(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Die Kanzlerin im Wolfsrudel - Leitartikel

Geschrieben am 28-02-2012

Berlin (ots) - Lawinen beginnen oft zufällig. Fast nie fallen
anfangs große Brocken, vielmehr kullern zunächst Krümel vom Gipfel
hinab. Angela Merkel hat in diesem Winter die Höhen der Macht
erklommen. Ganz Europa macht Männchen, in der Partei lauert nirgendwo
ein Rivale, die Opposition ist auf Distanz. Das Tückische am
Machtgipfel: Überall geht's nur bergab. Der Niedergang des
Bundeskanzlers Schröder kündigte sich an, als er die Wiederwahl 2002
geschafft hatte, auf dem Höhepunkt des Ruhms. Ministerpräsident
Stoiber war wenige Monate nach dem historischen Zweidrittelsieg
erledigt. Zufall, dass in Berlin erste Krümel kullern? Die
machtschlaue Kanzlerin weiß um die Sprengkraft jener symbolischen
Momente, die nach Erosion aussehen. So schmerzte sie beim Ringen um
den Bundespräsidenten weniger die Person Gauck als der Nimbus der
Allmacht, der plötzlich dahin war. Ausgerechnet der Machtpraktikant
Rösler führte die Hilflosigkeit der Chefin vor und kommentierte ihre
Niederlage auch noch frech. Röslers überraschender Triumph wird noch
brutalstmöglich bestraft werden, gleichwohl dürfte sich nicht nur in
der FDP die Angststarre auflösen, die den übergehorsamen Westerwelle
noch gelähmt hatte. Auch die notorisch profilierungshungrigen Bayern
entdecken die Lust am Kanzlerinnenquälen. Kalkuliert zirkelte der
ansonsten nicht sehr auffällige Bundesinnenminister Friedrich seine
Bedenken zur Griechenlandhilfe auf den Tag der Abstimmung, garantiert
mit Wissen der Münchner Zentrale. Die Bundesverfassungsrichter mögen
ebenfalls verstohlen gegrient haben, als sie dem parlamentarischen
Sondergremium zur EU-Rettung die Legitimität absprachen und mithin
die Kanzlerin in die Schranken wiesen. Halb so schlimm, wenn
Koalitionspartner oder Institutionen quengeln - das gehört dazu.
Bedrohlich wird die Lage, wenn die eigene Partei die Gefolgschaft
verweigert. Die Selbstverständlichkeit, mit der CDU-Abgeordnete gegen
das Griechenland-Paket stimmten, darf man getrost als
Respektlosigkeit gegenüber der Parteivorsitzenden interpretieren.
Über den Wiedereinzug in den Bundestag wird eben nicht im Kanzleramt,
sondern im Wahlkreis entschieden. Und dort sind die Milliarden für
Athen kaum zu erklären. Konsequenzen? Muss kein Abgeordneter
fürchten. Im schlimmsten Fall kommt Angela Merkel im Wahlkampf nicht
vorbei. Da ist die Rebellenrolle allemal werbewirksamer. Die
Kanzlerin hatte nun mal das Pech, sowohl bei Gauck als bei
Griechenland nicht mit der Mehrheit im Bunde zu sein. Wie im
Wolfsrudel erkennen die CDU-Freunde kleinste Schwächen sofort, sie
zerren hier, sie beißen da, sie gucken, wie stark die Leitwölfin
wirklich ist. Macht hat zuweilen mit Gewalt um der Gewalt willen zu
tun. Wer oben sitzt auf dem Felsen, muss jeden Anschein von Schwäche
vermeiden. Macht-Routinier Helmut Kohl spürte sofort, dass da was in
Bewegung kommen könnte, und sprang der Vorsitzenden bei. Wer die
Kanzlerin als Nächster herausfordert, darf sich auf ziemlichen Zorn
gefasst machen.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Chef vom Dienst

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

380868

weitere Artikel:
  • Westdeutsche Zeitung: Neues Punkte-System für Autofahrer - Verkehrs-Rambos geht es an den Kragen Ein Kommentar von Horst Kuhnes Düsseldorf (ots) - Ein Verkehrsminister macht ernst: Mit seiner Reform der Flensburger Verkehrssünder-Datei will Peter Ramsauer den Verkehr sicherer machen, Verkehrs-Rambos schneller als bisher an den Kragen gehen - und das für Laien nicht mehr durchschaubare System der komplizierten Lösch- und Speicherzeiten wieder transparenter machen. Unterm Strich ist dies auf jeden Fall ein richtiger Schritt - auch, wenn das neue System noch nicht in Gänze steht und einige wichtige Fragen immer noch offen sind. Im Kern jedoch steht bereits mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Iran Bielefeld (ots) - Im Iran soll der evangelische Pastor Youcef Nadarkhani möglicherweise in den nächsten Tagen hingerichtet werden. Vorwurf: Abfall vom Islam und Werbung für das Christentum. Staatliche Medien schimpfen ihn auch einen Zionisten, Einbrecher und Erpresser, der ein »Haus des Verderbens« (sprich: Bordell) geleitet habe. Tatsächlich predigte und betete Nadarkani in kleinsten christlichen Hauskirchen, in denen sich sowohl evangelikale Christen als auch römisch-katholisch Orientierte sammeln - möglicherweise in wachsender Zahl. mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Flensburger Punktekartei Bielefeld (ots) - Einfacher, gerechter und transparenter soll das neue Punktesystem für Verkehrssünder werden. Wenn Minister Peter Ramsauer das wirklich erreicht, hat er sich sein Fleißkärtchen verdient. Aber er soll es nicht übertreiben. Gerade vor gut zwei Wochen stellte der CSU-Politiker Überlegungen seiner Reform vor, gestern folgten die Eckpunkte, aber wie das Gesetz aussehen wird, ist noch immer unklar. Wenn noch nichts entschieden ist, kann Ramsauer nochmals überlegen und den Plan auf Wiedervorlage setzen. So soll ein symbolischer mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Verfassungsgericht rüffelt Neuner-Gremium Wehret euch täglich JOHANN VOLLMER Bielefeld (ots) - Wie ein Kind, das sich nicht aufs Karussell gewagt hat, stehen die Bundestagsabgeordneten nun da. Das Bundesverfassungsgericht wird immer mehr zum Erziehungsberechtigten in der parlamentarischen Demokratie. Die Mahnung aus Karlsruhe ist eindeutig: Traut euch, geht ins Parlament - und wehret euch täglich. Es mag menschlich nachvollziehbar sein, dass es vielen Abgeordneten nicht gerade unrecht gewesen wäre, wenn man die Eurorettung einer kleinen Expertengruppe überlassen hätte. Wer kennt sich schon noch aus in dem mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Neues Punktesystem für Verkehrssünder Überfällig WOLFGANG MULKE, BERLIN Bielefeld (ots) - Dem bisherigen Flensburger Punktesystem wird kaum ein Autofahrer eine Träne nachweinen. Nur die wenigsten wissen, wie viele Punkte für welche Vergehen verteilt werden. Das alte Verfahren ist weder sonderlich transparent noch gerecht. Es hat nicht viel dazu beigetragen, dass auf Deutschlands Straßen weniger gerast und mehr Rücksicht geübt wird. Eine Reform ist also überfällig. Der Vorschlag von Verkehrsminister Peter Ramsauer erscheint auf den ersten Blick besser. Drei grobe Verstöße darf sich jeder binnen zehn Jahren mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht