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Mittelbayerische Zeitung: Kaiser ohne Kleider Leitartikel zu Rupert Murdoch

Geschrieben am 19-07-2011

Regensburg (ots) - Für die Abgeordneten des britischen Unterhauses
ist es wie im Märchen. Mit einem Schlag erkennen die Volksvertreter:
Der Kaiser hat keine Kleider an. Rupert Murdoch, der Unantastbare,
der Mann, vor dem sie alle zitterten und dessen Zeitungen sie alle
fürchteten, musste vor ihnen erscheinen und Rede und Antwort stehen.
Seine Macht über sie ist dahin. Der Spieß hat sich gedreht, und jetzt
ist es Murdoch, der Angst haben muss. Ein kollektives Aufatmen
scheint durch die ehrwürdigen Hallen des Unterhauses zu gehen:
Endlich ist man frei vom Würgegriff des Australiers. Tatsächlich lag
die Bedeutung des Murdoch-Auftritts mehr in seiner Symbolik als in
dem, was Rupert Murdoch vor dem Medienausschuss des Unterhauses zu
sagen hatte. Das war nicht viel, zumeist Ausflüchte, nur ein
halbherziges Sorry und vor allem die Ablehnung des News-Corp-Chefs,
Verantwortung für den Abhörskandal tragen zu wollen. Aber dass
Murdoch überhaupt ausgesagt hat, dass hier Volksvertreter versuchten,
ihn zur Rechenschaft zu ziehen, demonstriert, dass sich die Balance
der Macht geändert hat. Rupert Murdoch wird, selbst wenn er sein
britisches Medienimperium retten kann, in Zukunft kleine Brötchen
backen müssen. Die Parlamentarier behaupten sich und fordern, dass
Konsequenzen aus dem Abhörskandal gezogen werden. Es wird sich viel
verändern in Großbritannien aufgrund der Hackingaffäre. Die
langfristigen Konsequenzen sind noch gar nicht abzusehen. Aber sicher
ist, dass es zwischen Presse und Politik nicht mehr wie bisher die
"schmusigen Beziehungen" wie bisher geben kann, wie es
Premierminister David Cameron ausdrückte. Er selbst ist ein
gebranntes Kind. Seit Amtsantritt hat sich der Premierminister
mindestens 27 Mal mit Topleuten des Murdoch-Konzerns getroffen. Enge
persönliche Kontakte bestehen zwischen ihm und der zurückgetretenen
Managerin Rebekah Brooks. Die Opposition darf ihm ein "ernstes
Versagen des Urteilsvermögens" vorwerfen, nachdem er Andy Coulson als
Kommunikationschef in der Downing Street beschäftigte, denn Coulson
ist als ehemaliger Chefredakteur der "News of the World" ebenfalls in
den Abhörskandal verstrickt. Auch die Polizei wird nach den zwei
Rücktritten von Scotland-Yard-Chefs in Zukunft auf weit größere
Distanz zu den Medien gehen müssen. Jene Crossovers, wo ehemalige
Polizisten für Murdoch-Blätter schreiben oder Murdoch-Journalisten
für die Polizei arbeiten, zeigen nur zu deutlich die gefährliche Nähe
von Staat und Presse. Und auch die Medien blicken Reformen entgehen.
Die freiwillige Selbstkontrolle hat versagt. Eine von der Industrie
und der Regierung unabhängige Instanz ist gefordert, die die Methoden
der Presse kontrolliert. Zudem wird jetzt darüber diskutiert, wieviel
Medienkonzentration das Land in Zukunft zulassen kann. Aber ob sich
der britische Journalismus selbst von Grund auf ändern wird? Schön
wäre es. Da in Großbritannien Abonnements unbekannt sind, muss sich
jede Zeitung täglich am Kiosk mithilfe ihrer Schlagzeilen verkaufen.
Der Zwang zur sensationellen Aufmachung und zur exklusiven Geschichte
verleitet zum Einsatz der dunklen Künste des Gewerbes: Täuschung,
Fallenstellen, verdecktes Filmen oder der Einsatz von Lockspitzeln -
all das ist an der Tageordnung. Der öffentliche Appetit auf saftige
Enthüllungen wird auch in Zukunft nicht abnehmen - und daran würde
auch die Einführung eines Mediengesetzes nichts ändern. Worauf man
allerdings hoffen darf: Kein Medium wird es wagen, eindeutig illegale
Methoden wie Telefonhacking einzusetzen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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