(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Grüne/Atomausstieg

Geschrieben am 26-06-2011

Regensburg (ots) - Was haben Grünen-Parteitage nicht schon für
Überraschungen gesorgt. Für positive und negative. Der Tiefpunkt war
wohl erreicht, als ein frustrierter Grünen-Chaot 1999 in Bielefeld
den damaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer mit einem
Farbbeutel bombardierte und dessen Trommelfell lädierte. Der
langjährige Grünen-Übervater erreichte seinerzeit, trotzdem oder erst
recht, die Zustimmung zum Nato-Einsatz gegen Serbien. Später erzwang
die Basis die Beibehaltung der Trennung von Partei-Amt und
Abgeordneten-Mandat. Oder auf dem Parteitag von Göttingen. 2007
entschieden die Delegierten gegen die Parteispitze gegen ein
ISAF-Mandat in Afghanistan. Bei Grünen-Kongressen ist oft Feuer
unterm Dach. Der Sonderparteitag der Anti-Atomkraft-Partei am
Wochenende in Berlin war vom Ergebnis her nicht spektakulär. Von der
Art und Weise jedoch, mit der das Votum für den Atom-Ausstieg 2022
zustande kam, wie gestritten und gerungen wurde, war es allemal
spannend. Die Öko-Partei hat anders, als etwa CDU, CSU, FDP oder SPD,
eine große gesellschaftliche Debatte auf die Bühne ihres Parteitages
geholt. Die anderen haben dagegen feige gekniffen. In der Union etwa
wird der Ausstieg "per Order di Mufti" von Merkel und Seehofer
durchgesetzt, die offenbar schon immer gegen die Kernkraft waren.
Auch die Punkte in Sachen Glaubwürdigkeit gehen also ganz klar an die
streiterfahrenen und leidenschaftlichen Grünen. Freilich war bei den
einstigen Ökopaxen bald klar, dass sie der eigenen Führungsriege kein
Fiasko bescheren würden. Beim großen Ziel war man sich ohnehin einig.
Es ging nun nur noch darum, wie schnell die deutschen Meiler
abgeschalten werden können - 2017 oder 2022? - und wie schnell der
Übergang zu den erneuerbaren Energien zu schaffen sein werde. Bei
dieser Herkulesaufgabe der nächsten Jahre und Jahrzehnte können die
Grünen zumindest die geistige Urheberschaft für sich reklamieren.
Nicht nur die Katastrophe von Fukushima, sondern auch die politischen
Erfolge der Grünen haben den 180-Grad-Schwenk der Bundesregierung in
der Energiepolitik verursacht und beschleunigt. Der schwarz-gelbe
Atom-Ausstieg, der am Donnerstag im Bundestag auch auf die Stimmen
der allermeisten Grünen zählen kann, ist sogar "grüner" als der
frühere rot-grüne Ausstieg aus der Kernkraft von Schröder und
Fischer. Und einen Trost für die eigene Klientel, die noch schneller
aussteigen wollte, gab es auch: Sollten die Grünen ab 2013 im Bund
regieren, würden die Daumenschrauben angezogen. Will heißen, dann
wird den Stromkonzernen etwa über hohe Sicherheitsstandards der
Weiterbetrieb der Reaktoren noch schwerer gemacht. Dass die Grünen
leidenschaftlich streiten können, wusste man. Aber dass sie mit einer
solch deutlichen Mehrheit den Vorgaben der Parteispitze folgten, war
zumindest eine kleine Überraschung. Die 2013 im Bund winkende
Regierungsbeteiligung hat die Grünen pragmatischer und realistischer
gemacht. Sie haben den Stresstest bestanden. Die Grünen sind drauf
und dran, den einstigen Volksparteien den Rang abzulaufen. Das
Parteitags-Votum war aber auch als Angebot an die SPD, wie an die
Union gleichermaßen zu verstehen. Mit beiden könnten die Grünen
regieren. Fragt sich dann nur, ob als Koch oder als Kellner. Und
vielleicht werden sie sogar mit einem eigenen Kanzlerkandidaten
antreten. Mit dem Parteilinken Jürgen Trittin - der allerdings
gehörte unter Gerhard Schröder bereits schon einmal zur
Kellner-Riege. Das wird er nicht noch einmal wollen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

