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Schwäbische Zeitung: Törichter Datenhandel - Leitartikel

Geschrieben am 09-07-2012

Leutkirch (ots) - Ein Schelm, der Böses dabei denkt: Während beim
EM-Halbfinale Deutschland wenig glamourös gegen Italien verliert,
verabschiedet eine Handvoll Bundestagsabgeordneter ein neues
Meldegesetz, über das die Werbewirtschaft frohlocken kann. Nun, da
die Sache ans Licht kommt, bemühen sich Politiker aller Couleur,
einen großen Abstand zwischen sich und das Gesetz zu bringen. Eine
Politposse? Nein, dafür ist der Vorgang zu bedenklich. Zeugt er doch
davon, dass den Politikern das Recht der Bürger auf informationelle
Selbstbestimmung weniger wert ist als die Interessen von
Adressenhändlern und Inkassounternehmen. Zugleich hat die
klammheimliche Art, wie der Gesetzentwurf behandelt wurde, die Kraft,
das Vertrauen der Menschen in die Politik weiter zu schwächen.
Törichter und instinktloser kann man kaum vorgehen in Zeiten, die mit
dem Wort Krise verbunden sind.

Natürlich ist es für ein geordnetes Gemeinwesen unerlässlich, ein
bestimmtes Datenrepertoire von seinen Bürgern abzufragen und zu
speichern. Und in manchen Fällen kann es sinnvoll sein, diese Daten
an Dritte herauszugeben - sei es, um säumige Schuldner aufzutreiben
oder glückliche Erben ausfindig zu machen. Doch dafür hätte es keiner
anderen Modalitäten als bislang bedurft. Dass die Bürger nun aktiv
werden müssten, wenn sie dem staatlichen Datenhandel nicht zustimmen
wollen, dass vielfach überhaupt kein Widerspruchsrecht ausgeübt
werden könnte, ist schlicht inakzeptabel.

Nun mögen manche einwenden, dass der moderne Mensch ohnehin von
der Neigung geprägt ist, in sozialen Netzwerken selbst das Privateste
preiszugeben. Das mag zwar so sein, sticht aber dennoch nicht als
Argument. Denn wer nicht gegen Sitte und Gesetze verstößt, kann so
öffentlich leben, wie er will. Das entscheidet jeder für sich - und
nicht der Staat. Vom Adressenhandel im großen Stil sollten die
Kommunen jedenfalls die Finger lassen. Sonst verkommt der Datenschutz
hierzulande - mit freundlicher Unterstützung der Politik - vollends
zur Worthülse.



Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 07561-80 100
redaktion@schwaebische-zeitung.de


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