(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Kommentar/Leitartikel der Mittelbayerischen Zeitung Regensburg zur Steuerdiskussion

Geschrieben am 02-08-2011

Regensburg (ots) - Schulden und Gerechtigkeit

Erst im Herbst sagt die Koalition, wo Steuern gesenkt werden. Ein
Thema für die politische Sommerbühne.

Die Merkel, Rösler und Seehofer wollten Christkind und
Weihnachtsmann zugleich spielen. Noch vor der Sommerpause verkündeten
die Spitzen der Koalitionsparteien, dass im Herbst, gleich nach der
Steuerschätzung, dem Volk mitgeteilt werde, wo genau und wie viel
Steuern für untere und mittlere Einkommen gesenkt werden sollen. Mit
anderen Worten, die Schwarz-Gelben haben das Päckchen schon
eingewickelt. Hineinschauen aber darf der Bürger noch nicht. Das ist
nicht nur eine seltsame Form von herrschaftlicher
Ankündigungs-Politik - und somit demokratischen Spielregeln
zuwiderlaufend, vor allem Transparenz - , sondern auch taktisch ein
Schuss in den Ofen. Wenn die Drei von der schwarz-gelben Zankstelle
meinten, mit einer hohlen Ankündigung das Thema Steuersenkungen von
der politischen Sommerbühne nehmen zu können, haben sie sich
gründlich getäuscht. Genau dort wird es zurzeit aufgeführt. Mal als
Komödie, mal als Drama. Mal alles in einem. Soll man nun lachen oder
weinen, wenn Merkel der siechenden FDP erlaubt, ihr einstiges
Lieblings-Thema im neuen Gewande zu präsentieren? Die politische
Absicht hinter dem Steuersenkungs-Deal ist so vordergründig, dass sie
jedem ins Auge springen muss. Man reibt sich höchstens verwundert die
Augen, dass die Schwarz-Gelben dieses Motiv nicht einmal zu
verschleiern suchen. Diese Koalition muss bis 2013 zusammenhalten,
komme, was da wolle. Interessanterweise kreuzen sich die Interessen
der drei Parteien bis zum Jahr der Bundestagswahl: Merkel hofft, dass
die CDU bis dahin wieder Luft unter die Flügel bekommt und dass der
grün-rote Höhenflug beendet ist. Die Rösler-Liberalen indes zünden
jeden Tag eine Kerze an, dass sie als politische Kraft erhalten
bleiben mögen. Und die Seehofer-CSU will sich notfalls auch auf
Kosten der Berliner Koalition für die nächste Landtagswahl im
Freistaat - vielleicht sogar mit der Bundestagswahl zusammen - fit
machen. Etwas mehr Steuergerechtigkeit für die kleinen Leute wird der
CSU-Chef dabei gewiss an die weiß-blauen Fahnen heften. Abseits
dieser politischen Sandkastenspiele bestimmen vor allem zwei Fakten
die steuerpolitische Situation: Erstens steht der deutsche Staat mit
rund zwei Billionen Euro in der Kreide. Täglich müsen Bund, Länder
und Kommunen fast 100 Millionen Euro für den Schuldendienst
hinblättern. Angesichts dieses Schuldendesasters verbieten sich
Steuersenkungen eigentlich von selbst. Doch die Betonung liegt auf
"eigentlich". Denn zweitens ist es unbestreitbar, dass der derzeitige
Aufschwung an den unteren Einkommen nahezu spurlos vorbei geht. Etwas
mehr Brutto wird noch dazu von der kalten Steuerprogression
aufgefressen. Allerdings müssen dringend angezeigte Entlastungen auch
gegenfinanziert werden. Steuersenkungen auf Pump verbieten sich.
Nicht nur wegen der bald greifenden Schuldenbremse, sondern auch aus
Gründen der Generationengerechtigkeit. Wohin es führt, wenn ungeniert
öffentliche Schulden aufgetürmt werden, zeigen leidvoll gerade die
USA. Auf der anderen Seite dürfen kleine Steuerentlastungen in
Deutschland nicht dadurch konterkariert werden, dass etwa
Sozialbeiträge, Kita-Gebühren oder Eintrittspreise in öffentliche
Einrichtungen steigen. Und dass sich eine Steuerreform quasi von
allein finanziert, glaubt wohl nur FDP-Wunder-Heiler Philipp Rösler.
Statt neue Beiträge fürs Sommertheater zu liefern, sollten die
Berliner Koalitionäre endlich Nägel mit Köpfen machen, den Haushalt
konsolidieren und an einigen Stellen entlasten.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

345361

weitere Artikel:
  • Westdeutsche Zeitung: Bei der Altenpflege droht der Notstand = Von Wolfgang Radau Düsseldorf (ots) - Es geht um viel Geld, und deshalb schleichen die Koalitionspolitiker um das Thema herum wie die Katze um den heißen Brei. Die Rede ist von einer Reform der Pflegeversicherung, die Schwarz-Gelb am liebsten in die nächste Legislaturperiode verschieben möchte. Nur der Notstand in der Altenpflege - der wächst unaufhaltsam. Bereits heute, so sagt der Bundesverband der privaten sozialen Dienste, fehlen in Deutschland 30 000 ausgebildete Altenpfleger. In zehn Jahren werden es bereits 300 000 sein. Private Dienste mehr...

  • Märkische Oderzeitung: Agenturmeldung der Märkischen Oderzeitung Frankfurt (Oder) Frankfurt/Oder (ots) - In der Märkischen Oderzeitung erscheint in der morgigen Ausgabe ein Interview mit der brandenburgischen CDU-Vorsitzenden Saskia Ludwig. Darin sagt sie unter anderem, dass alle DDR-Staatsanwälte nach der Wende hätten entlassen werden müssen. Lothar de Maiziere bezeichnete Ludwig angesichts der Stasi-Vorwürfe als früheren CDU-Landesvorsitzenden als untragbar. Potsdam. Staatsanwälte, die bereits zu DDR-Zeiten im Amt waren, hätten nach Auffassung von CDU-Chefin Saskia Ludwig nicht übernommen werden sollen. mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Unzufriedenheit der Berufstätigen wächst Inhaltsloses Fremdwort JÜRGEN JUCHTMANN Bielefeld (ots) - Welcher Arbeitnehmer klagt eigentlich dieser Tage nicht über wachsende Belastung im Beruf? Immer weniger Personal in vielen Betrieben, gleichwohl deutlich höhere Leistungsanforderungen an den Einzelnen bei seit Jahren sinkenden Reallöhnen. Kein Wunder, dass vor diesem Hintergrund die Arbeitszufriedenheit der Deutschen deutlich abnimmt. Work-Life-Balance, der Ausgleich zwischen Arbeit auf der einen und Familie und Freizeit auf der anderen Seite, bleibt für viele nur ein inhaltsloses Fremdwort. Über all dem schwebt mehr...

  • Berliner Zeitung: Inlandspresse - keine Vorabmeldung Die "Berliner Zeitung" zum BGH-Unterhaltsurteil Berlin (ots) - Das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs konsequent. Wer ein Kind im Grundschulalter hat, verliert seinen Anspruch auf Unterhalt und kann arbeiten gehen - eben auch in Vollzeit. Wenn das Kind, wie im verhandelten Fall, an einer Ganztagsschule betreut werden kann, entfällt das Argument, der Geschiedene müsse sich nachmittags um das Kind kümmern. Dass die jüngsten Urteile zum Unterhaltsrecht Aufregung auslösen, hängt vor allem damit zusammen, dass erst jetzt den meisten bewusst wird, welche Tragweite die Reform der mehr...

  • Berliner Zeitung: Inlandspresse - keine Vorabmeldung Die "Berliner Zeitung" über die Perspektiven der Türkei Berlin (ots) - Die Türkei droht nach der Abschüttelung der militärischen Vormundschaft in einen neuen Autoritarismus abzugleiten. Noch gibt es keine zivile Kraft, die sich glaubhaft als Machtalternative präsentieren könnte. Andererseits hat die Türkei heute eine lebendigere Zivilgesellschaft denn je. Aus ihr könnte durchaus der politische Druck kommen, der eine weitere politische Öffnung erzwingt. Um die demokratischen Errungenschaften abzusichern, braucht die Türkei eine neue Verfassung, die Erdogan auch schon angekündigt hat. Noch mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht