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WAZ: Besserwissen macht nicht satt. Leitartikel von Johannes Dieterich

Geschrieben am 27-07-2011

Essen (ots) - Da sind sie wieder: Die Bilder von den
ausgehungerten Kindern. Solche Szenen hatte man in diesem Jahrhundert
nicht mehr erwartet: Hatten Technologen nicht das Ende altertümlicher
Hungersnöte erklärt? Wurde nicht soeben - auch von der
Afrikareisenden Angela Merkel - die Renaissance des
Aschenputtel-Kontinents ausgerufen?

Vielleicht auch deshalb unterscheidet sich die Reaktion auf die
erste Hungersnot der Welt seit einem Vierteljahrhundert: Statt die
Geldbörsen zu zücken, zeigt man lieber mit dem Finger. Die Schuldigen
für den "Hunger-Skandal" werden etwa unter den Entwicklungshelfern
ausgemacht, die es versäumt hätten, die betroffenen Staaten vor
Nahrungsmittel-Engpässen zu bewahren. Oder unter den afrikanischen
Politikern, die nur an Selbstbereicherung interessiert seien. Oder in
den somalischen Islamisten, die über Leichen gingen. Oder in der
internationalen Gemeinschaft, die wieder mal viel zu spät auf die
Katastrophe reagiert habe.

An all dem ist etwas dran. Dazu kommt: Keine Krisenregion der Welt
hat in den vergangenen 20 Jahren weniger Aufmerksamkeit erfahren als
das Horn von Afrika. Nachdem die UN-Mission "Restore Hope", die neben
Nahrungsmitteln auch Stabilität bringen sollte, Anfang der 90er-Jahre
gescheitert war, hatte sich der Westen zurückgezogen: Das Land wurde
raffgierigen Kriegsfürsten, feurigen Gottesmännern und gewissenlosen
Piraten überlassen. Die somalische Bevölkerung machte durch, was in
anderen Teilen der Welt kein Mensch für möglich halten würde: Der
derzeitige Exodus der Ausgehungerten ist der Höhepunkt einer Tragödie
von epischem Ausmaß. Im Westen war praktisch unbekannt, dass in
Mogadischu schon vor der Hungersnot ein brutaler Häuserkampf tobte:
ein blinder Fleck im globalen Dorf.

Damit steht Somalia auch für ein grundsätzlicheres Phänomen.
Obwohl die Globalisierung wirtschaftlich längst Tatsache ist,
somalische Piraten dem Welthandel erhebliche Schäden beibringen und
somalische Gotteskämpfer den Weltfrieden mit Selbstmordattentaten zu
zerstören drohen, pflegen abgeschriebene Teile einer Doktorarbeit in
Deutschland höhere Wellen zu schlagen als eine Weltregion, die in den
Abgrund stürzt.

Fazit: Den Geldbeutel zu öffnen, ist eine der Reaktionen, die
angesichts der Hungersnot am Horn von Afrika dringend nötig sind. Die
Augen zu öffnen und Initiativen zu ergreifen, um solche Katastrophen
in Zukunft auszuschließen, eine andere.



Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de


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