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BERLINER MORGENPOST: Macht endlich die Schule zum Thema - Leitartikel

Geschrieben am 14-08-2011

Berlin (ots) - Wenn heute früh viele Berliner Eltern ihre Kinder
für die Schule fertig machen und anschließend auf dem Weg zur Schule
all die Wahlplakate sehen, dann sind sie um eine Erkenntnis reicher:
Die verfehlte Schulpolitik ist in der Hauptstadt kein Wahlthema.
Obwohl darüber unter Eltern heftig und kontrovers diskutiert wird.
Sei es das Scheitern von JüL (Jahrgangsübergreifendes Lernen); die
hektische Einführung der Sekundarschulen; die hilflose Fixierung auf
den Notendurchschnitt, wenn es um den Wechsel von der Grund- zur
weiterführenden Schule geht; sei es der Wegfall des Wohnortprinzips
oder der Geschwisterregelung - all das sind Aufreger, über die man in
diesem Sommer bei jeder Gartenparty locker mit anderen Eltern ins
Gespräch kommt. Viele sind unzufrieden. Trotzdem, und hier kommt die
bittere Erkenntnis: Ein großes Thema ist die Schulpolitik im
Wahlkampf nicht. Die Berliner Schulmisere findet auf den Plakaten
kaum statt. Was bieten die Parteien uns Eltern an? Der Regierende
Bürgermeister und seine SPD eine völlig politikfreie Wohlfühlkampagne
("Berlin verstehen"). Auch die Opposition schnurrt sanft. "Renate
sorgt für bessere Bildung" steht bei den Grünen, Frau Künast zeigt
sich von Kita-Kindern aller Berliner Hautfarben umringt. Und Frank
Henkel erzählt in seinem Wahlspot zu melodischer Klaviermusik
ausführlich, wie stolz er auf Berlin ist, um dann in einem mageren
Halbsatz zu erklären, auch für die "verunsicherten Eltern und
Schüler" sei er da. Alles bleibt vage, unkonkret. Dabei mangelt es
nicht an konkreten Kritikpunkten. Was ist los? Ist Schule etwa nicht
wahlkampftauglich, das Thema nicht wichtig genug? In Hamburg hatte
Ole von Beust (CDU) sein Schicksal als Bürgermeister an eine
ungeliebte Schulreform geknüpft. Als die per Volksentscheid in der
ursprünglichen Form scheiterte, trat er zurück. In Baden-Württemberg
war es eine der ersten Taten der rot-grünen Regierung, die
Studiengebühren abzuschaffen. Genauso plant es Nordrhein-Westfalen.
Fazit: Schule und Bildung sind hochpolitische Themen - nur nicht in
Berlin. Warum nicht? Wo doch so viele Berliner Eltern unzufrieden
sind. Zu wenige Lehrer, zu schlechte Bildung. Lässt sich daraus für
die Opposition keine politische Kraft gewinnen? Das Problem und
zugleich der einzige Trost an der Berliner Schulpolitik ist: Sie
lässt Schlupflöcher. Wen die Bildung seines Kindes interessiert, der
findet Schleichwege. Vorbei am Behördenwahnsinn, an der
Sekundarschule, ab aufs grundständige Gymnasium; vorbei an JüL,
hinein in eine der Internationalen Schulen. Oder zu Waldorf und
Montessori. Und wer wirklich freie Schulwahl will, der trimmt sein
Kind mit Nachhilfe notenfit. Viele Schleichwege in die erste
Bildungsklasse kosten Geld, das nur betuchte Eltern haben. Den
anderen bleibt die zweite Klasse - eine Ungerechtigkeit, die der
rot-rote Senat gern schweigend in Kauf nimmt. Hauptsache, die
bürgerlichen Eltern sind halbwegs ruhiggestellt. So mogeln sich alle
durch. Denn wären die Eltern mit dem höheren Einkommen richtig
unzufrieden, würden sie Krach schlagen - so wie die Hamburger per
Volksentscheid. Dann würde die chaotische Berliner Schulpolitik
endlich zum wahlentscheidenden Thema. Das wäre gut für alle.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Chef vom Dienst

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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