(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Europa darf sich nicht aufgeben - Leitartikel

Geschrieben am 24-10-2011

Berlin (ots) - In diesen Tagen wird heftig über Rettungsschirme,
Hebel, Schuldenschnitte und Staatsinsolvenzen zur Rettung
Griechenlands und des Euro gestritten. Dabei geht es nur
vordergründig ums Geld. Zwar ist es richtig, dass die im europäischen
Kasino ins Spiel gebrachten, immer höheren dreistelligen
Milliardenbeträge längst das Vorstellungsvermögen der Bürger - und
auch das vieler Politiker - überstiegen haben. Doch in Wirklichkeit
geht es um noch viel mehr. Es geht um die Zukunft des vereinten
Europa. Um die Existenz einer Gemeinschaft, der wir Europäer nach dem
verheerenden Weltkrieg Frieden und Wohlstand in den vergangenen 60
Jahren verdanken. Diese einzigartige Erfolgsgeschichte steht auf der
Kippe. Weil Vertrauen und Verlässlichkeit zwischen den Partnern
geschwunden sind, die sich von einst sechs auf 27 Mitglieder vermehrt
haben, von denen wiederum 17 am Euro teilhaben. Die EU - das war
bisher eine Wohlfühlgemeinschaft, in der es wirtschaftlich stets
bergauf ging, die grenzenloses Reisen bescherte, in der es
Niederlassungsfreiheit gibt und einen Binnenmarkt, von dem vor allem
der deutsche Export profitiert. Die ärgerliche Brüsseler
Regulierungswut etwa beim Krümmungsgrad der Gurke wurde belächelt
hingenommen. Und bei Griechenlands Aufnahme in den Euro-Klub
großzügig darüber hinweggesehen, dass die Griechen dafür noch gar
nicht reif waren. Jetzt, da sich vieles früher Versäumte rächt und
die EU in ihrer tiefsten Krise steckt, zählen die selbstverständlich
gewordenen Errungenschaften nicht mehr, ja, da wird sogar das ganze
Konstrukt Europa infrage gestellt. Wer spart schon gern, um die
Schulden der anderen zu begleichen? Die Stimmung der Bevölkerung
jedenfalls - und nicht nur die in Deutschland - wendet sich immer
ungenierter gegen den europäischen Einigungsprozess. Europa steht
nicht länger für Wohlstand, sondern für dessen Bedrohung. In dieser
Krise stoßen die unterschiedlichen nationalen Interessen und
Mentalitäten so hart aufeinander wie wohl noch nie zuvor in der EU.
Das macht eine Lösung der Euro-Krise so schwierig und die Menschen so
misstrauisch. Da flüchten sich selbst die deutschen Parlamentarier,
die ansonsten gar nicht laut genug nach mehr europäischer Integration
samt Verzicht auf Souveränitätsrechte rufen, in nationale Vorbehalte.
Nichts anderes ist das erzwungene Einknicken der Kanzlerin vor der
Opposition. Und so wird sie sich am Mittwoch vom Bundestag das Plazet
für eine bestimmte Handlungsoption und damit eingeschränkten
Spielraum für den zweiten, angeblich entscheidenden Euro-Krisengipfel
geben lassen. So verständlich das Beharren der Parlamentarier auf
ihrem Budgetrecht angesichts der Summen, um die es geht, so riskant
die Folgen für die Kanzlerin und uns alle. Der Parlamentsvorbehalt
könnte Merkels Verhandlungsspielraum so einengen, dass es ihr
unmöglich wird, am Mittwoch beim nächsten Euro-Krisengipfel dem
überfälligen Kompromiss zuzustimmen. Schlägt auch der fehl, erweisen
sich die Euro-Staaten und mit ihnen die EU nicht nur unwillig,
sondern auch unfähig zum Kompromiss. Es wäre das Ende eines vereinten
Europa, auf dem einst so viele Hoffnungen ruhten.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

359566

weitere Artikel:
  • Weser-Kurier: Zu Steinbrück/Schmidt Bremen (ots) - Außerdem: Die Strecke bis zur Wahl in zwei Jahren ist noch lang, und niemand weiß, ob Steinbrück nicht zu früh die Puste ausgeht. Nicht umsonst gilt es als ungeschriebene Regel, dass diejenigen, deren Namen zuerst genannt werden, auch als erste auf der Strecke bleiben. Im Moment jedoch kann der SPD kaum etwas besseres als Steinbrück passieren. Ihm werden nicht nur Wirtschaftskompetenz und Führungsstärke zugeschrieben, er hat auch noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: In Zeiten der Euro-Krise, wo Politiker kaum mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zum SPD-Kanzlerkandidaten Halle (ots) - Die "K-Frage" der SPD ist mithin nicht beantwortet. Muss sie auch nicht. Ob die Kandidatendebatte "gut" für die SPD ist, wie Gabriel behauptete, sei dahin gestellt. Schaden wird sie ihr nicht. Der mediale Auftrieb um Steinbrück wird abebben, die beiden anderen bleiben im Gespräch, Abnutzungserscheinungen sind für keinen der drei zu befürchten. Wenn Schwarz-Gelb weiter macht wie bisher, bleibt die Lage für die SPD so oder so wie sie ist: günstig. Pressekontakt: Mitteldeutsche Zeitung Hartmut Augustin Telefon: mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Jobcenter-Affaire in Merseburg Halle (ots) - Nach dem Rücktritt des 43-jährigen Schimek bleiben viele drängende Fragen offen. Offenbar war zahlreichen Politikern im Saalekreis bekannt, dass Schimek auf gleich mehreren Hochzeiten tanzte. Aber warum wurde niemand von ihnen stutzig? Wie kann man eine der wichtigsten Behörden im Süden des Landes führen und nebenbei noch Chef anderer Firmen sein? Das ist eigentlich undenkbar. Im Saalekreis ging das aber jahrelang gut. Mit dem Rückzug Schimeks aus seinem Amt ist der Fall also noch lange nicht erledigt. Pressekontakt: mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum SPD-Kanzlerkandidaten Bielefeld (ots) - Helmut Schmidt finden alle gut. Besonders seitdem er seine Ämter hinter sich gelassen und in Talkshows und Büchern die Welt erklärt, zählt der Altkanzler in Umfragen stets zu den angesehensten Politikern. Aber jetzt hat Schmidt seinen Einfluss überschätzt. Fast zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl den früheren Bundesfinanzminister Peer Steinbrück als den richtigen SPD-Kanzlerkandidaten auszurufen, musste den Widerspruch aus der Parteispitze und dem linken Flügel herausfordern. Die Genossen wollen selbst über mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Islamisten Bielefeld (ots) - Der politische Islam ist auf dem besten Wege, als Haupterbe aus dem arabischen Frühling hervorzugehen. Die Wahlen in Tunesien, der Jubel in Libyen zugunsten der Scharia und die Entwicklung in Ägypten setzen klare Signale. Die streng religiösen Untertöne beim Festakt zum siegreichen Ende des libyschen Aufstands am Sonntag in Bengasi waren überraschend. Der Vorsitzende des Übergangsrats Abdul Dschalil war weder dem Westen noch liberalen Libyern bisher als Hardliner aufgefallen. Aber das muss noch nicht das letzte mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht