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Mittelbayerische Zeitung: Zum EU-Ostgipfel: Schwer erziehbar / Viele osteuropäische Nachbarn - allen voran Weißrussland - fordern die EU heraus.

Geschrieben am 30-09-2011

Regensburg (ots) - Allen gut gemeinten Gipfel-Worten zum Trotz:
Die östlichen Nachbarstaaten hängen der EU derzeit wie Mühlsteine am
Hals. Der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko hat sein Land
in den wirtschaftlichen Abgrund manövriert und seine Bürger zu
Prügelknaben degradiert. In der Ukraine hat Präsident Wiktor
Janukowitsch auch die letzten, ohnehin verblühenden Pflänzchen der
Orangenen Revolution wie Unkraut ausgerupft. Nun versucht er sich in
gelenkter Demokratie à la Putin. In Georgien hat der einstige
Hoffnungsträger Michail Saakaschwili erst ein irrwitziges
Kriegsabenteuer mit Russland vom Zaun gebrochen und sich anschließend
kaum weniger brutal die aufbegehrende Opposition im Innern
vorgeknöpft. Armenier und Aserbaidschaner halten es seit dem Zerfall
der UdSSR ebenfalls lieber mit autoritärer Herrschaft als mit
Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Bleibt unter den Ländern, die
Brüssel zu seinen privilegierten Partnern im Osten erkoren hat, das
kleine Moldawien - immerhin eine Art Musterschüler in dieser Klasse
schwer Erziehbarer. Wäre es nicht von so existenzieller Bedeutung für
die EU-Europäer, läge es nahe zu sagen: Macht euren Murks allein.
Schließlich hat es in Brüssel in der Vergangenheit selten an Geld und
gutem Willen gemangelt. Beides floss reichlich nach Osten. Gut
möglich, dass die Lage in der Ukraine heute eine andere wäre, wenn
die EU den Orangenen Revolutionären in Kiew nach ihrem Sieg 2004 eine
klarere europäische Perspektive geboten hätte. Doch letztlich sind
Julia Timoschenko und Wiktor Juschtschenko an ihrem übersteigerten
Ehrgeiz gescheitert und nicht an mangelnder Hilfsbereitschaft im
Westen. Nun also will die EU trotz alledem Assoziierungsabkommen erst
mit der Ukraine und später mit den anderen östlichen Partnern
abschließen. Das bedeutet Freihandel und Reisen ohne
Visabeschränkungen. Man kann es keinem EU-Bürger verdenken, wenn ihm
bei dieser Vorstellung angst und bange wird. Wenn in Kiew die
Korruption blüht, Oligarchen die Wirtschaft und die Medien
beherrschen und ein Präsident seine Kontrahenten kurzerhand
einkerkern kann - was haben wir dann von seinen Landsleuten zu
erwarten? Und dennoch führt schon aus Eigennutz kein Weg an dem
Versuch vorbei, die Nachbarn im Osten näher an die EU zu binden. Die
Alternative wäre es, an der Schengengrenze im übertragenen Sinne oder
eines Tages sogar buchstäblich eine neue Mauer zu errichten und die
ehemaligen Sowjetrepubliken einmal mehr an Moskau auszuliefern.
Festungsbauten aber haben in der Geschichte selten zu Frieden,
Freiheit und Wohlstand geführt - selbst wenn sie anfangs nur zu
Verteidigungszwecken gebaut wurden. Vergegenwärtigen wir uns lieber
die positive Entwicklung, die jene Länder mit Riesenschritten
genommen haben, die nach 1989 der EU zustreben durften und 2004
beigetreten sind. Das beste Beispiel ist Polen, das Gastgeberland des
Ost-Gipfels. Wie groß waren die Ängste im Westen, als 2007 die
Schengengrenze fiel und zuletzt im vergangenen Mai der Arbeitsmarkt
geöffnet wurde! Passiert ist nichts, was im Falle der
Arbeitnehmerfreizügigkeit sogar zu langen Gesichtern bei westlichen
Unternehmern führte, die auf einen Zustrom von Fachkräften gehofft
hatten. Das Wirtschaftswunderland Polen boomt, und die
exportfreudigen Westeuropäer verdienen daran kräftig mit. Eine solche
Entwicklung ist in der Ukraine oder Georgien und erst recht in
Weißrussland nicht so schnell zu erwarten. Aber jeder lange Weg
beginnt mit einem ersten Schritt. Die EU hat dem Ukrainer
Janukowitsch in den vergangenen Wochen glasklare Bedingungen für die
Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens gestellt. So viel Druck war
selten. In Warschau nahm Bundeskanzlerin Angela Merkel Janukowitsch
erneut ins Gebet. Derzeit deutet viel darauf hin, dass er sich dem
westlichen Diktat beugen und seine Jagd auf die Opposition einstellen
wird. Keine Frage: Der Ukrainer muss jetzt liefern. Tut er das aber,
sollte Brüssel nicht zögern und den ersten Schritt wagen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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