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Westdeutsche Zeitung: Sicherungsverwahrung = Von Peter Kurz

Geschrieben am 04-05-2011

Düsseldorf (ots) - Mit irgendwem mussten sich die Karlsruher
Richter anlegen. Entweder mit dem Europäischen
Menschenrechtsgerichtshof, der die deutschen Regeln zur
Sicherungsverwahrung für menschenrechtswidrig erklärt hatte. Oder mit
weiten Teilen der Bevölkerung, die sich durch in Freiheit entlassene
gefährliche Täter bedroht fühlt. Die Verfassungsrichter wählten den
gewiss nicht gerade bequemeren zweiten Weg. Und gingen sogar weiter
als viele erwartet hatten: Nicht nur die Fälle der rückwirkenden und
nachträglichen Sicherungsverwahrung wurden für verfassungswidrig
erklärt, sondern der Gesetzgeber muss nun alle Fragen um die
Sicherungsverwahrung neu regeln. Wer hier kritisiert, dass
Täterschutz Vorrang vor Opferschutz habe, sollte zuvor bedenken, um
welche Arten von Fällen es hier geht. Ein sicherungsverwahrter Täter
hat seine Strafe abgesessen. Und wird dennoch weiter festgehalten.
Festgehalten für Taten, die er bisher noch gar nicht begangen hat,
sondern nur begehen könnte. Ein solches, dem Einzelnen für den Schutz
der Allgemeinheit auferlegtes Sonderopfer hält auch Karlsruhe für
möglich, stellt dafür dem Gesetzgeber aber sehr strenge Bedingungen.
Wenn schon jemand seine Freiheit für die Sicherheit der Allgemeinheit
opfern muss, weil er als besonders gefährlich gilt, dann müssen die
Bedingungen, unter denen er da festgehalten wird, wesentlich
komfortabler sein als die eines Strafgefangenen. Und vor allem: Dem
so Eingesperrten muss eine Perspektive gegeben werden, insbesondere
durch Therapieangebote wieder fit für eine spätere Freiheit gemacht
zu werden. Das Urteil wird nun viel Betriebsamkeit auslösen: Die
Justiz muss schleunigst die von Straßburg besonders kritisierten
Fälle rückwirkender und nachträglich ausgesprochener
Sicherungsverwahrung prüfen und dabei die "kleineren Fische" in die
Freiheit entlassen. Und für den Gesetzgeber, aber auch die Planer vor
Ort, läuft nun eine zweijährige Gnadenfrist, innerhalb derer neue
Regeln und auch die entsprechenden Unterbringungs- und
Betreuungsmöglichkeiten geschaffen werden müssen. Das wird schwierig
und teuer. Aber das ist der Preis für Gerechtigkeit einerseits und
größtmögliche Sicherheit andererseits.



Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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