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Mittelbayerische Zeitung: Die Euro-Revolution / Die neuen Regierungen in Rom und Athen symbolisieren Umbrüche von historischer Dimension.

Geschrieben am 17-11-2011

Regensburg (ots) - In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt.
Doch inzwischen darf auch die Eurokrise als Rechtfertigungsgrund für
Tabubrüche jeglicher Art herhalten. Denn was sich in den vergangenen
Tagen in Italien und in Griechenland abspielte, kommt einer doppelten
Revolution gleich. Bereits der erste Aspekt des von außen betriebenen
Umsturzes ist atemberaubend. Zwei Regierungen europäischer Staaten
müssen auf gemeinsamen Druck der eigentlich befreundeten Länder
Deutschland und Frankreich - selbst gehörig unter der Fuchtel der
Finanzmärkte - den Hut nehmen. Das stellt einen Vorgang dar, der in
die Geschichtsbücher eingehen wird. Teil 2 der Revolution besitzt
ebenso eine historische Dimension: Die bisherige politische Klasse
wird durch eher kühle und universitäre Experten ersetzt. In Rom und
Athen übernehmen Technokraten das Ruder. Das bedeutet ein deutliches
Misstrauensvotum gegenüber den Politikern, die ihre Länder durch eine
in sämtlichen Facetten vorhandene Misswirtschaft an den Abgrund
geführt haben. In Italien und Griechenland schlägt die Stunde der
Wahrheit. Denn durch den Rettungsschirm - egal wie weit er noch
aufgespannt werden sollte - wird keine einzige Ursache der
Schuldenprobleme gelöst. Mit dem Antritt der Krisenregierungen in
beiden Staaten ist der Erwartungsdruck auf die kränkelnden
Euro-Länder enorm gestiegen. Während die Finanzmärkte bereits munter
spekulieren, ob neue Besen tatsächlich besser kehren, wollen die
EU-Partner jetzt endlich Taten sehen. Allen voran das Rettungstandem
Merkel/Sarkozy erwartet vom Anti-Berlusconi Mario Monti und vom
Papandreou-Erben Lucas Papademos Befreiungsschläge, zu denen die
Vorgänger nicht in der Lage waren. In dem Maße, wie sich die neuen
Herren in Rom und Athen von der alten Politikerkaste abheben,
unterscheiden sich auch die Verhältnisse in beiden Ländern. Wie bei
zwei aufeinandertreffenden tektonischen Platten werden dort die
Bruchlinien der Eurozone sichtbar, die - falls die Reformbemühungen
scheitern - das große Finanzbeben auslösen werden. In Griechenland
wartet auf den Rettungspremier Papademos eine Sisyphusarbeit mit
verschärften Spielregeln. Obwohl er noch gar nicht mit Reformen
begonnen hat, fliegen ihm schon von allen Seiten die Knüppel vor die
Beine. Wieder gehen die Unzufriedenen auf die Straße. Die
Lobbygruppen von den Taxifahrern bis hin zu den Beamten kämpfen
weiter verbissen um ihre Privilegien. Die Reichen denken gar nicht
daran, wenigstens einen Teil ihrer Steuerschulden zu begleichen. Es
herrscht die totale Reformverweigerung, während die Wirtschaft in der
Abwärtsspirale rotiert. Papademos ist zweifellos ein ehrenwerter Mann
und hochversierter Finanzexperte. Doch seine Übergangsregierung gibt
sich selbst nur drei Monate bis zu vorgezogenen Neuwahlen. In dieser
kurzen Zeitspanne die miese Stimmung im Land in Begeisterung zu
verwandeln und gleichzeitig die Blockadehaltung der Privilegierten
aufzubrechen, käme einem Wunder gleich. So wird erst die Wahl im
Februar entscheiden, wie es in Griechenland weitergeht. Sie wird zur
Volksabstimmung, die man Papandreou verweigerte. Sollten dann die
Populisten den Sieg davontragen, dürfte es mit der
Euro-Mitgliedschaft bald vorbei sein. In Italien dagegen kann der
Finanzexperte Monti sein Rettungskonzept auf mehreren tragfähigen
Säulen errichten. Die mittelständisch geprägte Wirtschaft besitzt
eine starke Sub-stanz. Außerdem übernehmen die Reichen des Landes
Verantwortung. Anstatt wie die Griechen ihre Euros gegen Londoner
Luxusimmobilien zu tauschen, kündigten Tausende Unternehmer jetzt an,
italienische Staatsanleihen zu kaufen - ein starkes Signal an die
Finanzmärkte und an das eigene Volk. Zusätzlich wirkt der Abgang
Berlusconis wie ein Befreiungsschlag für das ganze Land. Für den
Reformer Monti könnte sich das als Schlüssel erweisen, um auch
unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen, oder endlich die überbordende
Bürokratie zu entrümpeln. Vor allem könnte ihm die Aufbruchsstimmung
helfen, die Schattenwirtschaft, die das Land auszehrt, erfolgreicher
als seine Vorgänger zu bekämpfen. In Italien wird - wenn Monti nicht
stolpert - ein dritter Aspekt der europäischen Revolution greifbar:
Nämlich dass Reformdruck auch Gutes erschaffen kann.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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