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"DER STANDARD"-Kommentar: "Abtauchen und ignorieren" von Alexandra Föderl-Schmid

Geschrieben am 16-01-2012

Die Reaktion der Regierung auf den Triple-A-Verlust zeugt von
Führungsschwäche - Ausgabe vom 17.1.2012

Wien (ots) - Wo ist der Kanzler? Seit Freitag ist er abgetaucht.
Es gibt nur eine schriftliche Erklärung von Werner Faymann und
Michael Spindelegger zur Herabstufung der Bonität durch Standard &
Poor's, in der beide betonen, dass dieser Schritt "unverständlich"
sei. Wer erwartet hatte, der Regierungschef werde am Montag nach dem
Treffen mit Vertretern von Nationalbank und Finanzmarktaufsicht eine
Erklärung oder gar Beschlüsse verkünden, wurde eines Besseren
belehrt: Der Kanzler schickte, wieder einmal, Ewald Nowotny vor, der
sich offenbar als Krisenerklärer in die Parteipflicht nehmen lässt.
Auch Andreas Schieder, Staatssekretär im Finanzministerium, taucht in
solchen Situationen auf. In der ausnahmsweise gut besetzten
ORF-Sendung Im Zentrum hat er Finanzministerin Maria Fekter
assistiert, die SPÖ-Forderung nach einer Vermögenssteuer rapportiert
und am Montag mit dem Stehsatz "Wir müssen den Weg der Konsolidierung
konsequent weitergehen" brilliert. Ein Kanzler, der in Krisenzeiten
andere vorschickt und nicht sagt, wo es hingehen soll, zeigt keine
Führungsqualität.
Ganz anders die Reaktion in Frankreich, das ebenfalls sein Triple-A
verloren hat: Bereits vor der offiziellen Bekanntgabe tat
Wirtschaftsminister Francois Baroin seine Einschätzung kund, einen
Tag später bezeichnete der Premierminister Francois Fillon die
Herabstufung als "Warnsignal, das weder dramatisiert noch
unterschätzt werden darf". Präsident Nicolas Sarkozy berief noch am
Freitag eine Krisensitzung mit Kabinettsmitgliedern ein und ging bei
einem Auftritt am Wochenende indirekt auf die Herabstufung ein, indem
er weitere Reformen ankündigte.
In Österreich wird weiter auf Abwarten und Beschwichtigen gesetzt:
Weder Regierung noch Opposition scheinen die Kritik der Ratingagentur
als Warnsignal und als Aufforderung, sich endlich zusammenzuraufen,
verstanden zu haben. Damit werden sie ihrer Verantwortung nicht
gerecht.
Gewarnt waren alle. Dass nun die politischen Entscheidungsträger und
die Notenbankvertreter derart überrascht wurden, ist nicht gerade
beruhigend. Denn nach der Vorwarnung im November traten Faymann und
Spindelegger gemeinsam auf und erklärten, dass eine Schuldenbremse
und ein Sparpaket kommen müssten. Sie waren sogar so mutig, die
Landeshauptleute nicht vorab zu informieren. Da diese inzwischen
durchgesetzt haben, dass sie das Haushaltsrecht des Bundes nicht
übernehmen müssen, und diverse Interessengruppen vorstellig wurden,
hat die beiden offensichtlich der Mut verlassen.
Geredet wurde seither viel, gehandelt wenig. Konsequenterweise wurde
das Downgrading vorgenommen. Dass sogar Analysten wie Peter
Brezinschek auf Ö1 nun versichern, im Vergleich zu Frankreich stehe
Österreich viel besser da, passt zur ignoranten Haltung. Darum geht
es nicht. Für die Lage in Ungarn oder Italien können Politiker hier
nicht verantwortlich gemacht werden. Aber Standard & Poor's erwartet,
dass "das Tempo der Konsolidierung in Österreich deutlich zunimmt".
Dies ist ein Appell - das hat zumindest der steirische
Landeshauptmann Franz Voves erkannt.
Die Deutschen Helmut Schmidt und Peer Steinbrück räsonieren in ihrem
Buch Zug um Zug über die Krise der Sozialdemokratie in Europa und
führen an, welche ihrer Vertreter noch regieren. Auf Faymann haben
sie vergessen - das ist bezeichnend.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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