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"DER STANDARD"-Kommentar: "Staatlicher Husch-Pfusch-Verein" von Michael Möseneder

Geschrieben am 28-05-2012

Seltsamkeiten im Alpen-Donau-Verfahren mit Parallelen zum
Tierrechtler-Prozess (Ausgabe ET 29.05.2012)

Wien (ots) - Im Wiederbetätigungsprozess gegen Gottfried Küssel
und zwei Mitangeklagte rund um die neonazistische Webseite
Alpen-Donau.info ist nun also Halbzeit. Was nicht so geplant war -
schließlich wollte das Gericht ursprünglich mit drei
Verhandlungstagen und der Vernehmung von zwei Zeugen auskommen. Das
hat sich im Laufe des Prozesses als erstaunlich optimistisch
herausgestellt - obwohl es eigentlich absehbar war.

Gottfried Küssel hat sich in der Vergangenheit selbst als
Nationalsozialist bezeichnet, tritt seit Jahren auch nach seiner
Entlassung bei braunen Treffen auf, gilt als durchaus gefragter
Redner. Dass er Interesse an einer neonazistischen Homepage hätte,
über die die einschlägigen Inhalte verbreitet werden können, drängt
sich auf. Nur: Im Gegensatz zu totalitären Systemen ist Österreich
ein Rechtsstaat. Und in dem heißt glauben eben nicht wissen, falls
man jemanden ins Gefängnis bringen will.

Indizien gegen Küssel gibt es durchaus. Allerdings sind die nicht
immer ganz wasserdicht. Wenn eine Spitzenbeamtin des Bundesamtes für
Ver_fassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zugeben muss, dass es
keinen technischen Nachweis gibt, dass Küssel einen Text auf die
Seite gestellt hat, drängt sich die Frage auf, warum er dann unter
anderem deswegen angeklagt ist.

Und wenn die Staatsanwaltschaft Wien selbst in einem Schreiben an
ihre Kollegen in Hamburg festhält, dass der "Inhaber/Betreiber" der
Seite, von dem auch die Zahlungen abgewickelt worden sind, ein
namentlich bekannter Deutscher ist, ist völlig schleierhaft, warum
dieser vom Gericht nicht automatisch als Zeuge geladen worden ist.
Noch problematischer ist die Tat_sache, dass ursprünglich auch auf
einen EDV-Sachverständigen verzichtet worden ist. Es war klar, dass
sich die Geschworenen mit einer hochkomplexen Computermaterie
beschäftigen müssen. Dann aber darauf zu vertrauen, dass der
ermittelnde Beamte als Zeuge selbst objektiv erklärt, ob er seine
Arbeit gut oder schlecht erledigt hat, ist eine zumindest mutige
Annahme.

Und auch der Staatsanwalt legt _sein Objektivitätsgebot
offensichtlich recht weit aus, wenn er gegenüber _den Geschworenen
beispielsweise den deutschen Verdächtigen nicht erwähnt.
Im Gesamtbild drängen sich Parallelen zum Wiener Neustädter Prozess
gegen die Tierrechtler auf. Auch dort hatte der Staatsanwalt bei der
Verhandlung unter den Tisch fallen lassen, dass eine verdeckte
Ermittlerin nichts Belastendes gefunden hat. Und die Verteidigung
bewies, dass die von der Polizei vorgelegten Beweise nicht hieb- und
stichfest waren.

Hier wie da könnte der Verdacht aufkeimen, dass von vorgesetzten
Stellen beschlossen wurde, man müsse einen Erfolg vorweisen - und die
Angelegenheit rasch erledigen, um demonstrieren zu können, wie gut
und schlagkräftig Exekutive und Justiz arbeiten. Was dann das
Vertrauen in das System erhöht. Doch das funktioniert nur, wenn
rechtsstaatlich alles einwandfrei ist. Andernfalls stellt sich die
Staatsgewalt als Husch-Pfusch-Verein dar, dem es egal ist, ob die
Wahrheit gefunden wird.

Egal, wie widerwärtig die Hintergründe von Taten sind, deren
Aufklärung muss ein faires Verfahren sein. In der zweiten Halbzeit
des Küssel-Prozesses besteht die Chance dafür, egal, wie er ausgeht.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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