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BERLINER MORGENPOST: Der Westen muss sich zurückhalten - Leitartikel

Geschrieben am 05-02-2011

Berlin (ots) - Wie reagieren wir demokratischen Staaten angemessen
auf die gegenwärtige Erhebung in Ägypten, deren Kraft und Gewalt
Bürger und Politiker gleichermaßen ängstigt? Am besten, indem wir uns
an die Erkenntnis Reichskanzlers Otto von Bismarck erinnern: "Politik
ist die Kunst des Möglichen." Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Noch weiß niemand, wohin der Aufstand steuert. Zunächst sollte man
dem Augenschein trauen und sich eingestehen, dass wir Zeuge einer
Revolution in Ägypten und weiten Teilen der arabischen Welt sind.
Jahrzehnte unterstützte man den Diktator Husni Mubarak mit Geld und
Waffen. Selbst ein internationaler Terrorpate wie Gaddafi war als
Geschäftspartner willkommen. Nun verkündet man Schlagworte wie
Menschenrechte, Demokratie, Pressefreiheit. Damit macht man sich
doppelt unglaubwürdig: einerseits bei autoritären Regimen wie
Saudi-Arabien, auf deren Energieexporte wir angewiesen sind, zum
anderen bei den aufbegehrenden Arabern, die den Pakt des Westens mit
den alten Herrschern nicht vergessen haben. Und nun? Wir sollten
innehalten, das Geschehen beobachten und uns eingestehen, dass wir im
Moment nicht in der Lage sind, es steuern zu können. Dies zu
versuchen wäre ebenso fatal wie die kriegerischen Bemühungen der
europäischen Monarchien nach der Französischen Revolution von 1789,
das Ancien Régime an der Macht zu halten. Das Ergebnis war lediglich
eine Radikalisierung der Französischen Revolution und die Hinrichtung
des Königspaars. Die Kunst des Möglichen gebietet Zurückhaltung. Die
Völker Ägyptens und der arabischen Länder müssen selbstständig ihren
Weg gehen. Es ist anzunehmen, dass sich am Nil die Muslimbrüder
durchsetzen. Das verheißt religiöse Intoleranz, zunächst gegenüber
den etwa acht Millionen koptischen Christen im Inneren, und
Feindschaft gegenüber dem jüdischen Staat Israel. Präsident Sadat,
der Frieden mit Jerusalem schloss, wurde 1981 von Soldaten, die unter
dem Einfluss der Muslimbrüder standen, ermordet. Heute unterstützen
Ägyptens Muslimbrüder ihre Gesinnungsgenossen im Gazastreifen.
Gemeinsam will man, ebenso wie Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad,
Zion vernichten. Das Wissen um die Intoleranz und Aggressivität der
Muslimbrüder als entscheidende politische Kraft in Ägypten - und in
anderen arabischen Ländern - sollte die westlichen Regierungen jedoch
nicht dazu verleiten, in der gegenwärtigen Umbruchphase
Verhaltensmaßnahmen und Regeln an die Araber zu richten. Diese
ohnmächtigen Parolen würden nur zu einer Solidarisierung der Massen
mit den Fundamentalisten führen. Die Respektierung der Autonomie der
arabischen Völker und Länder darf jedoch nicht zur Ohnmacht oder gar
zu Gleichgültigkeit führen. Wir erwarten keine Westminster-Demokratie
in Kairo. Die Araber sollen nach ihrer Fasson selig werden. Doch
Berlin, Brüssel und Washington müssen deutlich machen, was ihre
Interessen sind und was sie nicht tolerieren werden: Es darf keine
Unterdrückung der Kopten geben, und Israels Sicherheit ist, wie
Bundeskanzlerin Merkel feststellte, "für uns nicht verhandelbar".



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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