(Registrieren)

HAMBURGER ABENDBLATT: Hamburger Abendblatt zur Senkung des Solidaritätsbeitrags

Geschrieben am 31-10-2011

Hamburg (ots) - Ein Kommentar von Christoph Rind

Jeder mag selbst entscheiden, ob er das Gefühl hat, genug Steuern
und Abgaben an den Staat zu zahlen. Aber eines ist gewiss: Unser
Steuersystem ist darauf angelegt, von jeder neuen Gehalts- oder
Lohnerhöhung mehr abzuziehen, als dies zuvor der Fall war. Diese
sogenannte kalte Progression trifft insbesondere die leistungsstarke
Mittelschicht, also genau jene Bevölkerungsgruppe, die durch ihr
Wahlverhalten in erheblichem Maße daran mitgewirkt hat, dass Angela
Merkel in Berlin einer schwarz-gelben Koalition vorsteht. Die
Kanzlerin wäre eine schlechte Wahlkämpferin, wenn sie nicht
irgendwann ein politisches Signal an diese Klientel senden würde. Da
kommt ihr der Druck, die Steuern zu senken, aus jenen Kreisen ihrer
Koalition, die wie CSU und FDP besonders fest im Bürgertum verankert
sind, durchaus gelegen. Doch mal eben die Steuerschraube zu lockern,
ist in einem System schwer möglich, das einen Großteil des
Steuerkuchens nach komplizierten Regeln auf Bund, Länder und
Gemeinden verteilt, zumal diese dabei ein Mitspracherecht haben. Da
bietet sich die Kasse des Solidaritätszuschlags als Wundertüte für
geplagte Steuerzahler geradezu an. Denn dieses Geld steht nur dem
Bund zu, die Bundesregierung kann allein über diesen Topf
entscheiden. Was aus Sicht der Kanzlerin ebenfalls für eine Senkung
des "Soli" spricht: Die Summe ist so überschaubar, dass
überschäumende Begehrlichkeiten schnell an ihre Grenze kommen. Knapp
zwölf Milliarden Euro kassiert der Bund innerhalb eines Jahres an
Solidaritätszuschlag. Die Summe klang mal nach viel Geld. Doch wer
hat in diesen Tagen noch Ehrfurcht vor niedrigen zweistelligen
Milliardenbeträgen? Weit höhere Summen haben uns im Zuge der sich
überbietenden Eurorettungs-Gipfel schwindlig gemacht. Selbst der
gerade bekannt gewordene "Rechenfehler" der HRE-Bad-Bank liegt mit 55
Milliarden Euro deutlich über dem, was der Staat in mehr als vier
Jahren insgesamt an Soli-Einnahmen verbucht. Ob es nur Zufall ist,
dass gerade jetzt die lähmende regierungsinterne
Steuersenkungsdebatte Schub bekommt? Der "Soli" hat sich zudem seit
Langem überlebt. Vor 20 Jahren sollte er - als zeitlich begrenzter
Aufschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer - daran
mitwirken, die Mehrkosten im Zuge der deutschen Einheit zu schultern.
Doch außer dem moralisierend daherkommenden Namen ist davon nichts
mehr geblieben. Das Geld versickert im allgemeinen Haushalt, der
Zuschlag ist nicht solidarischer als Branntwein-, Tabak- oder
Mineralölsteuer. Solidarischer mit den nachfolgenden Generationen,
die unsere in Jahrzehnten aufgetürmten Schuldenberge abtragen müssen,
wäre es allemal, jeden Steuer-Euro jetzt schon dafür einzusetzen, um
das Ziel, 2014 einen ausgeglichenen Staatshaushalt vorzulegen,
tatsächlich zu erreichen. Angesichts aktueller Neuschulden von 1556
Euro pro Sekunde schwant vielen Bürgern und Steuerzahlern: Eigentlich
gibt es keinen Spielraum, Steuern zu senken, solange der Staat die
viel zu hohen Ausgaben nicht im Griff hat. Dass die Bürger zu
Verzicht durchaus bereit sind, wenn ihnen gleichzeitig ein
realistischer Weg aus dem Dilemma des Schuldenstaats gewiesen wird,
hat Kanzlerin Merkel schon mal erfahren. Als Kanzlerin der Großen
Koalition kündigte sie nach der Wahl im Herbst 2005 an, ein gutes
Jahr später die Mehrwertsteuer von ?16 auf 19 Prozent anzuheben. Die
Mehreinnahmen sollten es möglich machen, bis 2011 einen Haushalt ohne
Nettokreditaufnahme, also ohne neue Schulden, aufzustellen. Daraus
ist nichts geworden. Stattdessen gibt es 2012 vielleicht ein kleines
Geschenk aus dem Steuertopf. Ob das ein Grund zur Freude ist, mag
jeder selbst entscheiden.



Pressekontakt:
HAMBURGER ABENDBLATT
Ressortleiter Meinung
Dr. Christoph Rind
Telefon: +49 40 347 234 57
Fax: +49 40 347 261 10
christoph.rind@abendblatt.de meinung@abendblatt.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

360843

weitere Artikel:
  • WAZ: Belgien steigt aus - Kommentar von Knut Pries Essen (ots) - Der Wind weht hierzulande meist von Westen. Dort, im Westen, stehen die belgischen Kernkraftwerke Tihange und Doel, sieben betagte Druckwasser-Reaktoren. Die ältesten sind fast 40 Jahre alt und haben so manchen Störfall hinter sich. Deswegen ist es eine gute Nachricht, dass unsere Nachbarn nun ein betagtes Gesetz zum Abschied von der Atom-Technik aus der Schublade hervorgeholt haben. Atompolitik nach dem Motto "rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln" ist kein deutsches Privileg. Von der Nachricht zum Faktum ist mehr...

  • WAZ: Der Soli schrumpft - Kommentar von Christian Kerl Essen (ots) - Jetzt scheint auch die Koalition das Steuer-Hickhack leid zu sein. Beim Gipfel am Sonntag wird sie wohl auf neue Verzögerungs-Spielchen verzichten und sich gleich für das einzig Machbare zur Entlastung der Bürger entscheiden: die Senkung des Solidaritätszuschlags. Nur die kann Schwarz-Gelb allein beschließen, weil die zwölf Soli-Milliarden im Jahr vollständig dem Bund zufließen und die Länder deshalb kein Mitspracherecht haben. Es ist gut, dass die Koalition die politische Realität bei ihren Steuerplänen nicht länger mehr...

  • "2+Leif": Ex-CSU-Chef Huber will Hartz-IV an Deutschkurse koppeln/Wirtschaft soll mehr für Integration tun Berlin (ots) - Der ehemalige CSU-Vorsitzende Erwin Huber hat in der Integrationsdebatte gefordert, die Höhe von Sozialleistungen an den Erwerb von Deutschkenntnissen zu binden. In der SWR-Talkshow "2+Leif" sagte Huber am Montagabend: "Wer Hartz IV-Leistungen bezieht, ist ja nicht in Arbeit. Ich kann diese Leistung an die Auflage binden, in dieser Zeit einen Deutschkurs zu machen. Und wer ihn nicht macht, der bekommt die Leistung nicht mehr." Ebenfalls im SWR verlangte der ehemalige bayerische Wirtschaftminister größere Integrationsanstrengungen mehr...

  • Ostsee-Zeitung: Kommentar zur Fehlbuchung von 555 Milliarden bei der HRE Rostock (ots) - In Griechenland, hieß es, gehe alles drunter und drüber. Sie wüssten dort nicht, wer Steuern zahlt und warum nur so wenig. Längst Verstorbenen würde man verlässlich die Rente überweisen, und Buchhaltung sei ohnehin etwas, für das es keine griechische Vokabel gibt. Das mag ja alles richtig und mit Recht zu beklagen sein, aber wer auf einmal 55 Milliarden Euro in seinen Büchern entdeckt, nur so, weil etwas falsch verbucht wurde, der sollte sich mit Spott für andere zurückhalten. Ausgerechnet einer deutschen Bank, einer mehr...

  • Ostsee-Zeitung: Kommentar zu Merkel und Mindestlohn Rostock (ots) - Die Neuorientierung beim Mindestlohn folgt der Erkenntnis, dass die CDU ins Abseits geraten ist. Selbst viele Unternehmen halten den Konkurrenzkampf über vom Steuerzahler abgefedertes Lohndumping für ein Ärgernis. Die Volkspartei CDU vollzieht nun nach, was in der Mitte des Volkes längst Mehrheitswille ist. So, wie sie es zuvor in der Familienpolitik, bei der Atomkraft, der Wehrpflicht oder der Transaktionssteuer getan hat, mit der die Spekulanten zur Kasse gebeten werden sollen. Die Steuer wird die Spekulation genauso mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht