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Gespräch zwischen Präsident Assad und Jürgen Todenhöfer "Weltspiegel" heute exklusiv zu Syrien, 8. Juli 2012, 19.20 Uhr im Ersten

Geschrieben am 08-07-2012

Stuttgart (ots) -

Sperrfrist: 08.07.2012 19:45
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Das Auslandsmagazin "Weltspiegel" zeigt heute (8. Juli 2012) ab
19.20 Uhr im Ersten ein 20-minütiges Gespräch, das der Publizist
Jürgen Todenhöfer mit dem syrischen Staatspräsidenten Baschar
al-Assad am Donnerstag, 5. Juli 2012 geführt hat. Aufgezeichnet wurde
das Gespräch, das in englischer Sprache geführt wurde, durch das
syrische Staatsfernsehen im Gästehaus Assads in Damaskus.
"Weltspiegel"-Redakteur Stefan Rocker (SWR) begleitete Jürgen
Todenhöfer und die Aufzeichnung vor Ort. Das Gespräch wird
ungeschnitten gesendet.

Gesprächsabschrift

Jürgen Todenhöfer: Herr Präsident, Angehörige der Opposition und
westliche Politiker sind der Auffassung, dass Sie das größte
Hindernis für den Frieden in Ihrem Land sind. Wären Sie bereit, als
Präsident zurückzutreten, wenn ein solcher Schritt Ihrem Land Frieden
bringen und das Blutvergießen beenden könnte?

Baschar al-Assad: Ein Präsident sollte vor nationalen
Herausforderungen nicht davonlaufen und wir stehen hier im Augenblick
vor einer nationalen Herausforderung in Syrien. Der Präsident kann
sich einer solchen Situation nicht einfach entziehen. Auf der anderen
Seite jedoch, kann man nur dann in einer solchen Funktion verbleiben,
wenn man sich der Unterstützung durch die Öffentlichkeit sicher sein
kann. Daher müsste die Antwort auf diese Frage eine Antwort seitens
der Öffentlichkeit sein und durch das syrische Volk anlässlich von
Wahlen und nicht durch den Präsidenten gegeben werden. Ich kann mich
als Kandidat aufstellen, ich kann zur Wahl antreten oder auch nicht.
Aber ob ich gehe oder nicht gehe, das soll das syrische Volk
entscheiden.

Jürgen Todenhöfer: Glauben Sie, dass Sie nach wie vor eine
Mehrheit in Ihrem Land hinter sich haben?

Baschar al-Assad: Wenn ich nicht die Unterstützung durch die
Öffentlichkeit hätte, wie könnte ich dann in diesem Amt verbleiben?
Die Vereinigten Staaten sind gegen mich, der Westen ist gegen mich,
zahlreiche regionale Mächte und Länder sind gegen mich, wenn dann
auch noch das Volk gegen mich wäre, wie könnte ich mich dann in
meiner Stellung halten? Also lautet die Antwort: Ja. Natürlich
genieße ich nach wie vor die Unterstützung durch die Öffentlichkeit -
wie groß diese ist, wie viel Prozent, darüber habe ich im Moment
keine Zahlen. Das ist eine andere Frage. Aber, um in dieser Stellung
zu bleiben, in einer solchen Situation, dazu braucht man die
öffentliche Unterstützung.

Jürgen Todenhöfer: Ich bin zu einigen dieser Demonstrationen
gegangen - auch in Homs. Das waren friedliche Demonstrationen. Ist es
nicht legitim, dass die Menschen mehr Freiheit und Demokratie fordern
und weniger Macht in den Händen nur einer Familie, in den Händen der
Geheimdienste?

