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BERLINER MORGENPOST: Das Tauziehen um Hartz IV muss ein Ende haben - Leitartikel

Geschrieben am 07-02-2011

Berlin (ots) - In Deutschland braucht die Bundesregierung
Mehrheiten in gleich zwei Parlamenten, um wichtige - vor allem
sozialpolitische - Gesetzesvorhaben durchzubringen. Seit Schwarz-Gelb
im Bundesrat das Stimmenübergewicht verloren hat, sind Merkel und
Westerwelle auf die Zustimmung von SPD und Grünen in der Länderkammer
angewiesen. Zur Vermeidung einer Blockade sieht das Grundgesetz den
Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat vor. Mit dem
Auftrag, einen Kompromiss zu suchen, ohne den Demokratie nicht
funktioniert. Wie schwierig das ist, zeigt gerade mal wieder das nun
schon Wochen währende Tauziehen um die von den Verfassungsrichtern
aufgegebene Reparatur der Hartz-IV-Reform. Denn auch in diesem Ringen
geht es ja nicht nur um die Sache, sondern auch um eine Machtprobe.
Vor allem für die Opposition im Bundestag mit ihrer Mehrheit im
Bundesrat ist es die willkommene Chance, der Bundesregierung deren
Grenzen aufzuzeigen und dank der Durchsetzung eigener Forderungen zu
punkten. So verständlich diese Verlockung ist, darf sie doch nicht so
weit führen, einen fairen Interessenausgleich durch immer neue
nachgeschobene Forderungen über Gebühr und damit zulasten der
Betroffenen in die Länge zu ziehen. Das müssen SPD und Grüne
bedenken, wenn sie sich nicht dem Verdacht aussetzen wollen, ihnen
gehe es weniger um die von Karlsruhe verordnete Überarbeitung des
einst von ihnen selbst beschlossenen Hartz-IV-Gesetzes, sondern mehr
um die Demonstration ihrer Macht. Und damit konkret um die Demontage
der bislang ebenso erfolgreichen wie populären Arbeits- und
Sozialministerin Ursula von der Leyen. Die ist Rot-Grün bereits in
einigen wesentlichen Punkten entgegengekommen. Mit dem Zugeständnis
etwa, dass nicht die anonymen Jobcenter, sondern die Kommunen
finanziell die Teilhabe bedürftiger Kinder am Bildungspaket betreuen,
das die Richter verordnet haben. Oder mit ihrer Bereitschaft, weitere
Mindestlöhne in der Zeitarbeitsbranche zuzulassen, obwohl dieses
Thema überhaupt nicht Teil des Karlsruher Urteils war. Ähnlich
verhält es sich mit der vehementen Forderung von SPD und Grünen, den
Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger zu erhöhen. Die Richter haben die
Berechnung, aber nicht die Höhe des Regelsatzes moniert. Dem hat Frau
von der Leyen mit neuer Transparenz plus den in der Tat eher
lächerlichen zusätzlichen fünf Euro entsprochen. Und wenn nun
plötzlich ihre Kontrahenten auch noch die Forderung aus dem Hut
zaubern, eine Regelung für Hartz-IV-Empfänger mit privater
Krankenversicherung zu beschließen, hat das viel mit unzulässiger
Überfrachtung einer ohnehin komplizierten Materie zu tun - und
weniger mit dem Willen zu einem fairen Interessenausgleich. Die Zeit
des Pokerns muss vorbei sein. Der Machtkampf darf nicht auf dem
Rücken bedürftiger Kinder ausgetragen werden. Die nämlich können das
für sie geschnürte Bildungspaket erst auspacken, wenn sich Regierung
und Opposition auch über alles andere geeinigt haben. Es wäre
verantwortungslos, wenn die heutige Nachtsitzung wieder ergebnislos
endet.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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