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Immer mehr Verpackungsmüll verschwindet in den dunklen Kanälen einzelner "Dualer Systeme"

Geschrieben am 04-03-2011

Berlin (ots) - Jede vierte Verpackung wird zwischenzeitlich nicht
mehr ordnungsgemäß lizensiert und entsorgt - Deutsche Umwelthilfe
entdeckt erhebliche Unterschiede in der Lizenzierungspraxis der
"Dualen Systeme" - Zunahme "kreativer" Entsorgungsangebote bedroht
eine hochwertige Recyclingwirtschaft in Deutschland -
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch fordert konsequente
behördliche Kontrollen und Sanktionen

In den Entsorgungskanälen der "Dualen Systeme" verschwindet
Verpackungsmüll. Jede vierte Verpackung ist nach Informationen der
Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) nicht ordnungsgemäß bei einem der
neun Unternehmen der "Dualen Systeme" angemeldet. Da der
Recyclingmarkt hart umkämpft ist, interpretieren offensichtlich
einzelne Systembetreiber die komplizierte Gesetzgebung mit immer
trickreicheren Interpretationen der Verpackungsverordnung. Mit
Preisdumping und Billigst-Angeboten an Hersteller, die im Rahmen der
Produktverantwortung für die Entsorgung ihrer Verpackungen
verantwortlich sind, kämpfen die "Dualen Systeme" um die Aufträge -
mit der Folge schlechter werdender Recyclingqualität. "Die von
wenigen Ausnahmen abgesehen praktisch völlige Abwesenheit
behördlicher Kontrollen hat einen faktisch rechtsfreien Raum
entstehen lassen. Wir leben aber noch nicht wirklich in Süditalien.
Die für den Vollzug der Abfall- und Recyclinggesetze zuständigen
Länderbehörden dürfen nicht länger wegschauen, wenn sich Handel und
Industrie durch die immer breitere Nutzung von
Pseudoentsorgungsangeboten einen finanziellen Vorteil in hoher
dreistelliger Millionenhöhe verschaffen und in der Folge Verpackungen
und Altprodukte immer weniger qualifiziert recycelt werden", sagte
Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer.

In den deutschen Haushalten fallen jährlich 5,9 Millionen Tonnen
Verpackungsabfälle zur Entsorgung über die gelben Tonnen und Säcke
sowie über die Altglas- und Altpapiersammlung an. Davon sind aber nur
4 Millionen Tonnen bei den "Dualen Systemen" angemeldet. Besonders
dramatisch ist die Situation bei Papier und Leichtverpackungen: Nach
Schätzungen der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung sind 39
Prozent der Papierverpackungen und 31 Prozent der Leichtverpackungen
nicht lizenziert. Mit der Nicht-Lizenzierung von Verkaufsverpackungen
drücken sich die Hersteller vor Entsorgungskosten von rund 730
Millionen Euro - pro Jahr.

650-700 Euro pro Tonne müssen die Hersteller für die Lizenzierung
von Leichtverpackungen bei den "Dualen Systemen" zahlen.
Papierverpackungen kosten 120-145 Euro pro Tonne und Glasverpackungen
kommen auf 45-60 Euro pro Tonne. Deutlich billiger sind für die
Unternehmen sogenannte Branchenlösungen und die behauptete Rücknahme
von Verkaufsverpackungen im Handel am Point-of-Sale (POS). Dabei
dürfen sie nach der Verpackungsverordnung nur sehr beschränkt
eingesetzt werden. Branchenlösungen sind nur für
Verkaufsverpackungen, die nicht in privaten Haushalten anfallen,
sondern beispielsweise in Krankenhäusern, Schulen, Stadien, Kanzleien
und Kantinen, zulässig. Die Kosten für die Verpackungsentsorgung
durch Branchenlösungen betragen nur 20 bis 40 Prozent der
Lizenzgebühren für "Duale Systeme". Die POS-Rücknahme kommt noch
billiger und kostet nur 5 bis 20 Prozent der Gebühren im "Dualen
System". Sie ist aber nur dann zulässig, wenn private Endverbraucher
diese Verpackungen nachweislich im Handel zurücklassen bzw. in den
Handel zurückbringen. Aufgrund der hohen Kosteneinsparpotenziale
durch Branchenlösungen und POS-Rücknahme ist die Verlockung für die
"Dualen Systeme" groß, diese Möglichkeiten überproportional zu nutzen
und so ein besonders günstiges Angebot zu machen. Die DUH hat in
einer Umfrage unter den neun "Dualen Systemen" zu den
Lizenzierungspraktiken erhebliche Unterschiede zwischen den
Unternehmen festgestellt.

"Auch bei einer Spezialisierung auf Kunden in bestimmten
Produktsegmenten sind durchschnittliche Branchenquoten von 20 Prozent
und in einigen Fällen bis zu fast 50 Prozent sowie angebliche
POS-Rücknahme von mehr als 10 Prozent als Durchschnitt aller Kunden
in einem 'Dualen System' nicht ganz nachvollziehbar", kommentiert
Jürgen Resch. "Die aktuelle Situation bei der Verpackungsentsorgung
zeigt, dass die von Bund und Ländern beschlossene 'Selbstkontrolle
der Wirtschaft' bei der Verpackungsentsorgung wie zu erwarten war
gescheitert ist. Eine ordnungsgemäße und umweltgerechte
Verpackungsentsorgung ist nur mit konsequenten Kontrollen der
zuständigen Länderbehörden möglich."