Baschar al-Assad: Können wir zuerst Ihre Frage korrigieren, damit
wir eine korrekte Antwort geben können? Es gibt hier keine Macht in
den Händen einer Familie. Es gibt in Syrien den Staat und es gibt die
Institutionen - vielleicht nicht die idealen Institutionen. Aber hier
regiert nicht eine Familie das Land. Wir sind ein Staat. Das dazu.
Und nun können wir Ihre Frage beantworten. Natürlich haben sie das
Recht, sie haben das legitime Recht, ob sie nun als Demonstranten
auftreten oder nicht. Nicht nur die Demonstranten verlangen ja nach
Freiheit. Tatsächlich verlangt die Mehrheit des Volkes nach Reformen,
nach politischen Reformen - und nicht nach Freiheit. Freiheit haben
wir. Nicht die ideale Freiheit. Nein, sie verlangen nach Reformen.
Sie wollen in stärkerem Maße Beteiligung an der Macht und an der
Regierung ihrem Land. Und das ist legitim. Aber die Mehrheit
beteiligt sich nicht an den Demonstrationen. Da gibt es die, die
demonstrieren und die anderen. Aber legitim ist das.

Jürgen Todenhöfer: Eine Frage, die jedermann im Westen und auch in
Ihrem Lande stellt: Wer hat diese Tausenden Zivilisten umgebracht,
die in dem Konflikt ums Leben gekommen sind? Die Opposition
beschuldigt Sie.

Baschar al-Assad: Wenn man fragt, wer jemanden umgebracht hat,
gilt es zunächst zu klären, wer denn umgebracht wurde. Man kann nicht
über die Verbrecher reden, solange man die Opfer nicht kennt. Die
Opfer, die Sie ansprechen, gehören in ihrer Mehrheit zu den
Unterstützern der Regierung. Wie kann man gleichzeitig Verbrecher und
Opfer sein? Die Mehrheit von Ihnen sind Menschen, die die Regierung
unterstützen und ein großer Teil der übrigen sind völlig unschuldige
Menschen, die durch unterschiedliche Gruppen in Syrien getötet
wurden.

Jürgen Todenhöfer: Würden Sie einräumen, dass zumindest ein
gewisser Prozentanteil dieser unschuldigen Zivilisten durch Ihre
Sicherheitskräfte getötet wurde?

Baschar al-Assad: Nein, eine Zahl haben wir nicht. Es gibt eine
Untersuchungskommission, die alle Verbrechen untersucht, die sich in
Syrien ereignet haben. Den Listen, den Namen, die uns vorliegen,
zufolge, wurde der (weitaus) größte Anteil von Banden getötet. Es
handelt sich dabei um ganz verschiedene Banden. Ob nun Al Kaida oder
Extremisten oder Gesetzlose, die sich schon vor Jahren dem Zugriff
der Polizei entzogen haben.

Jürgen Todenhöfer: Also sagen Sie, dass die Rebellen, die Sie als
Terroristen bezeichnen, mehr Zivilisten umgebracht haben als die
Sicherheitskräfte?

Baschar al-Assad: Eigentlich nicht. Sie haben mehr
Sicherheitsleute und Soldaten vielleicht umgebracht, als Zivilisten.
Ich spreche hier über die Regierungsanhänger.

Jürgen Todenhöfer: Aber wenn wir nur über die Zivilisten sprechen?
Haben die Rebellen mehr Zivilisten umgebracht als die
Sicherheitskräfte? Oder haben die Sicherheitskräfte mehr Zivilisten
umgebracht?

Baschar al-Assad: Ja, das meine ich ja gerade. Wenn wir über die
Regierungsanhänger reden, dann sind die Opfer aus Sicherheitsdiensten
und Armee zahlreicher als die Zivilisten.

Jürgen Todenhöfer: Sie sagten, es laufen Untersuchungen gegen
diejenigen Angehörigen der Sicherheitsdienste, die unschuldige
Zivilisten getötet haben könnten. Sind einige von ihnen bestraft
worden?

Baschar al-Assad: Ja, natürlich. Sie wurden inhaftiert und werden
nun vor Gericht gestellt. Wie jeder andere Verbrecher.

Jürgen Todenhöfer: Wer hat das Massaker von Hula begangen, bei dem
mehr als einhundert Menschen brutal ermordet wurden, darunter
zahlreiche Kinder?

Baschar al-Assad: Verbrecherbanden kamen zu Hunderten von außen,
nicht aus der Stadt und griffen die Stadt und Polizisten an. Sie
haben die Stadt und die dort stationierte Polizei- und
Sicherheitseinheit angegriffen. Und dann brachten sie viele Familien
und dabei auch, wie Sie erwähnen, Kinder und Frauen um. Und diese
ermordeten Familien zählten tatsächlich nicht zur Opposition sondern
zu den Regierungsanhängern.

Jürgen Todenhöfer: Jemand, der in Hula lebt, und der Angehörige
seiner Familie verloren hat, sagte mir, die Mörder hätten
Armeeuniformen getragen. Warum trugen sie Armeeuniformen?

Baschar al-Assad: Einfach, um unsere Regierung zu beschuldigen.
Das ist schon oft so gelaufen. Sie begehen ein Verbrechen, nur um
unsere Regierung zu beschuldigen. Sie begehen ein Verbrechen, sie
veröffentlichen Videos, gefälschte Videos, sie tragen die Uniformen
unserer Soldaten um sagen zu können, es war die Armee - sie hat die
Menschen umgebracht in Syrien.

Jürgen Todenhöfer: Sie sagen, das sei eine der Strategien der
Rebellen?

Baschar al-Assad: Ja, von Anfang an. Das machen sie dauernd so.
Und zwar nicht nur in Hula, sondern an vielen Orten.

Jürgen Todenhöfer: Wer sind diese Rebellen, die Sie als
Terroristen bezeichnen?

Baschar al-Assad: Das ist eine bunte Mischung aus Leuten von Al
Kaida und anderen Extremisten, nicht unbedingt von Al Kaida, sowie
Gesetzlosen, die sich dem Zugriff der Polizei entziehen und
vorwiegend Drogen von Europa in die Golfregion schmuggeln. Und viele
andere, die wegen der verschiedensten Verbrechen verurteilt wurden.
Also ein buntes Durcheinander.

Jürgen Todenhöfer: Wie viele Rebellen bekämpfen Ihre Regierung?

Baschar al-Assad: Zahlen gibt es nicht, aber Sie können ruhig von
Tausenden reden.

Jürgen Todenhöfer: Zwanzig, dreißig?

Baschar al-Assad: Kann ich Ihnen nicht sagen. Ich werde Ihnen
keine Zahl nennen, wenn ich das nicht mit Genauigkeit tun kann.

Jürgen Todenhöfer: Würden Sie sagen, dass alle diese Rebellen
Terroristen sind?

Baschar al-Assad: Es kommt darauf an, was sie tun. Wenn sie
Menschen attackieren, wenn sie niederbrennen und zerstören, dann ist
das nach dem Gesetz Terrorismus. Aber es sind auch Personen dabei
ohne Verbrecher zu sein. Aus den verschiedensten Gründen. Zum
Beispiel aus finanziellem Interesse. Manche bekommen Geld, andere
werden bedroht. Andere machen sich irgendwelche Illusionen oder haben
solche verloren. Also, sie sind nicht alle Terroristen. Deswegen
haben wir viele von ihnen auf freien Fuß gelassen, nachdem sie ihre
Waffen niedergelegt hatten.

Jürgen Todenhöfer: Konnten Sie einige der Al Kaida-Kämpfer
festnehmen, die Sie vorhin erwähnt haben?

Baschar al-Assad: Ja, wir haben viele von ihnen verhaftet -
Dutzende.

Jürgen Todenhöfer: Und aus welchen Ländern stammen die?

Baschar al-Assad: Ich meine Tunesier und Libyer.

Jürgen Todenhöfer: Kann ich mit einem von ihnen sprechen?

Baschar al-Assad: Ja, das können Sie.

Jürgen Todenhöfer: Mit einem Dolmetscher, allein?

Baschar al-Assad: Natürlich.

Jürgen Todenhöfer: Welche Rolle spielen in diesem Konflikt die
Vereinigten Staaten?

Baschar al-Assad: Sie sind Teil dieses Konflikts. Sie spannen
einen Schirm auf und bieten diesen Banden politischen Schutz um
Syrien zu destabilisieren.

Jürgen Todenhöfer: Sie sagen, die Vereinigten Staaten unterstützen
die Rebellen politisch - ist das korrekt?

Baschar al-Assad: Ja, ganz genau.

Jürgen Todenhöfer: Und Sie sagen, diese Rebellen, die Sie
Terroristen nennen, bringen Zivilisten um? Das heißt, Sie machen die
US-Regierung, zumindest teilweise, verantwortlich für die Ermordung
von unschuldigen syrischen Zivilisten. Ist das richtig?

Baschar al-Assad: Natürlich. Ja, genau. Solange sie in irgendeiner
Weise Terroristen Unterstützung gewähren, werden Sie zu deren
Partner. Mit Waffen, Geld oder öffentliche und politische
Unterstützung in der UNO - oder wo auch immer - ist das die
Implikation.

Jürgen Todenhöfer: Es ist Ihnen bekannt, dass Politiker im Westen
das anders sehen und dass sie über eine Militärintervention in Syrien
diskutieren? Wie würden sie darauf reagieren? Vergeltung üben gegen
Staaten des Westens?

Baschar al-Assad: Es geht da nicht um Vergeltung sondern um die
Verteidigung unseres Landes. Unsere Priorität ist es, unser Land zu
verteidigen und nicht Vergeltung zu üben gegenüber irgendjemandem.
Dies ist unsere Pflicht und daher auch unser Ziel.

Jürgen Todenhöfer: Und sind sie vorbereitet auf solch einen
Angriff?

Baschar al-Assad: Ob man vorbereitet ist oder nicht. Man hat sein
Land zu verteidigen und muss also vorbereitet sein.

Jürgen Todenhöfer: Wenn die Vereinigten Staaten für Sie ein Teil
des Problems sind, warum verhandeln Sie dann nicht mit Ihnen? Warum
laden Sie Hillary Clinton nicht nach Damaskus ein? Warum machen Sie
nicht den ersten Schritt?

Baschar al-Assad: Wir haben nie irgendeinem Land oder irgendeinem
Vertreter eines Landes die Tür versperrt, solange sie zur Lösung
eines Problems beitragen wollen. Vorausgesetzt, sie sind ernsthaft
und aufrichtig. Aber sie haben die Tür zugeschlagen. Wir haben damit
kein Problem. Ich habe immer wieder, auch öffentlich, bekannt
gegeben, dass wir bereit sind für jede Art von Hilfe und Dialog.

Jürgen Todenhöfer: Wären Sie bereit zu einem Dialog mit Hillary
Clinton? Wären Sie bereit, mit ihr durch die Straße von Damaskus zu
gehen? Ihr die Krankenhäuser zu zeigen - die ganze Situation in der
Stadt?

Baschar al-Assad: Wie gesagt, versperren wir die Tür niemandem und
dazu gehören auch die Amerikaner und alle anderen. Es geht da nicht
speziell um Hillary Clinton oder einen anderen Regierungsvertreter,
wir haben damit kein Problem. So etwas haben wir immer wieder getan -
wie Sie sagen - mit anderen durch die Straße zu laufen - und würden
das auch wieder tun. Gar kein Problem.

Jürgen Todenhöfer: Kommen wir zur Lage im Inneren. Sind
Verhandlungen mit den verschiedenen Oppositionsgruppen nach wie vor
eine realistische Option oder gehen Sie davon aus, dass Sie diesen
Konflikt bis zum bitteren Ende durchfechten müssen?

Baschar al-Assad: Der Dialog ist eine strategische Option, was
immer Sie sonst auch tun. Welche anderen Optionen Sie auch sonst noch
haben mögen. Den Dialog brauchen Sie und sei es nur, um
sicherzustellen, dass Sie auch friedlich etwas erreichen können. Aber
solange Sie es mit Terrorismus zu tun haben, und solange der Dialog
nicht funktioniert, müssen Sie den Terror bekämpfen. Sie können nicht
nur einfach auf Dialog setzen solange sie Ihr Volk und Ihre Soldaten
umbringen.

