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"2012 werden wir den Zusammenbruch der Mittelschicht erleben" / Interview mit George Protopapas, Leiter der SOS-Kinderdörfer Griechenland, zur politischen Situation vor den Parlamentswahlen in Athen

Geschrieben am 26-04-2012

Athen (ots) - "2012 werden wir den Zusammenbruch der Mittelschicht
erleben" Interview mit George Protopapas, Leiter der SOS-Kinderdörfer
Griechenland, zur Situation vor den Parlamentswahlen in Athen Athen -
Die wirtschaftliche Lage in Griechenland verschärft sich zusehends.
Auch nach der Wahl erwarten die SOS-Kinderdörfer in Griechenland
keine Besserung. Ganz im Gegenteil: Der Leiter der SOS-Kinderdörfer
in Griechenland, George Protopapas, meint, die gesamte griechische
Mittelschicht wird kollabieren. Die Hilfsorganisation hat ihre
Familienhilfe massiv ausgebaut, um arme Familien, die keine Hilfe vom
Staat erhalten, zu unterstützen.

Herr Protopapas, am 6. Mai sind Parlamentswahlen in Griechenland.
Wer wird Griechenland demnächst regieren?

Derzeit sieht es so aus, als werde nur eine Koalition mehrerer
Parteien Griechenland regieren können und sich mit der sich weiter
verschlimmernden Krise beschäftigen müssen.

Was sind Ihrer Meinung nach die ersten Schritte, die die neue
Regierung machen muss?

Der einzig logische Schritt ist die deutliche Verkleinerung des
öffentlichen Sektors und die Erhöhung der Investitionen und die
Verbesserung des Klimas für ausländische Investoren. Das hört sich
einfach an, ist aber sehr schwierig in der griechischen Realität
umzusetzen.

Wird sich die Situation weiter verschlechtern?

Auf jeden Fall! Die Rezession wird dieses Jahr womöglich noch
schlimmer als im vergangenen. Alle Staatsziele für Einnahmen und
Finanzen für 2012 sind bereits jetzt verfehlt. Die Neuverschuldung
wird wohl bei elf Prozent liegen, die Arbeitslosenrate liegt derzeit
bei 21 Prozent und steigt weiter. Das alles lässt keinen Zweifel zu,
was die Zukunft bringt.

Was sind die Konsequenzen?

Mehr Armut, der Kollaps der staatlichen Sozialhilfe, des gesamten
Sozialstaats. Massenarbeitslosigkeit. Es wird werden wie in manchen
osteuropäischen Ländern in den Jahren nach dem Zusammenbruch des
Kommunismus.

Die Mittelschicht, die den Staat trägt, bröckelt schon jetzt
massiv. Was wird mit der Mittelschicht geschehen?

2012 und 2013 werden wir den Zusammenbruch der Mittelschicht von
Griechenland erleben.

Besteht weiter die Gefahr, dass Griechenland den Euroraum
verlassen muss?

Diese Frage wird man zum Ende des Jahres besser beantworten
können. Das wird einerseits von der neuen Regierung in Athen
abhängen, andererseits von den Wahlergebnissen in anderen EU-Ländern
wie etwa Frankreich sowie vom Fortgang der Krise in Staaten wie
Portugal und Spanien.

Was würde eine Rückkehr zur Drachme bedeuten?

Wenn Griechenland gezwungen wäre, den Euro aufzugeben, müsste
Europa sich ernsthaft fragen, ob man sich das Risiko eines
Nachbarstaats leisten kann, der in Chaos, extremer Armut,
wirtschaftlicher und politischer Anarchie versinkt. Zugleich würde
eine sehr große Anzahl von Emigranten in die anderen Staaten drängen.
Welche Entscheidungen von Seiten der EU auch immer getroffen werden
müssen, sie müssen begründet sein auf einer humanitären, kulturellen
und teilnahmsvollen Basis und nicht auf purer Ökonomie.

Glauben Sie, es könnte Aufstände geben?

Ich hoffe nicht, aber es liegt im Bereich des Möglichen. Den
Menschen geht es sehr schlecht. Viele sind verzweifelt.

Wie trifft die Krise die Hilfsorganisationen? Die
Hilfsorganisationen arbeiten derzeit unter sehr schwierigen
Voraussetzungen: Viele der Angestellten von Hilfsorganisationen
müssen ohne Lohn arbeiten. Bei SOS haben die Beschäftigten freiwillig
auf einen Teil ihrer Gehälter verzichtet. Zudem werden die
Organisationen immer höher besteuert. Aber alle tun ihr Bestes für
die Menschen im Land.

Erwarten Sie einen weiteren Niedergang der Spenden?

Natürlich! Wir werden in den kommenden Monaten eine nie dagewesene
Pleitewelle erleben wegen der hohen Schulden, dem massive Anstieg der
Steuern und der gleichzeitigen Verringerung der Löhne und Gehälter.
Wo sollen da die Spenden herkommen?

Was bedeutet das für Hilfsorganisationen wie die SOS-Kinderdörfer?

Uns wird es nicht viel anders gehen als den Menschen im Land. Auf
der anderen Seite werden wir immer stärker gebraucht. Es haben schon
hunderte Eltern bei uns angefragt, ob sie ihre Kinder bei uns lassen
können, da sie nicht mehr in der Lage sind, für sie zu sorgen. Wir
begegnen diesem Drama mit der SOS-Familienhilfe, die die Familien
unterstützt, damit sie zusammenbleiben können. 2011 haben wir die
SOS-Familienhilfe verfünffacht. Doch das wird nicht ausreichen. Wir
planen dieses Jahr eine weitere massive Ausweitung.

Welche Hoffnung haben Sie für die Zukunft des Landes?

Wenn Sie keine Hoffnung haben, haben Sie keine Zukunft.
Situationen wie diese sind eine Herausforderung. Man muss eine
Bewusstseinsänderung erreichen. Weg von dem Verhalten und der
Geisteshaltung, die uns in diese Schwierigkeiten gebracht hat hin zu
einem mutigen Überlebenskampf für unser Land und die Zukunft unserer
Kinder.

Die SOS-Kinderdörfer unterhalten in Griechenland drei Kinderdörfer
und vier Sozialzentren mit angeschlossener Familienhilfe.

Ein Foto von George Protopapas finden Sie zum kostenlosen Download
auf: www.sos-kinderdoerfer.de/pressefotos; Fotovermerk:
SOS-Kinderdörfer weltweit

Weitere Informationen über Griechenland unter:
www.sos-kinderdoerfer.tv blogs.sos-kinderdoerfer.de/sos-aus-athen/

Ein Hörfunk-Interview zu unserem Blog "SOS aus Athen" finden Sie
unter: www.medienkontor-audio.de/beitraege/sos-kinderdoerfer



Anfragen bei:
Louay Yassin
Stv. Leiter Kommunikation
Pressereferent
SOS-Kinderdörfer weltweit
Hermann-Gmeiner-Fonds Deutschland e.V.
Ridlerstraße 55, 80339 München
Tel.: 089/179 14-259
louay.yassin@sos-kd.org


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