339410

weitere Artikel:
  • Rheinische Post: Streit in der NRW-CDU um Gemeinschaftsschulen Düsseldorf (ots) - In der nordrhein-westfälischen CDU herrscht Streit über den künftigen schulpolitischen Kurs. Generalsekretär Oliver Wittke hatte Rot-Grün angeboten, unter bestimmten Bedingungen den Weg für die Gemeinschaftsschule freizumachen. Dazu sagte der Schulexperte der CDU-Landtagsfraktion, Thomas Sternberg, der Rheinischen Post (Montagausgabe): "Wittke ist kein Schulpolitiker." Dessen Äußerungen vor zwei Wochen Journalisten seien "etwas ungenau" gewesen. Wittke hatte gesagt, die Gesamtschulen und die Gemeinschaftsschulen mehr...

  • Rheinische Post: Salafistenverein Mönchengladbach will sich auflösen - Innenminister Jäger: Weiter im Visier Düsseldorf (ots) - Die salafistische Gruppe "Einladung zum Paradies" in Mönchengladbach will sich auflösen. Dies kündigte deren Vorsitzender Sven Lau am Wochenende in einer Videobotschaft an. Gleichwohl werden die Sicherheitsbehörden in NRW die Salafisten weiter im Visier behalten. "Wir nehmen die von den Salafisten ausgehende Gefahr sehr ernst", sagte Innenminister Ralf Jäger der Rheinischen Post (Montagausgabe). Es spiele dabei keine Rolle, ob sie sich wie bisher in Mönchengladbach in einem Verein organisiert hätten oder sich wie mehr...

  • Rheinische Post: Bosbach: Papstbesuch wird Sternstunde des Parlaments Düsseldorf (ots) - Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), erwartet, dass die Rede des Papstes im Bundestag eine "Sternstunde des Parlaments" wird. Den Boykottaufruf aus den Reihen der SPD kritisierte der CDU-Politiker scharf: "Es ist mehr als peinlich, dem Heiligen Vater schon bevor er angereist ist, zu signalisieren, dass er im Deutschen Bundestag nicht willkommen ist", sagte Bosbach der "Rheinischen Post" (Montagausgabe) Er fügte hinzu: "Ich kenne kein vernünftiges Argument, weshalb man es dem mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: Innere Sicherheit Sachsen-Anhalts Innenminister Stahlknecht trifft mit Vorstoß für neuen Radikalenerlass auf Skepsis Halle (ots) - Überlegungen von Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), einen Radikalenerlass in Sachsen-Anhalt einzuführen, sind auf Skepsis und Ablehnung gestoßen. Stahlknecht hatte vorgeschlagen, im Falle des Scheiters eines erneuten NPD-Verbotsverfahrens nach Möglichkeiten zu suchen, wie verfassungsfeindliche Personen vom öffentlichen Dienst und von politischen Wahlämtern ferngehalten werden müssen. Dabei wäre, so Stahlknecht, ein Radikalenerlass denkbar. "Das sind Pläne, die mich an die finstersten Zeiten mehr...

  • LVZ: Grünen-Parteiratsmitglied Hermenau: "Die Grünen sind nicht die einzige Partei, die alles richtig können" Leipzig (ots) - Nach dem Ja ihrer Partei zum Atom-Ausstiegskurs der Bundesregierung von Angela Merkel (CDU) hat die Grünen-Fraktionsvorsitzende im sächsischen Landtag, Parteiratsmitglied Antje Hermenau, ihre Partei aufgefordert zu akzeptieren, dass auch andere Parteien richtige Entscheidungen treffen könnten. Gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" (Montag-Ausgabe) sagte Hermenau: "Eine Partei wie die Grünen muss zeigen, dass sie richtige Entscheidungen, die andere Parteien treffen, akzeptieren kann. Schließlich sind die Grünen nicht mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht