zu spüren ist, gibt eine Ahnung von der Frustration,
die in Südafrika und anderen Ländern Afrikas allgegenwärtig ist.
Autor: Christian Putsch



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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