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"DER STANDARD"-Kommentar: "Abgang eines Querulanten" von Michael Völker

Geschrieben am 25-04-2012

Ferry Maier hat wieder einmal die Gosch'n nicht gehalten: Ein
Sittenbild der ÖVP - Ausgabe vom 26.4.2012

Wien (ots) - Hände falten, Gosch'n halten. Was der ÖVP-Abgeordnete
Ferdinand Maier ursprünglich auf den Führungsstil von Klubobmann
Wolfgang Schüssel gemünzt hatte, ließ sich später auch gut auf
Karlheinz Kopf umlegen und weiterreimen: G'rad sitzen, Ohren spitzen!
Kopf nicht dreh'n, nur nach vorne seh'n!
Es sind autoritäre Anwandlungen, die Klubchef Kopf an den Tag legt.
Er setzt auf Verbote, nicht auf Argumente. Er verschanzt sich hinter
der Hierarchie, statt sich die Mühe der Diskussion anzutun. Als Maria
Rauch-Kallat den weiblichen Anteil in der Bundeshymne einforderte,
durfte sie im Parlament nicht reden. Geholfen hat es nichts, die
Frauen verbündeten sich quer durch die Fraktionen und setzten die
Töchter durch. Blamiert war die Herren-Runde der ÖVP.
Auch Ferry Maier durfte nicht reden, als er sein Nein zum
Infrastrukturpaket für die ÖBB argumentieren wollte. Kopf nahm ihn
nicht auf die Rednerliste. Maier zeigte sich zweifach enttäuscht: von
der Kleingeistigkeit seines Klubchefs und von der "Feigheit" seiner
Abgeordneten-Kollegen, die ein Finanzpaket für die ÖBB mit einem
Volumen von 33 Milliarden Euro abnickten, ohne es im Detail zu
kennen. Maiers Enttäuschung ist nachvollziehbar, in beiden Fällen.
Die Aufgeregtheit, die Maier jetzt an den Tag legt, ist allerdings
künstlich - sein Abschied stand ohnehin bevor. Mit Kopf war er
bereits früher zusammengekracht, und so hat Maier jetzt eine
Möglichkeit gefunden, seinen Abgang dramaturgisch aufzuladen - und es
der ÖVP noch einmal ordentlich reinzusagen.
Die feine Art ist das nicht. Aber Maier trifft einen Punkt. Über
Kopfs Führungsstil lässt sich jedenfalls eines sagen: Er ist nicht
souverän. Abweichende Meinungen werden umgehend sanktioniert. Die
Ja-Sager führen in der ÖVP ein angenehmes Leben. Querdenker werden
diszipliniert.
Das sollte dem Parteichef Michael Spindelegger eigentlich das Leben
erleichtern. Aber ausgerechnet Kopf selbst hat als Klubchef ein
erstaunliches Eigenleben entwickelt. Zurzeit erschwert er
Spindeleggers Leben als ÖVP-Chef. Kopfs Umgang mit den
Korruptionsvorwürfen war von Dilettantismus geprägt und hat der
Partei zweifellos geschadet. Kopf hatte auf die Ermittlungen gegen
ÖVP-Mandatare in Zusammenhang mit der allzu großzügigen Verteilung
von Telekom-Geldern mit einem Rundumschlag gegen die Justiz reagiert.
Seine Attacke gegen die Staatsanwaltschaft ließ die Diskussion erst
richtig hochkochen. Und die Vermengung mit dem Fall Kampusch brachte
die Diskussion dann auf eine ganz schiefe, unangenehme, fast schon
unanständige Ebene.
Das beschert Parteichef Spindelegger zu allen inhaltlichen Problemen
auch noch eine Personaldebatte. Wobei klar ist: Spindelegger wird
Kopf nicht austauschen - noch nicht. Diese Turbulenzen kann sich der
Parteichef derzeit nicht leisten - und der Abgang eines notorischen
Querulanten ist sowieso der ganz falsche Anlass.
Nicht austauschen wird Spindelegger auch Nikolaus Berlakovich, den
Umweltminister, oder Maria Fekter, die Finanzministerin, oder Beatrix
Karl, die Justizministerin. Nicht austauschen wird Spindelegger auch
den visionslosen und unengagierten Klub. Ganz offensichtlich ist
aber, dass die ÖVP ein Personalproblem hat. Das hat ausgerechnet der
Abgang eines Abgeordneten deutlich gemacht, der als Personal immer
schon ein Problem für die Parteispitze war.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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