"DER STANDARD"-Kommentar: "Der geleugnete Antisemitismus" von Alexandra Föderl-Schmid
Geschrieben am 30-08-2012 |
Es ist bezeichnend für die politische Kultur in Österreich,
dass sich niemand aufregt (ET 31.08.2012)
Wien (ots) - Der Auftritt von Heinz-Christian Strache im
ORF-Sommerinterview war mehr als der Tatbestand, die Politiker für
dumm verkaufen zu wollen: Antisemitische Bilder zeichnen zu lassen,
gleichzeitig diese aber zu leugnen. Wiederholt befand Strache:
"Keiner kann hier Antisemitismus entdecken." Und: "Hier sieht man
keinen Davidstern." Gemeint war eine von Strache gepostete
Karikatur, die das Zerrbild eines reichen, feisten Juden zeigt - mit
Hakennase und Davidstern an den Manschettenknöpfen. Beides
nachträglich hinzugefügt.
Unerträglich ist es zu hören, wie Strache versuchte, Interviewer
Armin Wolf einzureden, dass er ein Problem habe. "Wenn Sie das in
Ihrem Kopf sehen wollen, sei es Ihnen unbenommen. Ich sehe
ausdrücklich keinen Antisemitismus auf diesem Bild."
Genauso unerträglich ist es, nichts zu hören als Reaktion auf
diesen Auftritt. Nicht nur, dass Strache diese "antisemitische
Pöbelei" (Die Zeit) veröffentlicht und damit "ein Bild wie aus Zeiten
der NS-Propaganda" (Der Spiegel) wiedergibt, das frappierend an das
Nazi-Kampfblatt Der Stürmer erinnert.
Ausländische Medien regen sich stärker auf als hiesige. Das
Bundeskanzleramt veröffentlichte bloß eine Aussendung: Die
Bundesregierung habe "bisher bereits jede Form des Antisemitismus,
des Rassismus und der Verhetzung scharf verurteilt und kritisiert.
Sie wird diese eindeutige Haltung stets klar vertreten. Dies gilt
für diesen Fall wie für alle anderen."
Dass sich eine Person des öffentlichen Lebens hinstellt und diese
Form der Hetze und des frechen Leugnens verurteilt, dazu ist das
offizielle Österreich wieder einmal nicht fähig. Ist die
Hemmschwelle zu niedrig? Hat man sich einfach schon an solche
Sprüche gewöhnt?
Nicht auszudenken, eine solche Karikatur wäre in Deutschland
veröffentlicht worden. Politiker aller Parteien hätten sich kritisch
geäußert, Rücktrittsforderungen wären lautgeworden, und alle Medien
hätten ausführlich darüber berichtet. Die Religionsgemeinschaften
hätten einen gemeinsamen Aufruf veröffentlicht.
Die politische Wirklichkeit in Österreich ist anders:
Antisemitismus ist noch immer salonfähig - nur nicht darüber
aufregen. Der Haiderismus ist noch nicht überwunden, denn man will
Antisemiten nicht vergrätzen, weil man sie als Wähler haben will und
als Politiker für regierungsfähig hält. Auch aufseiten der ÖVP, die
vom Oberkatholiken Michael Spindelegger geführt wird - seines
Zeichens Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem.
Nimmt man die Umfragen, ergibt sich nach der nächsten
Nationalratswahl als rechnerisch wahrscheinlichste Konstellation
eine rechte Dreierkoalition aus FPÖ, ÖVP und Stronach-Partei, selbst
wenn die SPÖ vorne liegen sollte. Die ÖVP, die derzeit keine
Gelegenheit auslässt, sich und ihren Parteiobmann Spindelegger zu
schwächen, könnte in einer solchen Konstellation vermutlich mehr
herausschlagen als in einem Bündnis mit SPÖ und Grünen. Womöglich
ist wie im Jahr 2000 wieder der Kanzler drinnen, der Außenminister
ziemlich sicher. Zurückschrecken würde die ÖVP ohnehin nicht vor
einem solchen Bund, denn mit dem Selfmade-Man Stronach
sympathisieren ohnehin viele wirtschaftsaffine ÖVP-Funktionäre.
Das wiederholte Instrumentalisieren des Antisemitismus ist
bezeichnend für die politische Kultur in diesem Land. Dass sich
niemand darüber aufregt, ebenso.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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