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BERLINER MORGENPOST: Hajo Schumacher über die fehlende Förderung für Berufssportler

Geschrieben am 31-07-2012

Berlin (ots) - Es ist schon lustig. Kaum klimpern die ersten
Goldmedaillen in der deutschen Schatulle, sind wir ein einig Volk von
Vielseitigkeitsreitern. Aber die durchaus respektablen Siege hoch zu
Pferd können ein strukturelles Problem der deutschen Mannschaft nicht
überdecken: Athleten in den klassischen olympischen Disziplinen
müssen eine brutale Entscheidung treffen: Wollen sie zehn Jahre oder
länger rackern, den Körper ruinieren, wollen sie Jobchancen riskieren
und sich mit Funktionären herumärgern, damit in wenigen Sekunden
alles für die Katz ist? Deutschlands Athleten sind mit ihrer bislang
eher kargen Medaillenbilanz ein Spiegel pragmatischen Denkens. Junge
Menschen und auch Eltern sind weder willens noch in der Lage, ihr
ganzes Leben für eine ungewisse Zukunft zu opfern. Wer immer sich
über die vermeintlich absaufenden deutschen Schwimmer empört, der
muss sich fragen, ob er sein Kind in einer chinesischen Schwimmschule
anmelden würde. Unsere Jugend ist weder faul noch verweichlicht,
sondern schlicht so gut, wie es dieses Land zulässt, Risiken
inklusive. Manchmal klappt alles, wie bei den Reitern. Und manchmal
nicht viel, so wie bei vielen anderen. Abseits vom TV-alimentierten
Fußball, von Tennis und Formel 1 bedeutet eine Karriere als
Leistungsathlet hierzulande ein unkalkulierbares Abenteuer. Wer nicht
bei Polizei, Grenzschutz oder Bundeswehr arbeiten möchte und keine
nachsichtigen Ausbilder oder Arbeitgeber hat, wird sich genau
überlegen, wie viel Training das Leben erlaubt. Sport ist die
schönste Nebensache der Welt. Wird die Leibesübung aber zum Beruf,
dann ist Mut gefragt. Wasserspringer, Judoka, Kanuten, Schützen,
Bahnradfahrer und viele andere sogenannte Randsportler grollen
insgeheim, weil ihre Siege vier Jahre lang nicht mal für eine Fußnote
gut sind. Kaum ist Olympia, muss die Medaille her, gegen Gegner, die
oft unter besseren Bedingungen rackern. Und ist nach 48 Stunden auch
schon wieder vergessen. Anderswo wird der Spitzensport wie ein
Nationalheiligtum gehegt. Olympiasieger dürfen mit lebenslänglicher
Versorgung rechnen; Verbände und Regierungen wollen Erfolge um jeden
Preis. Wir Deutschen nicht. Die Fechterin Imke Duplitzer lag in der
Wortwahl knapp daneben, machte aber einige gute Punkte: Wie sollen
Athleten damit umgehen, wenn eifersüchtige Verbandsvertreter zicken?
Liefern Funktionäre, allen voran DOSB-Chef Michael Vesper und
IOC-Vertreter Thomas Bach, jene Professionalität, die sie von den
Athleten fordern, und repräsentieren sie das Team angemessen? Welcher
Athlet nimmt die beiden obersten Lobbyisten des deutschen Sports
eigentlich ernst? Und schließlich das leidige Thema Doping: Gut, dass
deutsche Sportler manchmal sogar überraschend im Training getestet
werden. In anderen Teilen der Welt müssen die Kontrolleure erst
wochenlang um ein Visum betteln. Von Chancengleichheit keine Spur.
Die Summe dieser Kleinigkeiten ergibt jene Millimeter und
Hundertstelsekunden, die vielen deutschen Athleten fehlen. Na und?
Dabei sein ist alles - und dann erfolgreich und gesund weiter durchs
Leben. Auch kein schlechtes Motto.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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