Jürgen Todenhöfer: Aber Sie könnten ja den Dialog mit denen
führen, die nicht Terroristen sind.

Baschar al-Assad: Wir hatten im letzten Sommer einen Dialog und
wir hatten sie auch ständig weiter dazu eingeladen. Einige von ihnen
haben "ja" gesagt, den Dialog akzeptiert und sich an den
Parlamentswahlen beteiligt. Sie bekamen auch Sitze im Parlament und
Ministerien in der neuesten Regierung von letzter Woche.

Jürgen Todenhöfer: Aber bei den letzten Wahlen sind sie nur auf 2%
gekommen.

Baschar al-Assad: Ja, aber daran sind nicht wir Schuld. Wir haben
denen ja nicht so und so viel Prozent anzubieten. Wir bilden ja nicht
die Regierung.

Jürgen Todenhöfer: Wären Sie auch bereit, mit der Opposition im
Exil zu reden?

Bashar al-Assad: Ja. Und das haben wir auch gesagt. Wir sind
bereit, mit allen zu reden.

Jürgen Todenhöfer: Wären Sie auch bereit, mit Rebellen zu reden
und zu verhandeln, wenn diese ihre Waffen niederlegen?

Baschar al-Assad: Eindeutig: Ja. Wir haben das auch schon getan
und haben ihnen eine Amnestie gewährt. Einige von ihnen leben
inzwischen ein ganz normales Leben - ohne alle Probleme.

Jürgen Todenhöfer: Sie sind also bereit, mit jedem zu reden, der
seine Waffen niederlegt?

Baschar al-Assad: Natürlich. Und wir haben auch schon vorher mit
ihnen gesprochen, um zu den genannten Ergebnissen zu kommen.

Jürgen Todenhöfer: Wie steht es mit dem Kofi-Annan-Plan, ist er
gescheitert?

Baschar al-Assad: Nein, der sollte auch nicht scheitern. Kofi
Annan macht bisher eine schwierige aber sehr gute Arbeit. Wir wissen,
dass er auf zahllose Hindernisse stößt, aber sein Plan sollte nicht
scheitern. Es ist ein sehr guter Plan.

Jürgen Todenhöfer: Nennen Sie mir das größte Hindernis.

Baschar al-Assad: Das größte Hindernis ist, dass viele Länder den
Erfolg dieses Plans gar nicht wollen, also bieten sie politische
Unterstützung an und versorgen die Terroristen in Syrien weiterhin
mit Waffen und mit Geld. So versuchen sie, den Plan zum Scheitern zu
bringen.

Jürgen Todenhöfer: Wer schickt Waffen nach Syrien? Welches Land
unterstützt die Rebellen am meisten?

Baschar al-Assad: Wenn man keine konkreten Beweise hat, dann muss
man nach Anzeichen gehen. Das sind ja Länder, die offiziell
ankündigen, sie wollten diese Terroristen unterstützen. In erster
Linie der Außenminister Saudi Arabiens und sein Amtskollege in Katar.
Sie haben ihre Unterstützung ganz offen bekannt gegeben. Wohlgemerkt,
was die Bewaffnung betrifft. Die Türkei hat, meine ich, logistische
Hilfe beim Schmuggeln angeboten.

Jürgen Todenhöfer: Und die Vereinigten Staaten?

Baschar al-Assad: Die Vereinigten Staaten bieten im Wesentlichen,
soweit wir wissen, politische Unterstützung.

Jürgen Todenhöfer: Auch Kommunikationsmittel?

Baschar al-Assad: Uns liegen gewisse Informationen darüber vor.
Ich habe es nicht erwähnt, weil wir keine konkreten Beweise haben,
die wir Ihnen vorlegen könnten.

Jürgen Todenhöfer: Und wie sieht es mit dem Kofi-Annan-Plan einer
Einheitsregierung mit den verschiedenen Oppositionsgruppen, unter
Einschluss von Mitgliedern der Bath-Partei, aus?

Baschar al-Assad: Da sprechen Sie jetzt von der Genfer Konferenz.

Jürgen Todenhöfer: Ja, von seinem Plan einer Einheitsregierung.

Baschar al-Assad: Wir haben in Syrien darüber gesprochen. Wir
haben jetzt ja eine Einheitsregierung - auch mit der Opposition. Auch
mit dem Teil der Opposition, der sich an den Wahlen beteiligt hat.
Die sind ja auch in der Regierung. Aber man braucht natürlich
Kriterien, wie definiert sich Opposition. Da gibt es Zehntausende,
Hunderttausende oder Millionen. Können die alle mitmachen? Für diese
Art von Demokratie der Regierung brauchen Sie Mechanismen neben den
Kriterien. Für mich, zum Beispiel, die Wahlen. Wenn sie Menschen
vertreten, dann kandidieren sie, gewinnen Sitze und können dann auch
in die Regierung. Wenn sie aber, ohne Sitze, nur Opposition machen,
wen vertreten sie dann? Vielleicht nur sich selbst.

Jürgen Todenhöfer: Wann sind denn die nächsten Wahlen?

Baschar al-Assad: Welche Wahlen meinen Sie? Die zum Parlament?

Jürgen Todenhöfer: Nein, die nächsten Präsidentschaftswahlen.

Baschar al-Assad: Nein, nein, ich meine die Parlamentswahlen. Die
waren ja erst vor zwei Monaten.

Jürgen Todenhöfer: Aber die Exilopposition, zum Beispiel, war ja
gar nicht dabei. Würden Sie eine Beteiligung der Exilopposition an
einer Interimsregierung akzeptieren? Nennen wir die
Übergangsregierung einmal so.

Baschar al-Assad: Wenn die unsere Regeln und Gesetze einhalten
können und sich nicht an kriminellen Aktivitäten beteiligen und nicht
die NATO und andere Länder auffordern, Syrien anzugreifen, was ja
gegen unsere Gesetze verstößt, dann haben sie das Recht, mitzumachen.
Kein Problem für uns. Ein großer Teil der Opposition in Syrien war ja
auch dabei. Warum sollten wir die Opposition außerhalb des Landes
fernhalten. Dafür hätten wir als Regierung gar keinen Grund.

Jürgen Todenhöfer: Ein Mann wie Ghalioun oder den neuen
Präsidenten des Nationalrats, würden sie die akzeptieren?

Baschar al-Assad: Es geht da nicht um Namen oder Positionen
sondern um Grundsätzliches. Da müssen wir uns jeden Einzelfall
ansehen. Hat jemand gegen geltendes Recht verstoßen, sodass er nicht
kandidieren könnte? Das muss für jeden gelten. Das ist keine Frage
der Mittel.

Jürgen Todenhöfer: Herr Präsident, wenn Sie daran denken, was aus
den Führern Ägyptens und Libyens geworden ist, wenn Sie sich der
Bilder erinnern, die wir alle im Fernsehen gesehen haben - haben Sie
dann nicht Angst um Ihre Familie, um Ihre Frau und Ihre kleinen
Kinder?

Baschar al-Assad: Sie sprechen von zwei ganz verschiedenen
Szenarien. Wenn Sie an Al Gaddafi denken: Das war ja reine
Brutalität, das war kriminell. Was immer er verbrochen haben mag, wer
immer er war, niemand auf der Welt kann das hinnehmen, jemanden so
umzubringen. Bei Mubarak war das ganz anders. Das war ein Prozess.
Jeder Bürger, der im Fernsehen einen Prozess sieht, versetzt sich an
seine Stelle und denkt "da möchte ich nicht stehen", also soll er
sich entsprechend verhalten. Aber wenn Sie Angst ansprechen, dann
muss ja der Vergleich stattfinden und wir sind in einer völlig
anderen Situation. In Ägypten ist es ganz anders gelaufen als in
Syrien, in einem anderen geschichtlichen Zusammenhang. Ebenso das
gesellschaftliche Gefüge. Und wir haben immer eine andere Politik
verfolgt. Da gibt es keine Gemeinsamkeiten und keinen Vergleich. Und
man braucht auch keine Angst haben - höchstens Bedauern oder Mitleid
empfinden.

Jürgen Todenhöfer: Sie haben eine harte Opposition gegen sich und
entschlossene Rebellen. Sie wissen, was die vorhaben. Daher noch
einmal meine Frage: Haben Sie Angst um Ihre Familie?

Baschar al-Assad: Das wichtigste überhaupt bei allem, was man tut:
Man muss davon überzeugt sein. Da muss man nicht um sein Leben
fürchten. Die Leute können ganz anderer Meinung sein als Sie, aber
sie spüren, dass Sie im Interesse Ihres Landes handeln. Wer sich für
sein Land einsetzt, muss keine Angst haben. Wenn Sie die Bevölkerung
schützen, warum sollen Sie dann Angst haben. Gut, Sie sprechen von
Tausenden von Opfern. Aber was wäre, wenn Sie Hunderttausende hätten?
So könnte es ja in Syrien kommen.

Jürgen Todenhöfer: Wenn man alles zusammenfasst, welche Lösung
haben Sie für den Konflikt in diesem Land? Und noch einmal meine
Frage: Denken Sie, dass Sie das bis zum bitteren Ende durchkämpfen
müssen?

Baschar al-Assad: Wir müssen eine Lösung auf zwei Achsen sehen:
Dass Terroristen bekämpft werden müssen, steht völlig außer Frage -
überall auf der Welt. Und was machen Sie, wenn jemand Zivilisten
umbringt, Unschuldige, Kinder und auch Ihre Soldaten, die Polizei und
alle? Da müssen Sie kämpfen, da ist keine Dialogbereitschaft. Und so
ist es hier bisher. Dann die zweite Achse: Der Dialog mit den
verschiedenen politischen Kräften und gleichzeitig der Reformprozess,
der zur Einbindung aller führt. Und dann werden die Menschen an der
Urne entscheiden, wer sie vertreten soll.

Jürgen Todenhöfer: Können diese Reformen denn nicht schneller
kommen?

Baschar al-Assad: Das ist sehr subjektiv. Sie sagen langsam und
ich vielleicht schnell. Am Ende muss gelten, dass man so schnell
macht wie möglich, ohne einen zu hohen Preis dafür zu bezahlen oder
große Nebenwirkungen zu riskieren. Also, so schnell wie möglich, und
das hat nichts mit mir zu tun und auch nicht mit der Regierung. Das
ergibt sich aus den objektiven Umständen in Syrien.

Jürgen Todenhöfer: Herr Präsident, unsere Zeit läuft ab. Wo würden
Sie Ihr Land gerne in zwei Jahren sehen? Welche Vision haben Sie für
Syrien?

Baschar al-Assad: Ich würde gerne zu jedem Zeitpunkt ein blühendes
Land sehen. Damit meine ich eine bessere Wirtschaft, eine bessere
Lage in jeder Hinsicht. Kulturell und in allen Belangen. All das geht
nicht ohne Sicherheit. Ohne Sicherheit gibt es keinen Traum von einer
besseren Zukunft. So sehe ich mein Land.

Jürgen Todenhöfer: Herr Präsident, ich bedanke mich für dieses
Gespräch. Alles Gute für Ihr Land. Vor allem Frieden, Freiheit und
Demokratie.

Die beiden Fassungen des Gesprächs (englisch und deutsch) sind
heute um 19.45 Uhr auf der Weltspiegel-Internetseite
www.daserste.de/weltspiegel/ als Video abrufbar.

Abdruck und Verwendung nur mit Quellennennung unter Beachtung der
Sperrfrist.

Ein Foto des Gesprächs finden Sie unter: www.ARD-foto.de

Pressekontakt:

Anja Görzel, Tel. 0711 929 11046, mobil 0151 146 26 784,
anja.goerzel@swr.de


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