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Schwäbische Zeitung: Wer wegschaut, wird mitschuldig - Leitartikel

Geschrieben am 08-06-2012

Leutkirch (ots) - Auf dem Grab der kleinen Maya, die am
Pfingstsonntag in Aldingen verhungert und verdurstet ist, liegen
Kränze, Schleifen, selbst verfasste Gedichte. Ein Teddy soll Trost
spenden. Zeichen der Betroffenheit. Betroffen von diesem Fall sind
nicht nur die Menschen, die Maya gekannt haben, ihr aber nicht helfen
konnten. Betroffen ist eine ganze Gesellschaft, die die Kultur des
Hinschauens und Reagierens verlernt hat.

Denn immer wieder stellt sich nach Fällen wie dem in Aldingen
heraus, dass Verwandte, Freunde, Bekannte, Nachbarn und auch Behörden
glaubten, die Familie und ihre Verhältnisse zu kennen. Es gab
Kontakte, Besuche und auch Hilfsangebote. Alles ernst gemeint, jeder
hatte ein gutes Gewissen. Doch am Ende stirbt ein Kind, weil in
letzter Konsequenz dann doch niemand zuständig war, niemand
Verantwortung übernahm und niemand die Warnsignale hörte. Gerichte
werden entscheiden müssen, ob - und falls ja - wer welche Fehler
begangen hat.

Der Fall zeigt auch, dass wichtige Mechanismen in der Gesellschaft
nicht mehr richtig funktionieren. Von den sogenannten sozialen
Netzwerken ganz zu schweigen. Mayas Mutter, die auch bei Facebook
unterwegs war, mag dort Dutzende Freunde gehabt haben. Aber keiner
konnte oder wollte ihr und ihren Kindern helfen. Daher ist es
irreführend und gefährlich zugleich, von wahren Freundschaften,
echtem Sozialverhalten oder belastbaren Netzwerken im Internet zu
sprechen.

Gebt besser aufeinander acht: So könnte die Lehre aus dem Tod der
kleinen Maya lauten. Es geht nicht darum, jemanden auszuspionieren,
zu verraten oder - banal gesagt - zu petzen. Vielmehr braucht die
Gesellschaft mehr sozialen Kitt. Wer ehrlich aufmerksam, aufrichtig
am Gegenüber interessiert, kritisch begleitend in seiner Familie ist,
am Arbeitsplatz oder im Freundeskreis sein Umfeld pflegt und die
Zivilcourage aufbringt, Missstände anzusprechen, der unternimmt viel,
um neuerliche Dramen zu verhindern. Wer wegschaut, wird mitschuldig.



Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 07561-80 100
redaktion@schwaebische-zeitung.de


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