(Registrieren)

WAZ: Aufstand von ganz unten. Leitartikel von Jasmin Fischer

Geschrieben am 09-08-2011

Essen (ots) - Was steckt hinter den Unruhen in England? Eine erste
Parallele drängt sich fast auf: Mal wieder hat Großbritannien eine
konservative Regierung, die die Sozialausgaben zusammenstreicht - und
mal wieder brennt die Straße. David Camerons Tottenham kommt wie
Margaret Thatchers Brixton daher: So wie sich vor genau 30 Jahren der
Zorn junger Schwarzer in Südlondon auf die Metropolitan Police
entlud, so sieht es derzeit auch in Nordlondon aus.

Doch wer diesen vorschnellen Vergleich zieht, kennt Tottenham
nicht. Und er kennt Tottenham nicht, weil es schon seit Jahrzehnten
eine No-Go-Zone ist - und nicht erst seit dem Regierungssieg der
Thatcher-Erben 2010. Vor Tottenham haben die Hauptstädter die Augen
schon immer am liebsten verschlossen: Das Viertel ist unsicher,
uninteressant und unattraktiv. Investiert wird lieber anderswo - nahe
der Touristenmagneten im Zentrum oder am neuen Olympia-Stadion.

90 Prozent der Bewohner sind Zuwanderer. Jeder Zehnte hier ist
arbeitslos - doppelt so viele Menschen wie im Landesdurchschnitt.
Tottenham lebt seit Jahrzehnten in einer Rezession. Ein Funke hat
gereicht, um hier den Frust lichterloh zu entflammen. Schade, dass
erst der Flächenbrand, der nun durch viele weitere,
unterprivilegierte Stadtteile walzt, das Land zwingt, sich um seine
Schmuddelkinder zu kümmern.

Ein Zitat von Martin Luther King ist in diesen Tagen oft zu hören.
Es lautet: "Unruhen sind die Stimmen der Ungehörten." Die Gewalt der
Randalierer ist nicht zu rechtfertigen, auch nicht durch die weisen
Worte des Bürgerrechtlers. Sie ist doppelt töricht, weil die
Ausgegrenzten jenen schaden, die selber wenig besitzen: Hunderte
ebenfalls arme Familien haben durch Brandstifter ihre letzten
Habseligkeiten, ihr Zuhause verloren. Die Krawalle werden sich aber
so lange wiederholen, bis die Politik den Unruhestiftern Gehör
schenkt. Dafür braucht es ein Gesprächsangebot. Die Signale, die
Premier David Cameron indessen sendet, sind alles andere als das: Er
droht den Randalierern mit der vollen Härte des Gesetzes. Doch
zusätzliche Polizisten bedeuten nur zusätzliche Straßenkämpfe.

Fazit: Das Land braucht dringend einen Waffenstillstand. Cameron
hat keine Zeit, denn es stellt sich die Frage, wie er bei den
Olympischen Spielen 2012 für Sicherheit sorgen will, wenn es nur ein
paar Hundert Teenager braucht, um Tausende Polizisten, Straßenzüge
und Städte zu paralysieren.



Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

346433

weitere Artikel:
  • Lausitzer Rundschau: Das richtige Maß Energie Cottbus und die neue Sicherheitsepoche Cottbus (ots) - Als Energie Cottbus in die Zweitligasaison 2011/12 gestartet ist, war dies für Ordner, Security-Firmen und Umfeld, aber auch für Fans, der Beginn einer neuen Sicherheitsepoche. Denn nach einigen Zwischenfällen in der Vorsaison ordnete der DFB das Ostderby gegen Dynamo Dresden als "Hochsicherheitsspiel" ein. Bestandteil des verschärften Sicherheitskonzeptes: Zuschauer mit Fan-Utensilien dürfen nicht in die Blöcke der gegnerischen Anhänger. Konfliktpotenzial soll damit im Keim erstickt werden. Vier Wochen später nun mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Röslers bunte Pillen Der Wirtschaftsminister und die Euro-Krise Cottbus (ots) - Am Tag Zwei der wilden Dax-Kapriolen meldete sich am Dienstag endlich ein Vertreter der urlaubenden Bundesregierung zu Wort, Vizekanzler Philipp Rösler, Zivilberuf Arzt, und verteilte - ja was eigentlich? Bunte Beruhigungspillen? Mehr ist das nun schon mehrfach erneuerte Versprechen, die Beschlüsse der EU zur Stützung verschuldeter Staaten auch tatsächlich umzusetzen, nicht. Ein Gegenmittel? Das kann Röslers Konzept für den künftigen Umgang mit den Schulden in Europa schon deshalb nicht sein, weil es erst langfristig mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Börsencrash Bielefeld (ots) - Die ersten Ökonomen spielen mit dem Gedanken, ein bisschen Inflation könne den Staaten in der Schuldenkrise helfen. Dabei haben die Regierungen in den USA und Europa in der Praxis längst genau diesen Weg eingeschlagen. Erst steigen die Zinsen für Staatsanleihen, dann für Unternehmens- und Privatkredite, dann die Preise. Für die Politiker ist Inflation gegenüber dem Wähler leichter zu vertreten als eine rigide Sparpolitik und/oder Steuererhöhungen. Doch dieser auf den ersten Blick einfache Weg führt nur weiter ins mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den Krawallen in England Bielefeld (ots) - Es sind Bilder wie aus einem Bürgerkrieg: Jugendliche randalieren, Straßenzüge brennen, Fußballspiele werden abgesagt, und die Presse spricht von einer neuen »Schlacht um England«. Die Plünderungen und Krawalle von London, Birmingham und Liverpool erschüttern das Land und enthüllen die vielen sozialen und wirtschaftlichen Probleme. Doch der britische Premierminister Cameron verdrängt die Hintergründe der Krise, fordert mehr Polizisten, nennt die Randalierer »Kriminelle« und verspricht harte Strafen. Eine kreative mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: zur Gewalt in London Stuttgart (ots) - In London wütet der twitternde Mob, plündert, raubt und brandschatzt der jugendliche Pöbel - aus Frust, aus Wut, aus Spaß. Die Randale und Krawalle sind keine Proteste unterdrückter Schichten. In Tottenham rotten sich kriminelle Energien zusammen, die zerstören wollen. Ausnahmslos. Der Ruf nach politischen Angeboten ist daher naiv. Es gibt nichts, wofür Verständnis aufgebracht werden müsste. Die sinnlose Gewalt, die in Tottenham nicht zuletzt alle anderen Benachteiligten trifft, muss gebrochen, muss besiegt werden mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht