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"DER STANDARD"-Kommentar: "Deutsche Fallbeilpolitik in Europa" von Thomas Mayer

Geschrieben am 08-12-2011

Führung durch Berlin und Paris kann nicht Entmündigung der
Partner bedeuten (Ausgabe ET 09.12.2011)

Wien (ots) - Am Ende wird die deutsche Kanzlerin von ihren
Partnern in den Eurostaaten - in welcher juristischen Form auch immer
- wohl alles bekommen, was sie zuletzt ultimativ verlangt hat: die
Schuldenbremse auf Euro-Ebene, quasiautomatische Sanktionen der Union
gegen Länder, die gegen das fiskalische Reinheitsgebot verstoßen; und
eine Klagemöglichkeit beim Europäischen Gerichtshof, der sich dann
auch zur höchsten wirtschafts- und währungspolitischen Instanz in
Europa mausern wird; keine Eurobonds; keine Zentralbankpolitik nach
US-Vorbild.

Alle diese Einzelmaßnahmen zur Herstellung der Haushaltsdisziplin
in der Eurozone sind im Prinzip sinnvoll, wenngleich unter Ökonomen
je nach Standpunkt umstritten. Eine gute Frage ist aber, ob die Art
und Weise, wie Angela Merkel die aus Berliner Sicht nötige EU-Reform
in den vergangenen Tagen durchgesetzt bzw. durchgedrückt hat,
politisch mehr Schaden als Nutzen angerichtet hat. Ob die
deutsch-französische "Dampfwalze" (bei der Frankreichs Präsident
Nicolas Sarkozy selber etwas unter die Räder kam), nicht doch über
das Ziel hinausgeschossen ist.

Der um Kritik nie verlegene Luxemburgische Premierminister
Jean-Claude Juncker brachte es auf den Punkt: Die Deutschen sollten
nicht so tun, als seien sie die Einzigen, die für in Not gekommene
Partner zahlen - und daher alles allein bestimmen könnten. Zahlen
würden auch andere, die sich sogar weniger leisten könnten als die
wohlhabenden Deutschen.

Von Juncker nicht ausgesprochener Nachsatz: Deutschland solle,
bitte schön, nicht vergessen, dass es als größtes, im Zentrum
liegendes EU-Land am meisten von Binnenmarkt und Euro profitiert hat
- und von den Investitionen der Partner.

Merkels Regierung hat, vielleicht gut gemeint, aber leider
schlecht gemacht, böses Blut in der Union verbreitet. Die neue
deutsche Welle verbalen Auftrumpfens über geschwächte Partner war
beim Eurogipfel unter den Ländervertretern ein fast stärkeres Thema
als die geplanten Maßnahmen zur Stärkung des Euro selber.

Was ist da passiert? Damit konfrontiert, dass es breiten
Widerstand gegen die fix-fertigen Pläne aus Berlin und Paris und
Alternativvorschläge gäbe, wurde ein deutscher Regierungsvertreter im
Vorfeld "deutlich": Man dulde "keine faulen Kompromisse, keine
Tricks", schon gar nicht "eine der typischen Brüsseler Tricksereien".
Angesprochen waren die Präsidenten der wichtigsten EU-Institutionen.

Das ging tief. Inhaltlich noch brisanter ist freilich, was die
deutsche Kanzlerin schriftlich deponierte für den Fall, dass ein
mühsamer Kompromiss nicht gelingt, wenn einige EU-Partner zunächst
Nein sagen. Dann, so steht in ihrem Konzept, werde man einen
Euro-Sonderweg gehen, unter deutscher Führung. Entlarvend, welche
Rolle die EU-Institutionen dann spielen sollen: Man sei bereit, die
EU-Kommission "umfassend einzubinden" und das Europäische Parlament
und die nationalen Parlamente - wörtlich - "in angemessener Weise zu
beteiligen". Das klingt nach offener Provokation auch der kleinen
EU-Staaten, die kaum eingebunden wurden.

Das ist, nicht nur vom Tonfall her, keinesfalls das Europa, das
ein Konrad Adenauer, Helmut Schmidt oder ein Helmut Kohl angestrebt
haben. Schade. Es ist verständlich, dass Deutschland und Frankreich
in der Not und in der Krise führend vorangehen müssen. Aber bitte
nicht so.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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