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Die neue Feinstaubgefahr - Autoindustrie kämpft für schmutzige Benziner

Geschrieben am 23-09-2011

Berlin (ots) - Pressemitteilung

Benzinmotoren mit Direkteinspritzung verschärfen das
Feinstaubproblem in Ballungszentren - Deutsche Umwelthilfe und
Verkehrsclub Deutschland fordern einheitliche Grenzwerte für Diesel
und Benziner - Wissenschaftliche Unterstützung von Epidemiologen
Prof. Erich Wichmann vom Helmholtz Zentrum München -
Automobilindustrie will bei Benzinern zehnmal höheren
Partikelgrenzwert als bei Dieselmotoren - DUH kündigt Klagen gegen
lasche Umweltzonen an

"Ich würde sagen, dass das Auftreten der ökologischen Bewegung
seit den 70er Jahren ... ein Schrei nach frischer Luft gewesen ist
und bleibt, den man nicht überhören darf" - Papst Benedikt XVI am
22.9.2011 vor dem Deutschen Bundestag.

Jahrelang bestimmte die Debatte über Feinstaubpartikel aus
Dieselmotoren die Luftreinhaltepolitik in Deutschland und der EU. Nun
stehen die Benziner im Fokus. Seit bei den Neuzulassungen Ottomotoren
mit Direkteinspritzung boomen, wächst eine neue Gefahrenquelle für
die Luftreinhaltung heran. Die neuen Benziner emittieren ultrafeine
Partikel in weit größerer Zahl als gefilterte Dieselmotoren. Auf
deren besonders gesundheitsgefährdende Wirkung haben die Deutsche
Umwelthilfe e. V. (DUH) und der ökologische Verkehrsclub Deutschland
(VCD) hingewiesen und der deutschen Autoindustrie vorgeworfen, in
alte Reaktionsmuster zurückzufallen. Nach Informationen der Verbände
kämpfen der europäische Automobilverband ACEA und der deutsche
Partnerverband VDA bei den auf die Partikelanzahl bezogenen
Grenzwerten für zehnfach erhöhte Werte für Ottomotoren mit
Direkteinspritzung im Vergleich zum Diesel und um eine Verzögerung
der Einführung bis 2017.

Unterstützung erhielten DUH und VCD anlässlich einer gemeinsamen
Pressekon-ferenz vom Leiter des Institutes für Epidemiologie des
Helmholtz Zentrum München, Professor Erich Wichmann. Der Mediziner
und Epidemiologe sowie Autor zahlreicher Studien zum Thema erläuterte
die in vielen Untersuchungen im In- und Ausland immer wieder
nachgewiesenen schweren und oftmals tödlichen Gesundheitswirkungen
gerade der feinsten und deshalb extrem "lungengängigen" Partikel.
Wichmanns Resümee: "Wenn Benzinmotoren mit Direkteinspritzung die
Emissionsgrenzwerte für Diesel-Pkw überschreiten, müssen sie aus
gesundheitlicher Sicht genauso streng behandelt werden wie
Dieselfahrzeuge. Das ist nur logisch." Tatsächlich hatten kürzlich
Messungen des ADAC im Auftrag des Verkehrsclub Deutschland VCD und
der Deutschen Umwelthilfe DUH bestätigt, dass moderne Benzinmotoren
mit Direkteinspritzung einen Ausstoß von ultrafeinen Partikeln
aufweisen, der 30 mal über dem für Diesel zulässigen Wert liegt.

Direkteinspritzende Benziner sind bereits seit 1997 auf dem Markt
und werden seit 2001 von europäischen Herstellern in nennenswerten
Stückzahlen auf die Straße gebracht. Aufgrund des Einsparpotenzials
beim Benzinverbrauch lösen Direkteinspritzer nach und nach den
klassischen Benziner ab. Michael Müller-Görnert, Referent für
Verkehrspolitik beim VCD erklärte, aus Sicht des Klimaschutzes und
der Ressourcenschonung sei die Direkteinspritzung eigentlich zu
begrüßen. Müller-Görnert: "Allerdings hat der VCD bereits in seiner
Auto-Umweltliste 2002/2003 auf die mit der Direkteinspritzung
verbundenen Probleme des erhöhten Ausstoßes von Feinpartikeln
hingewiesen und einen entsprechenden Grenzwert gefordert. Passiert
ist bis heute nichts." In der aktuellen VCD Auto-Umweltliste
2011/2012 erhielten direkteinspritzende Benziner einen Punktabzug.

Derzeit plant die EU einen Grenzwert für die Partikelanzahl, der
mit Einführung der Abgasstufe Euro 6 ab 2014 bei direkteinspritzenden
Benzinern gelten soll. "Die Automobilindustrie hat aus dem Debakel um
die Einführung des Partikelfilters für Dieselmotoren nichts gelernt.
Es geht ihr einzig um Profitmaximierung. Obwohl sie die von ihren
Motoren ausgehenden Gesundheitsgefahren genauso kennt wie die
mögliche technische Lösung, will sie sich die damit verbundenen
Kosten sparen", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Statt
das Problem zu lösen, ignorieren die Autohersteller erneut die
dramatischen Gesundheitsfolgen für Bürgerinnen und Bürger."

In einem aktuellen Lobby-Papier schlägt der Europäische Verband
der Automobilindustrie (ACEA) für die Partikelzahl bei
direkteinspritzenden Benzinern einen Grenzwert von 6 x 1012, also 6
Billionen Teilchen pro Kilometer vor, der den bereits seit Anfang
September (2011) geltenden Wert für Diesel-Pkw um das Zehnfache
übertreffen und letztlich dazu führen würde, dass das Abgas der
Motoren nicht wirksam gefiltert werden müsse. Der Grenzwert soll
zudem erst 2017 eingeführt werden. "Dabei stehen längst auch für
Benziner marktfähige und kostengünstige Partikelfilter-Technologien
zur Verfügung. Sie sind seit Jahren `Stand der Technik` und müssen
zur Verringerung des verkehrsbedingten Feinstaubproblems zum Standard
bei diesen Motoren werden", erklärte Resch.

DUH und VCD fordern mit der ab 2014 geltenden Abgasstufe Euro 6
ergänzend einen Grenzwert für die Partikelanzahl bei
direkteinspritzenden Benzinern analog zu dem für Diesel bereits
eingeführten. Dabei müsse sichergestellt sein, dass der Wert auch
außerhalb des genormten Fahrzyklus eingehalten werde.

Resch warf den Autoherstellern vor, mit ihrem Vorschlag eines um
den Faktor zehn höheren Grenzwerts für direkteinspritzende Benziner
als für Diesel-Pkw "genau dieselbe ignorante Verweigerungshaltung an
den Tag zu legen, wie vor zehn Jahren beim Dieselpartikelfilter und
zuvor schon in den 1980ern vor der Einführung des Katalysators."
Sollten die Autohersteller keine Einsicht zeigen, drohe die paradoxe
Situation, dass Benziner bald mehr Feinstaub ausstießen als moderne
Dieselmotoren - und erneut eine mehrjährige erbitterte
Auseinandersetzung.

Der DUH-Bundesgeschäftsführer erinnerte daran, dass die
Feinstaubbelastung in den Ballungszentren in den meisten EU-Ländern
nach wie vor das mit Abstand schwerwiegendste Luftreinhalteproblem
darstelle. Dies bestätigten die Arbeiten von Professor Wichmann und
zahlreicher anderer Studien. Deshalb müssten die inzwischen rund 50
Umweltzonen in Deutschland bis Ende 2012 alle so "scharf gestellt"
werden, dass nur noch Fahrzeuge mit grüner Feinstaubplakette
einfahren dürften. Notfalls werde die DUH dies vor den Gerichten
durchsetzen. Auch die Wiederaufnahme der Nachrüstförderung für
Dieselpartikelfilter, die die Bundesregierung derzeit
erfreulicherweise vorbereite, werde einen Beitrag zur Entlastung der
Innenstädte leisten, sagte Resch.

Die Unterlagen von Prof. Wichmann können unter folgendem Link
abgerufen werden:
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2690



Pressekontakt:
Prof. Dr. Dr. H.-Erich Wichmann, Helmholtz Zentrum München,
Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg - München, Tel. 089 3187-40
66, Fax: 089 3187-44 99, E-Mail: wichmann@helmholtz-muenchen.de

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0, Mobil: 0171
3649170, resch@duh.de

Michael Müller-Görnert, Referent für Verkehrspolitik, Verkehrsclub
Deutschland e.V., Rudi-Dutschke-Str. 9, 10969 Berlin,
Tel.: 030 280351-0, Fax 030 280351-10,
E-Mail: michael.mueller-goernert@vcd.org

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Deutsche Umwelthilfe e. V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: 030 2400867-0, Mobil: 0171
5660577, Fax: 030 2400867-19, E-Mail: rosenkranz@duh.de


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