Vor allem Großkunden sind im Konkurrenzkampf unter den "Dualen
Systemen" die Könige und können die Bedingungen diktieren. "Wenn
einzelne Angebote für die Verpackungsentsorgung deutlich unter den
Kosten für andere liegen, dann sind die Hersteller im Rahmen ihrer
Produktverantwortung verpflichtet, nicht nur auf den Preis zu gucken,
sondern auch auf die Leistung, die sich dahinter verbirgt", sagte
Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft der DUH. "Die
Herstellerverantwortung hört nicht mit dem Aushandeln des günstigsten
Angebotes auf."

Hintergrund

Die DUH hat die neun "Dualen Systeme" nach den
Lizenzierungspraktiken für Verkaufsverpackungen im Jahr 2009 sowie zu
Trends und Gesamtpotenzialen für Branchenlösungen und POS-Lösungen
befragt. Vier Anbieter (Belland Vision GmbH, Interseroh
Dienstleistungs GmbH, Redual GmbH und Veolia Umweltservice Dual GmbH)
haben mit Hinweis auf Geschäftsgeheimnisse keine Angaben zu Anteilen
an Branchenlösungen bzw. POS gemacht. Fünf Unternehmen (Duales System
Deutschland GmbH, EKO-Punkt GmbH, Landbell AG, Vfw GmbH und Zentek
GmbH & Co. KG) haben mengenbezogene Daten zu Branchenlösungen und POS
geliefert, wobei die Landbell AG nachträglich die Veröffentlichung
der Daten untersagt hat. Die Antworten belegen deutliche Unterschiede
zwischen den Systembetreibern.

Auffällig ist unter anderem die offensichtlich sehr
unterschiedliche Handhabe der POS-Rücknahme. Im Jahr 2009 haben die
Kunden von EKO-Punkt und Zentek gar keine POS-Mengen gemeldet; die
Kunden vom Dualen System Deutschland durchschnittlich 0,3 Prozent und
die Kunden von Vfw durchschnittlich 11,2 Prozent. Nach Berechnungen
der DUH hätten demnach die Kunden der übrigen Systemanbieter (Belland
Vision, Interseroh, Landbell, Redual/Reclay und Veolia) im
Durchschnitt 14,4 Prozent ihrer Leichtverpackungen und 8,0 Prozent
ihrer Glasverpackungen am POS zurückgenommen. Dabei schätzt die
Mehrzahl der dualen Systeme das durchschnittliche Gesamtpotenzial für
POS-Rücknahme auf 1-3 Prozent der privaten Verkaufsverpackungen.

Diese Schätzung deckt sich mit Beobachtungen der DUH in
Einzelhandelsgeschäften. Bei Testbesuchen in insgesamt 10
Lebensmittel- und Drogeriemärkten wurde das Verhalten von 334 Kunden
beobachtet. Die Kunden haben jeweils mehrere Produkte gekauft,
insgesamt aber nur neun Verpackungen abgegeben. Kein einziger Kunde
hat Verpackungen von Zuhause mitgebracht. Angenommen, jeder Kunde
würde ein bis fünf verpackte Produkte kaufen, entspräche dies einer
durchschnittlichen POS-Rücknahmequote von 0,5-3 Prozent.

Während der für alle dualen Systeme durchschnittliche Anteil der
Branchenlösungen laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag
bei 9 Prozent liegt, ergibt eine differenzierte Betrachtung ein
anderes Bild. Den höchsten Anteil an Branchenlösungen (als
Durchschnitt für Papierverpackungen, Leichtverpackungen und
Glasverpackungen) hat Vfw mit 45 Prozent, den niedrigsten EKO-Punkt
mit 0,3 Prozent; Zentek liegt bei 13 Prozent und Duales System
Deutschland bei 4,9 Prozent. Im Durchschnitt wären nach Berechnungen
der DUH die Kunden der anderen Systemanbieter (Belland Vision,
Interseroh, Landbell, Redual/Reclay und Veolia) demnach mit 20,9
Prozent ihrer Papierverpackungen, 19,9 Prozent ihrer
Leichtverpackungen und 1,8 Prozent ihrer Glasverpackungen an
Branchenlösungen beteiligt.

Der Anteil branchenfähiger Verkaufsverpackungen eines "Dualen
Systems" hängt vor allem von den Produktpaletten und
Vertriebsstrukturen seiner Kunden ab. So wird beispielsweise der
Großteil Süß- und Backwaren sowie Kaffee, Tee und Kakao an private
Verbraucher verkauft. Systeme, die hauptsächlich Kunden in diesen und
anderen Segmenten des Lebensmittelbereichs haben, können entsprechend
nur geringe Mengen Verpackungen an Branchenlösungen beteiligen.
Systembetreiber, die z.B. überwiegend Hersteller von medizinischen
Produkten oder von Autoersatzteilen unter Vertrag haben, können
höhere Branchenanteile ansetzen.



Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil.: 0171 3649170, E-Mail:
resch@duh.de

Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-41, Mobil:
0160 5337376, E-Mail: elander@duh.de

Ulrike Fokken, Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-86, Mobil: 0151
55017009, E-Mail: fokken@duh.de


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