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BERLINER MORGENPOST: Zurückzahlen statt weiterwurschteln - Leitartikel

Geschrieben am 15-02-2012

Berlin (ots) - Die Krankenkassen sind derzeit in einer
ungewohnten, ja fast noch nie da gewesenen Situation: Sie schwimmen
im Geld. Weil die Konjunktur gut läuft und viele Menschen in die
Sozialversicherungen einzahlen, macht die gesetzliche
Krankenversicherung große Überschüsse. Soll man das Geld für
schlechtere Zeiten aufheben? Oder soll es die Bundesregierung jetzt
den Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Rentnern zurückgeben? Wir
erinnern uns an den Spruch "Mehr Netto vom Brutto", mit dem Union und
FDP antraten. Krankenkassen seien keine Sparkassen, sagt
Gesundheitsminister Daniel Bahr. Wie wahr! Doch der FDP-Politiker,
dessen Partei die Bürger entlasten wollte, hat es selbst in der Hand,
ebendiesen Zustand zu ändern und alte Versprechen einzulösen. Würde
er den Beitragssatz senken, hätten Bürger und Unternehmen unmittelbar
etwas davon - auch wenn es nicht viel Geld wäre, das sie
zurückbekämen. Es geht aber ums Prinzip. In diesem Sinne sollte sich
Bahr auch daran erinnern, wie er und sein Vorgänger Rösler die
jüngste Gesundheitsreform verkauft haben: Da war vollmundig vom
"Systemwechsel" die Rede. Künftig sollte es vor allem pauschale
Zusatzbeiträge geben. Sie sollten den Wettbewerb unter den Kassen
anheizen, die Finanzierung der Krankenkassen vom Lohneinkommen
abkoppeln, und sie sollten - über einen steuerfinanzierten
Sozialausgleich - diese Finanzierung gerechter gestalten. Wer das
alles wirklich will, muss jetzt den Kassenbeitrag senken. Offenbar
aber erinnert sich die Koalition nur noch ungern an ihre Pläne. Zu
groß waren der Unmut in der Öffentlichkeit und der Ärger mit
Pleitekassen, als erstmals kleine Zusatzbeiträge fällig wurden.
Minister Bahr unternimmt alles dafür, dass keine Krankenkasse einen
solchen Beitrag nehmen muss, vor allem nicht im Wahljahr 2013. Keinen
anderen Zweck hat das Horten der Milliardenüberschüsse. Dass
Finanzminister Schäuble nun das Steuergeld zurückhaben will, das für
den Sozialausgleich gedacht war, erscheint vor diesem Hintergrund nur
logisch. Ohne Zusatzbeiträge wird kein Sozialausgleich gebraucht.
Bedenklicher stimmt, dass Schäuble sagt, die Krankenkassen würden zu
viel Steuergeld bekommen, der jetzige Zuschuss von 14 Milliarden Euro
sei "ordnungspolitisch nur schwer zu vertreten". Abgesehen davon,
dass der Minister all dem selbst einmal zugestimmt hat - die
Koalition muss sich endlich entscheiden, was sie will. Die
gesetzliche Krankenversicherung lässt sich nur auf drei Arten
finanzieren: über einkommensabhängige Beiträge, über
Pauschalbeiträge, die über das Steuersystem ausgeglichen werden -
oder ganz über Steuern. Bisher wollten Union und FDP die
Beitragsfinanzierung weitestgehend verlassen, weil sie das System
unabhängiger von der Lohnentwicklung machen wollten. Die Konsequenz
wäre eine stärkere Steuerfinanzierung. Wenn Schäuble diese Zuschüsse
nun kürzen will, ergibt das keinen Sinn. Während sich also der
Gesundheitsminister an seinen Milliarden festhält, sägt der
Finanzminister an den Stützpfeilern der Gesundheitsfinanzierung. Und
die Kulisse vom angekündigten "Systemwechsel" fällt zusammen. Es wird
in der Gesundheitspolitik weitergewurschtelt wie eh und je.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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