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Milliardenprojekt Korvette 130: Pannenserie reißt nicht ab - Marineinspekteur fordert schärfere Kontrolle

Geschrieben am 20-06-2011

Hamburg (ots) -

Sperrfrist: 20.06.2011 20:00
Bitte beachten Sie, dass diese Meldung erst nach Ablauf der
Sperrfrist zur Veröffentlichung freigegeben ist.

Die Pannenserie beim Milliardenprojekt "Korvette 130" reißt nicht
ab. Die fünf Kriegsschiffe werden nach Informationen des NDR Magazins
"Panorama Nord" (Sendung: Dienstag, 21. Juni, 21.15 Uhr, NDR
Fernsehen) voraussichtlich erst 2014 einsatzfähig sein - sieben Jahre
später als geplant. Axel Schimpf, Inspekteur der Marine, ist
verärgert über die enorme Verzögerung. Andere Experten sprechen vom
"größten Desaster für die Marine seit dem Zweiten Weltkrieg". Dass
keines der fünf Schiffe bisher im Einsatz ist, nannte der
Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Stéphane Beemelmans
"nicht glücklich". Man versuche, zu einer möglichst schnellen
Veränderung des Zustand zo kommen.

Nach Recherchen von "Panorama Nord" hat es bei
Werfterprobungsfahrten Ende Mai erneut Probleme gegeben, diesmal mit
den Kupplungen der Getriebe auf den Korvetten "Oldenburg" und
"Ludwigshafen am Rhein". Welche Reparaturkosten für die Beseitigung
des Schadens anfallen und wie lange sich die Einsatzfähigkeit der
Schiffe allein dadurch verzögert, ist bislang unklar.

Momentan geht das Flottenkommando davon aus, dass das 1,2
Milliarden Euro teure Korvettengeschwader erst im Jahr 2014
einsatzfähig sein wird. Marineinspekteur Axel Schimpf gegenüber
"Panorama Nord": "Die Belastung der Einheiten, die ich in Einsätze
schicken muss, ist ungleich höher, da die Korvetten seit Jahren nicht
zur Verfügung stehen. Ich als Marinechef brauche am Schluss ein
funktionierendes Produkt. Und ich erwarte natürlich von allen
Beteiligten, die in diesem System dafür arbeiten, dass dieses Produkt
möglichst schnell und funktionierend zur Verfügung gestellt wird."

Gleichzeitig forderte Schimpf eine "robustere Aufsicht" der
Hersteller von staatlicher Seite. Nach Informationen von "Panorama
Nord" hatte das Bundesverteidigungsministerium bei der Planung der
Korvetten bewusst von einer genauen Kontrolle der Hersteller, einem
Werftenkonsortium, abgesehen. So schrieb 2002 der zuständige
Projektleiter im Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung, Peter
Grundmann, in einem Fachaufsatz: "Auf die Vorgabe von
Konstruktionsprinzipien und Bauvorschriften wurde so weit wie möglich
verzichtet." Marineexperten halten diese unzureichende Kontrolle für
den Hauptgrund für die Verzögerungen bei der Korvette 130. "Der
Ansatz, dass ein fertiges Produkt von einem Konsortium geliefert
werden soll, ist völlig falsch, weil die Kontrolle seitens der
Politik aus der Hand gegeben wird. Das Beispiel Korvette 130 zeigt,
dass so ein Beschaffungsvorhaben mit diesem Konstrukt nicht
funktioniert", sagte Jan Grebe, Rüstungsexperte im Bonner
International Center for Conversion, dem NDR Magazin. Und Heinz
Dieter Jopp vom Institut für strategische Zukunftsanalyse der
Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Stiftung stellte fest: "Es ist ein
Trugschluss zu glauben, dass es durch Privatisierung und Verzicht auf
eigenständige Kontrolle unterm Strich für den Bund billiger wird,
gleichzeitig aber der Qualitätsstandard erhalten bleibt. Leidtragende
ist hier die Deutsche Marine." Jopp nannte das Projekt das "größte
Desaster der Marine seit dem Zweiten Weltkrieg".

Bei Leistungstests der Korvetten war es immer wieder zu Pannen
gekommen. Bereits 2009 gab es schwere Probleme mit den
Schiffsgetrieben. In der Folge mussten diese auf allen fünf Schiffen
ausgebaut und erneuert werden. Im Februar 2011 stellte man bei einer
Erprobungsfahrt der Korvette "Magdeburg" vor der Küste Norwegens
fest, dass sich im Schiff Schimmel und Schwitzwasser bildeten, weil
bei der Konstruktion der Klimaanlagen Fehler gemacht worden waren.
Wieder mussten alle fünf Korvetten aufwendig überarbeitet werden.

Im Bundesverteidigungsministerium sei man nicht zufrieden mit der
aktuellen Situation, wie der Staatssekretär im
Bundesverteidigungsministerium, Stéphane Beemelmans, im Interview mit
"Panorama Nord" einräumte: "Manchmal gibt es Pech, und dann kommt
noch Unglück dazu. Wir versuchen diesen Zustand so schnell zu möglich
zu beheben und werden daraus die Lehren ziehen." Auf die Frage, ob
man der Industrie beim Bau der Korvetten zu sehr freie Hand gelassen
habe, antwortete er: "Ich glaube, dass wir im Schiffbau gut beraten
sind, eng mit der Rüstungsindustrie zusammenzuarbeiten. Die
Konsequenz kann nur sein, dass wir immer genau hinschauen. Vielleicht
können wir uns noch bessern." Was sein Ministerium in Zukunft anders
machen will, sagte Beemelmans allerdings nicht.

Die Korvette 130 wurde als Ersatz für die überalterten
Schnellboote der Marine entworfen und soll die Möglichkeiten bei
Seeraumüberwachung und Küstenschutz im weltweiten Einsatz erweitern,
etwa im Rahmen der Anti-Piraten-Mission der EU am Horn von Afrika.
2001 hatte das Bundesverteidigungsministerium ein Werftenkonsortium,
die sogenannte Arge K 130, bestehend aus Blohm + Voss, Nordseewerke
Emden und Lürssen Werft, mit dem Bau von fünf Schiffen zum
Gesamtpreis von rund 1,2 Milliarden Euro beauftragt.

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Robert Bongen, Redaktion
"Panorama Nord", Tel. 040/4156-4785.

20. Juni 2011/IB



Pressekontakt:
NDR Norddeutscher Rundfunk
NDR Presse und Information
Telefon: 040 / 4156 - 2300
Fax: 040 / 4156 - 2199
http://www.ndr.de


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